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31. Fraeulein Else
NEUE FREIE PRESSE
Meistverbreitete Tageszeitung in Europa.
Maßgebendes polltisches u. wirtschaftspolitisches Organ.
Wirkungsvolles Inseratenblatt. Täglich zwei Ausgaben.
Administration:
WIEN, I. FICHTEGASSE 9—11.
„ORSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I. Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Ausschnitt aus der
„NEUEN FREIEN PRESSE“
vom :
6 DEZ. 1936
„Fräulein Elle“ und ihr
Mantel.
Es ist gewiß nicht leicht, die modische Ausstattung eines
Theaterstückes geschmackvoll und richtig zu treffen. Auch ein
mondänes Milieu verlangt genaue Differenzierung des Stils
und jede Darstellerin muß ihrer Rolle und ihrer eigenen Persön¬
lichkeit entsprechend gekleidet sein. Noch schwerer ist es, die Pelze
zum Bühnenbild, zur Toilette und zur Gestalt abzustimmen und
zwischen schicken und kostbaren Modellen die passende Grenze
zu ziehen. Daß aber die Wahl eines einzigen Modells, eines
Pelzmantels, zum Problem werden kann, bewies die Inszenierung
des dramatisierten Schnitzler=Werkes „Fräulein Else“ im
Theater in der Josefstadt. Die Szenenfolge erreicht mit dem Ab¬
schluß des vorletzten und im letzten Bild ihren dramatischen
Höhepunkt. Im Augenblick, in dem Fräulein Else, zu schwach
für das Opfer und doch opferbereit, in ihrem Pelzmantel
erscheint, ist die tragische Lösung ihres Seelenkonfliktes
dramatisch bestimmt. Wie sollte nun dieser Mantel beschaffen
sein? Er muß lang sein und dicht schließen. Er darf aber
die Tragik der Szenen nicht stören und nicht pikant wie ein
Mona=Vanna=Mantel wirken. Die junge Dame holt ihn aus
dem Wandschrank des Hotelzimmers — sie besitzt diesen Mantel,
er darf nicht übermäßig kostbar, nicht anspruchsvoll sein, muß
aber doch mondän und modern, elegant und zugleich mädchen¬
haft wirken. Lang und schmal umschließt der seidige Mantel aus
weißem Wiener Lamfell Rose Stradners schlanke Erscheinung.
Breite ruhige Goldtressenbänder verschließen den Mantel. Ohne
Kragen, aber mit ausladenden weiten Aermeln ist er schlicht und
doch modern. Dieses Modell beweist die Fähigkeit der Mode, sich
auch geistig und psychologisch dem Werk des Dichters, der Arbeit
der Regie einzufügen.
Wennn die Wahl dieses Mantels für Fräulein Else ein
Problem nennen muß, so darf man ruhig behaupten, daß es
von dem Haus Penizek & Rainer blendend gelöst wurde,
im Sinn der Bestrebungen dieser internationalen Firma, die ihre
Arbeit immer uneigennützig in den Dienst der Wiener Kunst,
des Wiener Theaters, des mondänen und großzügigen Lebens
der Stadt Wien stellte und auch für Wiens Ruhm als Mode¬
stadt immer wieder neue Kräfte einzusetzen gewillt ist.
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*
825
5
3
ub
62
SSERVEI
I. österr. behördl. konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R 292.,
Aerschalit aus GEURS WIERER JOUNNAN
0
vonm
DEZ. 336
Unbekanntes von „Fräulein
Eise
Von
Rudolph Lothar.
Ich war wieder einmal von Berlin nach Wien gelommen
und war bei Schnitzler zu Gast. Bei Zigarre und schwarzem
Kaffee erzählte mir Schnitzler einen neuen Stoff. „Das kann
ein sehr interessantes Drama werden“, sagte ich. „Nein,“ er¬
widerte Artur lächelnd, „es wird kein Stück, sondern ein
Monolog.“ Ich versuchte vergebens, ihn auf die dramatischen
Qualitäten des Sujets zu. verweisen — er blieb bei seinem
Plan. Und so entstand „Fräulein Else“. Als ich kurze Zeit nach
dem Erscheinen der Novelle 1924 wieder in Wien war, kam
Artur wieder auf die „Else“ zu sprechen und auf eine Idce, die
Novelle zwar nicht zu dramatisieren, aber doch auf die Bühne
zu bringen. Helfer bei diesem neuen Werk sollte Professor Strnad
sein, der mit Feuereifer sofort an die Verwirklichung ging.
Folgendes war in Aussicht genommen: Fräulein Else, die
Elisabeth Bergner darstellen sollte, steht vorn an der Rampe
und spielt ihren Monolog; hinter ihr auf der Bühne aber zieht
in dramatischen Bildern die Handlung vorbei. Strnad fuhr
eigens nach Berlin, um mit dem Deutschen Theater zu ver¬
handeln, vor allem aber, um die Bühne kennenzulernen, auf der
die Uraufführung stattfinden sollte. Aber der Plan zerschlug sich,
wie es hieß, aus technischen Gründen und vor allem auch, weil
seine Durchführung ungemein kostspielig gewesen wäre. Fast zu
gleicher Zeit wurde auch in Hollywood eine ganz neuartige Idee
erwogen, um „Fräulein Else“ zu verfilmen. Das Originelle dieser
Idee bestand darin, einen Ich=Film zu schaffen. Die Kamera
sollte mit Else identisch sein. Alles, was Else erlebt, erlebt die
dem Publikum natürlich unsichtbare Kamera. Else selbst kann
nur in einem Spiegelbild dem Zuschauer vor Augen geführt
werden. Die psychologische Voraussetzung dieses Ich=Films ist
ehr interessant. Es muß nämlich angenommen werden, daß
jeder Zuschauer sich mit der Kamera identifiziert. Jeder Mensch
im Zuschauerraum hätte also die Ereignisse miterlebt. Als der
Gedanke eines solchen Ich=Films auftauchte — immer in Ver¬
bindung mit „Fräulein Else“ —, fand er begeisterte Zustimmung.
Auch bei Schnitzler, der felsenfest davon überzeugt war, daß das
Experiment, die Ibentifizierung der Kamera mit dem Zuschauer,
gelingen müßte. Aber auch dieser Plan scheiterte schließlich an der
Kostenfrage. Ich habe nie mehr von der Idee eines Ich=Films
gehört. Wenn aber ein solcher Ich=Film einmal gedreht werden
sollte, dann stand „Fräulein Else“ an seiner Wiege.
31. Fraeulein Else
NEUE FREIE PRESSE
Meistverbreitete Tageszeitung in Europa.
Maßgebendes polltisches u. wirtschaftspolitisches Organ.
Wirkungsvolles Inseratenblatt. Täglich zwei Ausgaben.
Administration:
WIEN, I. FICHTEGASSE 9—11.
„ORSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I. Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Ausschnitt aus der
„NEUEN FREIEN PRESSE“
vom :
6 DEZ. 1936
„Fräulein Elle“ und ihr
Mantel.
Es ist gewiß nicht leicht, die modische Ausstattung eines
Theaterstückes geschmackvoll und richtig zu treffen. Auch ein
mondänes Milieu verlangt genaue Differenzierung des Stils
und jede Darstellerin muß ihrer Rolle und ihrer eigenen Persön¬
lichkeit entsprechend gekleidet sein. Noch schwerer ist es, die Pelze
zum Bühnenbild, zur Toilette und zur Gestalt abzustimmen und
zwischen schicken und kostbaren Modellen die passende Grenze
zu ziehen. Daß aber die Wahl eines einzigen Modells, eines
Pelzmantels, zum Problem werden kann, bewies die Inszenierung
des dramatisierten Schnitzler=Werkes „Fräulein Else“ im
Theater in der Josefstadt. Die Szenenfolge erreicht mit dem Ab¬
schluß des vorletzten und im letzten Bild ihren dramatischen
Höhepunkt. Im Augenblick, in dem Fräulein Else, zu schwach
für das Opfer und doch opferbereit, in ihrem Pelzmantel
erscheint, ist die tragische Lösung ihres Seelenkonfliktes
dramatisch bestimmt. Wie sollte nun dieser Mantel beschaffen
sein? Er muß lang sein und dicht schließen. Er darf aber
die Tragik der Szenen nicht stören und nicht pikant wie ein
Mona=Vanna=Mantel wirken. Die junge Dame holt ihn aus
dem Wandschrank des Hotelzimmers — sie besitzt diesen Mantel,
er darf nicht übermäßig kostbar, nicht anspruchsvoll sein, muß
aber doch mondän und modern, elegant und zugleich mädchen¬
haft wirken. Lang und schmal umschließt der seidige Mantel aus
weißem Wiener Lamfell Rose Stradners schlanke Erscheinung.
Breite ruhige Goldtressenbänder verschließen den Mantel. Ohne
Kragen, aber mit ausladenden weiten Aermeln ist er schlicht und
doch modern. Dieses Modell beweist die Fähigkeit der Mode, sich
auch geistig und psychologisch dem Werk des Dichters, der Arbeit
der Regie einzufügen.
Wennn die Wahl dieses Mantels für Fräulein Else ein
Problem nennen muß, so darf man ruhig behaupten, daß es
von dem Haus Penizek & Rainer blendend gelöst wurde,
im Sinn der Bestrebungen dieser internationalen Firma, die ihre
Arbeit immer uneigennützig in den Dienst der Wiener Kunst,
des Wiener Theaters, des mondänen und großzügigen Lebens
der Stadt Wien stellte und auch für Wiens Ruhm als Mode¬
stadt immer wieder neue Kräfte einzusetzen gewillt ist.
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SSERVEI
I. österr. behördl. konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R 292.,
Aerschalit aus GEURS WIERER JOUNNAN
0
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DEZ. 336
Unbekanntes von „Fräulein
Eise
Von
Rudolph Lothar.
Ich war wieder einmal von Berlin nach Wien gelommen
und war bei Schnitzler zu Gast. Bei Zigarre und schwarzem
Kaffee erzählte mir Schnitzler einen neuen Stoff. „Das kann
ein sehr interessantes Drama werden“, sagte ich. „Nein,“ er¬
widerte Artur lächelnd, „es wird kein Stück, sondern ein
Monolog.“ Ich versuchte vergebens, ihn auf die dramatischen
Qualitäten des Sujets zu. verweisen — er blieb bei seinem
Plan. Und so entstand „Fräulein Else“. Als ich kurze Zeit nach
dem Erscheinen der Novelle 1924 wieder in Wien war, kam
Artur wieder auf die „Else“ zu sprechen und auf eine Idce, die
Novelle zwar nicht zu dramatisieren, aber doch auf die Bühne
zu bringen. Helfer bei diesem neuen Werk sollte Professor Strnad
sein, der mit Feuereifer sofort an die Verwirklichung ging.
Folgendes war in Aussicht genommen: Fräulein Else, die
Elisabeth Bergner darstellen sollte, steht vorn an der Rampe
und spielt ihren Monolog; hinter ihr auf der Bühne aber zieht
in dramatischen Bildern die Handlung vorbei. Strnad fuhr
eigens nach Berlin, um mit dem Deutschen Theater zu ver¬
handeln, vor allem aber, um die Bühne kennenzulernen, auf der
die Uraufführung stattfinden sollte. Aber der Plan zerschlug sich,
wie es hieß, aus technischen Gründen und vor allem auch, weil
seine Durchführung ungemein kostspielig gewesen wäre. Fast zu
gleicher Zeit wurde auch in Hollywood eine ganz neuartige Idee
erwogen, um „Fräulein Else“ zu verfilmen. Das Originelle dieser
Idee bestand darin, einen Ich=Film zu schaffen. Die Kamera
sollte mit Else identisch sein. Alles, was Else erlebt, erlebt die
dem Publikum natürlich unsichtbare Kamera. Else selbst kann
nur in einem Spiegelbild dem Zuschauer vor Augen geführt
werden. Die psychologische Voraussetzung dieses Ich=Films ist
ehr interessant. Es muß nämlich angenommen werden, daß
jeder Zuschauer sich mit der Kamera identifiziert. Jeder Mensch
im Zuschauerraum hätte also die Ereignisse miterlebt. Als der
Gedanke eines solchen Ich=Films auftauchte — immer in Ver¬
bindung mit „Fräulein Else“ —, fand er begeisterte Zustimmung.
Auch bei Schnitzler, der felsenfest davon überzeugt war, daß das
Experiment, die Ibentifizierung der Kamera mit dem Zuschauer,
gelingen müßte. Aber auch dieser Plan scheiterte schließlich an der
Kostenfrage. Ich habe nie mehr von der Idee eines Ich=Films
gehört. Wenn aber ein solcher Ich=Film einmal gedreht werden
sollte, dann stand „Fräulein Else“ an seiner Wiege.