I, Erzählende Schriften 33, Traumnovelle, Seite 56

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Schnitzlers
Traum-Nobele
und die Aufwartefrau
Frau Fischer ist eine Aufwartefrau. Sie ist
jung und so flott, daß man sie eher für eine Pri¬
vatsekretärin oder etwas Aehnliches halten könnte.
Sie hatte eine „große Liebe“, der „Erich hatte
es ihr angetan. Sie will nichts gegessen und nichts
getrunken haben, alles war für Erich. Ihr Geld
gab sie ihm hin, ihr Herz hatte er längst. Er
selbst aber soll es, wie sie sagt „mit anderen
Mädels gehabt haben“.
Frau Fischer fühlte sich betrogen und zeigte
den Mann wegen Heiratsschwindels an. Erich kam
denn auch hinter schwedische Gardinen. Aber vor¬
oher rächte er sich noch.
Eines Tages, als sie sich begegneten, bemerkte
Erich bei ihr ein Zigarettenetul. Das Ding war
zwar nur aus Alpacea, denn es war ein Reklame¬
etul, aber er fragte: „Kannst du es mir nicht
schenken?“ Sie schenkte es ihm und sagte ihm
dabei auch, daß sie das Etui bei ihrer Arbeit¬
geberin gefunden und sich angeeignet habe.
Als Erich nun verurteilt wurde, schrieb er an
die Arbeitgeberin der Frau Fischer, daß er Frau
Fischer bestimmt geheiratet hätte, aber eine Diebin
könne man ja nicht heiraten und nun erzählte er
die Sache mit dem Etui. Jetzt bemerkte die Frau
des Hauses, daß ihr ein Buch fehle und zwar
Schnitzlers „Traumnovelse“ Während
Frau Fischer bei ihr arbeitete, rief sie bei der
Wirtin der Frau Fischer an und hat diese doch
nachzusehen, ob Frau Fischer nicht im Besitz der
„Traumnovelle“ sei. Die Wirtin sah nach und
teilte sofort der Dame mit, daß Frau Fischer das
Buch habe.
Frau Fischer muß sich nun wegen Diebstahls
in Moabit verantworten. Den Diebstahl des
Etuis gibt sie auch sofort zu. Das Buch aber,
nein, so ein Buch habe sie niemals gelesen. Wegen
des Zigarettenetuis wurde die Angeklagte frei¬
gesprochen, da es sich um einen wertlosen Gegen¬
stand handelt. Was aber die „Traumnovelle“
anbelangt, so beantragt der Staatsanwalt einen
Tag Haft oder zehn Mark Geldstrafe. Die kleine
Frau ist empört: „Aber für zehn Mark kann
ich mir ja bessere Bücher als Schnitzlers Traum¬
novelle kausen.“ Das Urteil lautet auf eine Geld¬
strafe von drei Mark. „Ich nehme die Strafe
an,“ erklärt die Angeklagte prompt Der Richter
sieht der Aufwartefrau prüfend ins Gesicht und
sagt: „Na, Angeklagte, vielleicht haben Sie die
Traumnovelle doch genommen?“ Angeklagte:
„Die Traumnovelle habe ich nicht ge¬
nommen, aber das Urteil nehme
ich an.“
E. L.—
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## Igionswisse, aftlichen ##r gung, Studie
17. Wr. Ernst Samter vom Gomnasium zum Grauen
18- im Alter von 58 Jahren gestorben.
Die Enthaftung
Industriellen Haas.
des
Mit Ovationen empfangen.
Telegramm unseres Korrespondenten.
Magdeburg, 9. August.
Als heute Rudolf Haas nach einer vierstündigen Be¬
ratung der Beschwerdekammer aus der Untersuchungshaft
entlassen wurde, empfing ihn vor dem Gefängnis neben
seinen Angehörigen eine große Menschenmenge mit
freudigen Zurufen. Er hat in den 7½ Wechen
Untersuchungshaft an seiner Gesundheit kaum gelitten. Er
hat zwar fünf Kilogramm an Gewicht eingebüßt und die
Augen liegen tiefer in den Höhlen, aber er fühlt sich sonst
wohlauf.
Die Leiden in der Gefangenschaft.
In der Zelle hat er ein Tagebuch geschrieben, aus
dem hervorgeht, daß er in den ersten Tagen glaubte, recht
bald aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden, denn
er war der Meinung, alle, auch der Magdevurger Kriminal¬
kommissär ten Holt, meinen es gut mit ihm. Am vierten
Tage aber kommt die große Enttäuschung. Es werden ihm
Handschellen angelegt bevor er über den Hof zum Unter¬
suchungsrichter geführt wird, und dieser schleudert ihm ins
Gesicht, daß er der Mordbeihilfe verdächtig sei. Nach drei
Wochen ist er psychisch so heruntergekommen, daß er ##e
Nervenkrise befürchtet. Es wird ihm immer schweitc.
seine Gedanken zusammenzuhalten und er notiert: „Manch¬
mal scheint es mir, als ob ich den Verstand
verloren habe. Vielleicht habe ich auch
etwas im Trancezustande begangen.
Schnitzlers „Traumnovelle“, die er liest, regt
ihn furchtbar auf. Von der Erlaubnis, eine halbe Stunde
täglich im Hof spazieren zu gehen, will er wegen der Gesell¬
schaft der anderen Gefangenen keinen Gebrauch machen. So
ist seine einzige Bewegung das Aufundabgehen in der Zelle
der er nur sechs Schritte machen kann. Schlietzlich
n
scheuert er auch die Zelle selbst, um körperliche
Arbeit zu leisten. Als er am 6. August in den Zeitungen
die Geständnisse Schröders und seiner Geliebten liest, wir¬
es ihm klar, daß seine Befreiung nahe ist, und er schreibt:
„Ich komme mir vor, wie im Felde, einen Tag vor dem;
Urlaub.“
Der Verteidiger von Rudolf Haas, Rechtsanwalt Doktor
Braun, erklärte heute Ihrem Berichterstatter, daß mit der
Freilassung von Haas, Fischer und Reuter zwar die erste
Etappe zurückgelegt ist, aber jetzt handle es sich darum
Haas von den letzten, angeblichen Verdachtsmomenten zu
reinigen, die dem Verteidiger noch immer unbekannt sind, da
ihm seit Wochen die Akten vorenthalten
hn¬
werden. Sollten sich wirklich Zeugen gefunden haben, die über
eine Verbindung zwischen der Familie des Haas und dem
Mörder Schröder eidliche Aussagen gemacht haben, werde
u0
en1 gegen die Zeugen im Meineidverfahren vorgegangen werden