I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 92

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31. Frazulein Else

Berliner Börsenzenung
Arthur=Schnitzler=Abend.
Der vergangene Dichterabend des Verbandes
Deutscher Erzähler galt Arthur Schnitzler.
Und der Plenarsaal des Reichstages mit seinen mannig¬
fachen Logen waren gedrängt voll; auf der Estrade aber, wo
sonst die Führer des Reiches mit ihren Beamten und der
Prasident des Hauses ihren Platz einnehmen, saßen
Minister und Oesterreichs Gesandter, das Oberhaupt der
Stadt und die Elite deutschen Schrifttums. Die alle waren
gekommen, dem Dichter zuzuhören und ihn zu ehren, den
Poeien der zart=schmerzlichen Geschichten zu feiern, dessen
Werk immer wieder Wien und dieser Stadt Seele in den
Menschen aufgefangen und besungen hat.
Wie jedesmal begrüßte Georg Enge. die Gäste und
der Tichter; vielleicht klang sein Gruß dieses Mal etwas
wärmer, und wahrscheinlich gebrauchte der Vorsitzende des
Verbandes zur Einleitung des Abends, der ein Festabend
wurde, viele Superlative, die durchaus am Platze waren.
Wurde doch dem Dichter eine Mittlerin wie sie wohl besser
keiner sich wünschen könnte, da Elisaheth Bergner ihre
Mitwirkung zugesagt hatte.
Des Saales Lichter, die eben noch hell strahlten, ver¬
loschen. Aber ein Leuchten und eine Kraft gehen von
Elisabeth Bergner aus, deren verschleiertes Orgen die
Novelle „Fräulein Else“ zu sprechen beginnt. Andert¬
halb Stunden liest die Bergner jene Erzählung, die ein
Selbstgespräch ist und das schwere Schicksal eines jungen
Möochens wiedergibt, das als arme Verwandte die reiche
Tante in die Sommerfrische begleiten darf und dessen Vater
Mündelgelde unterschlug, die die Tochter för ihn borgen
soll. Subtile Seelenkunst, Psychoanalyse hielt der Schrift¬
steller in einer Dichtung fest, die zu einer meisterhaften
Novelle wurde, die einem den Atem nimmt und in Er¬
regung versetzt, die die Nerven anspannt und das Herz
chneller schlagen macht, die das Gefühl anruft und Mit¬
empfinden erweckt. Erstaunlich und bewundernswert, wie
ein Dichter, der, mehr als 60 Jahre alt, eine Neunzehn¬
jährige begriffen, sich in diese hineingelebt hat, so daß
dieses junge Mädchen, kokert und empfindsam, Tochter der
Zeit und diese von sich aus edelnd, am Geschick zerbricht.
Mit einem nur zu bewundernden Zartgefühl werden
ensibelste Regungen erzählt,

Schnitler
als
Meister einer seelenschürfenden Erzählungskunst be¬
weisen. Dem Dichter ebenbürtig war die Bergner, die diesen
Monolog las. Nein, nicht las; die Bergner war
Fräulein Else.
Aus ihrer Stimme klang das Leid,
und die Worte zitierten in den großen Raum, hauchten
schamhaft die Not einer Unschuldigen, die sich opfern muß.
Aufsteigende Tränen und Trotz und die ganze trostlose
Einsamkeit und Hilflosigkeit einer Verlassenen gab die
Sprache wieder, die von den beredtsten Händen erschütternd
untermalt wurde. Jede Regung war bis ins Letzte erfaßt
und — gefühlt. So wurde Dichtung zu Leben, so ward
Zuhören zum Erlebnis. Das Publikum, sichtlich ergriffen,
löste sich schwer von dem Alb und raste in nichtendendem
Beifall, um zu danken und um

wieder zu sich zu
kommen.
Nachher las Schnitzler seine 1900 entstandene Novelle
„Leutnant Gustl“, die damals bereits die äußere
Form und Technik von „Fräulein Else“ hatte. Seinem Werk
ein guter Interpret war der Dichter, dessen wienerischer
Klang die mit sich selbst geführte Auseinandersetzung des
in seinem Ehr= und Selbstgefühl gekränkten Offiziers
trefflich wiedergab. Den inneren Kampf und die einem
Zufall zu verdankende und wider Erwarten plötzliche Be¬
freiung sprach Schnitzler mit Wärme in geschickter
Nuancierung und sicherer Abschattierung. Auch er wurde
sehr gefeiert. Dem Gast aus Oesterreich zu, Ehren schloß
ich der Vorlesung ein Empfang beim Oberbürgermeister
Pöß an.
Heinz Stroh.
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(dis 1926
Elisabeth Bergner wiederholte gestern vor¬
mittag ihre Vorlesung der Novelle „Fräulein Else“
won Schnitzler im Gloriapalast. Das
güsverkaufte Haus spendete starken Beifall.
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Neue Freie Presse.
„André Chénier“ mit Frau Born und Herrn Piccaver
Amy
wiederholt. Sonntag den 21. d. gelangt Wagners „Lohen¬
Hart
rin“ mit den Damen Schwarz und Wildbrunn sowie den
Herren Schubert, Groenen, Manowarda zur Aufführung. Mon¬
Cho¬
tag den 15. d. wird als Vorstellung für die Theatergemeinde
onlder
(Serie C, rote Mitgliedskarten) Beethovens „Fidelio“ mit
Karte
den Damen Kappel und Schumann sowie den Herren Slezak,
Jerger und Mayr aufgeführt. Für diese Theatergemeinde¬
May
vorstellung werden auch eine Reihe von Sitzen sowie sämtliche
verein
Stehplätze des Hauses dem sonstigen Publikum zugänglich
Doh
gemacht.
Kor
Im Redoutensaal finden in der kommenden Woche
gar
rei Vorstellungen statt. Dienstag den 16. d. nach längerer
Pari: „Tanzoilder", Donnerstag den 18. d. „Ballett¬
ständ
k#mödien“ und Sonntag den 21. d. „Die Entführung
am
# dem Serail“ mit den Damen Gerhart und Schumann
als
sor den Herren Maikl, Gallos und Norbert.
indet
Gut
Theater= und Kunstnachrichten.
[Schnitzler=Abend in Berlin.] Im Plenar¬
und:
sitzungssaale des Reichstages veranstaltete dieser Tage der
abend
Verband deutscher Erzähler einen Arthur¬
daß
Schnitzler=Abend. Trotz schneidender Kälte warteten
wurd
viele geduldig auf der Straße, um sich einen guten Platz zu
ichern. Der große Saal war gedrängt voll, als Elisabeth
Bergner, vom Publikum stürmisch begrüßt, auf dem
erhöhten Präsidentenstuhl Platz nahm. Sie las zuerst eine der
üngsten Novellen des Dichters der österreichischen Seele und
der Wiener Landschaft „Fräulein Else", diese Perle
Schnitzlerscher Kunst des C fählens, und ließ in der Wiedergabe
des seelischen Erlebens der deldin in den atemlos gespannten
des
Zuhörern diese Tragödie einer überreizten Mädchenseel lebendig
von
werden. Dann folgte ihr der Dichter selbst, mit tärkstem
ervati
Beifalle empfangen, am Vortragspulte. Arthur Schnitzler
klage
las seine berühmte Novelle „Leutnant Gustl“, die ja bekannt¬
staatsa
lich ein ähnliches Thema, den Selbstmord aus überreiztem Ehr¬
begriff behandelt, ohne allerdings die letzte tragische Kon¬
Nachrie
equenz zu ziehen. Denn die Nachricht vom Tode seines
Repub!
Beleidigers rettet den jungen Leutnant, der schon mit dem
Erm
Leben abgeschlossen hat, vom Selbstmorde. Als Schnitzler ge¬
ällen
schlossen hatte, setzte wiederum mächtiger Beifall ein. Nach dem
in Au
Vortragsabende veranstaltete der Oberbürgermeister von Berlin
dem 2
Böß im Rathause zu Ehren Arthur Schnitzlers einen Empfang.
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Im Burgtheater ges#et #n den ## das
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Zcamne
1 Elisabeth Bergner in der „Komödie“ Am Sonntag¬
mittag stellte sich Elisabeth Bergner, die außergewöhn¬
lich rasch zu Ruhm und Ansehen gelangte junge Berliner
Schauspielerin, erstmalig den Dresdnern vor, und zwar als
Vorleserin, nachdem man sie hier bereits mehrfach als
seelenvolle, spielgewandte Filmschauspielerin lin der Hosen¬
rolle des „Geigers von Florenz" und als Herzogin von
Langcais in „Liebe“) hatte bewundern können. Sie las die
Novelle von Arthur Schnitzler: „Fräulein Else“. Es
würde kein Kompliment für Elisabeth Bergner bedeuten,
wenn man behaupten wollte, daß bei dieser Vorlesung allent¬
halben die temperamentvolle Schauspielerin zum Durchbruch
gekommen wäre, wiewohl es gerade bei der wirksamen Wieder¬
abe dieser, einen mehr konstruierten als komplizierten Cha¬
rakter schildernden Novelle ohne einige komödienhafte Zu¬
taten nie abgehen wird. Sie las mit sparsamem Aufwand
von äußeren Mitteln, im Stimmaufwand sogar dermaßen zu¬
rückhaltend, daß den Hörern vieles entging. Daß es aber
der Vorleserin gelang, die Widersprüche zwischen dem ober¬
lächlichen, von Stimmung zu Stimmung slatternden bunten
Schmetterling, der Fräulein Else im Anfang der Novelle ist,
und der von überspannter jungfräulicher Schamhaftigkeit
zum Wahnwitz und zum tragischen Ende getriebenen Heldin
es Schlusses durch kluge Wort= und Gestaltungskunst zu
überbrücken und so etwas wie Erschütterung und innere An¬
teilnahme an den Seelenkonflikten der zwischen Kindespflicht
und Weibesehre hin und her schwankenden armen Else
Schnitzlerschen Geblüts hervorzurufen, bewies, daß man
einer intelligenten und mit suggestiver Kraft ausgestatteten
Künstlerin gegenüberstand. Elisabeth Bergner wurde am
Schluß ihrer Schnitzler=Auslegung von dem ausverkauften
t.
Hause herzlich, ja stürmisch gefeiert.
Intendantenkrise in Plauen. Auf Beschluß des Rates
und des Theaterausschusses ist der Theaterintendant Strick¬
roth mit dem heutigen Tage aus den städtischen Diensten aus¬
geschieden. Bis zur Wiederbesetzung des Postens werden die
Aedte
Aadue
7. Mana 137/1.