Sohn
u Beate
und ih
P
17
box 4/5
26 . h Ir Sahan
—4
Die Zeit, Wien
initt aus:
21 S 1913
S
HLrd en
eigentlich stets nur von den Armen Hamlets,
Cyranos, König Richards sich umfangen ließ.
Theater und Kunst.
Kleinlicher, aber allzu glaubhafter Tratsch über
das Vovleben des vielbegehrten Mannes tut das
Frau Beate und ihr Sohn.
übrige, um die Reinheit aller Erinnerungen
(Novelle von Arthur Schnitzler. Berlin, Verlag
ganz zu trüben. Schon hat ihr Mutterherz
S. Fischer).
längst den Weg zur Vernunft, ihr Weibblut den
Einen seltsam=schauerlichen Pfad schreitet
Weg zu neuem, weiterem Erleben gefunden, da
diesmal die Kunst Arthur Schnitzlers. Der
rüttelt die jungenhafte Prahlerei des siebzehn¬
Dichter, der so manches kühnen Problems schon
jährigen Geliebten, der das Geheimnis seiner
siegend Herr geworden ist, rollt hier, ein unver¬
Nächte erzählend preisgibt, den Stolz Beatens
drossener Erforscher und Enthüller der Seele,
auf, zerreißt ihre Zukunftsträume, zertrüm¬
das Schicksal zweier Menschen auf, die das Leben
mert ihn Dasein. Auch wenn ihr Sohn nicht
in eine dunkle, heiße Tragik stieß, aus der nur
durch Zufall erfahren hätte, daß seine Mutter
der Tod ins Freie führt. Unbeirrt geht Schnitzler
die Geliebte des Kameraden war. Nur ein
seine Wege, und so kommt es, daß jedes neue
Rufzeichen zu dem Todesentschluß der Frau ist
Werk sich so fein in die Linie seines Schaffens
das Wissen des Sohnes, mit dem sie nachts auf
einpaßt, indem immer einer neuen von den
den einsamen See fährt, um Abschied zu
tausend Fragen, die die lockenden Rufe des
nehmen. Dort, in einer unheimlichen Szene
Lebens stellen, klärende Lösung wird. Freilich,
voll raunender Rätsel, gaukelt der Wund¬
dort wo sich die Grenzen unseres Innenlebens
gepeitschten das Leben ein letztes Jorbild vor,
verlieren, lauern für den Dichter auch die Ge¬
fahren, beim Hineinleuchten in die Abgründe sie küßt ihren Sohn und ihr „war es, als küßte
der Seele fehlzusehen und sein wohl scherf sie in dieser Stunde einen, den sie nie gekannt
hatte und der ihr Gatte gewesen war, zum
erschautes Problem motivisch zu überspitzen. Und
erstenmal“. Dann zieht sie den Geliebten, den
so geschah es, daß Schnitzler, dieser Gefahr
Sohn, als Todgeweihten mit sich ins nasse
bewußt, in der Geschichte der Frau Beate ein
Grab.
Lebensrätsel durch Rätsel des Lebens löste.
Es bedurfte der ganzen Darstellungskunst
Drei große Erlebnisse erschüttern fast gleich¬
eines Schnitzler, um an den mannigfachen
zeitig das Leben Frau Beatens: Sie, die nur
Klippen dieses Stoffes glücklich vorbeizu¬
ihrem heranreifenden Knaben lebte, muß sehen,
kommen. Man mag über das Muß des tragi¬
wie ihr ein Weib das Kind vom Herzen reißt,
schen Schlusses, über die Notwendigkeit des
muß die Ohnmacht erleben, ihren Buben aus
Inzestmotivs wie immer denken: die grandiose
den Armen einer reifen, in Liebe routinierten
Komposition dieses kleinen Werkes, der reiche
Schauspielerin befreien zu können. In ihr selbst
Gedankenschatz und die Plastik der Sprache, die
aber, der Witwe nach dem gefeierten Schau¬
bis in die feinsten Verästelungen des mensch¬
spieler Heinold, erwacht nach langem trügeri¬
lichen Wesens scharf gezeichnete Frauengestalt
schen Schlummer das Blut zu neuer jungfrischer
spenden der Novelle zweifelbezwingende, dich¬
M.
Wallung, so daß der siebzehnjährige Freund
terisch lauterste Schönheit.
ihres Sohnes kein allzu schweres Kampfspiel
hat. Und schließlich zeigt ihr das neue Leben
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
das Bild ihrer Künstlerehe in nachträglicher
Veitung Berlin
grausamer Verzerrung, indem sie sich bewußt
Ausschnit Waussche
wird, daß sie in dem Gatten nie den Menschen,
sondern die heldische Maske geliebt hat, daß sie
23. MAl 1913
vom:
Entweihte mutterschaft.
Fräll Beate und ihr Sohn¬
Artbur S#¬
Verlag S. Fischer, Berlin.
Beate ist die jugendliche Witwe eines Schauspielers, eines ge¬
der
feierten Hamlet=, Cyrano= und Richard=Darstellers, der
nt¬
Blüte seiner Männlichkeit durch einen Herzschlag ic
im¬
grissen worden ist. Sie hatte sich ihn einst durch fi
nen
pulsive Weiblichkeit gegen den Widerstand der bür
er¬
Eltern und im offenen Kampfe mit einer alternden R
obert, ging als Gattin völlig in der Leidenschaft für ihn auf und
wähnt sich jetzt durch das Nachgefühl eines heißen und innigen
Glücks gegen jede Art von Huldigung und Bewerbung gefeit. Sie
glaubt ganz Mutter zu sein und kein anderes starkes Interesse zu
kennen, als die Sorge um ihren Hans, um ihren siebzehn¬
jährigen Sohn, den sie in den Jahren der stürmischen Pubertät
vor der Berührung mit Schmutz und Gemeinheit bewahren möchte.
In der Nähe ihrer Villa im Salzkammergut, wo der Knabe in den
Ferien mit ihr weilt, hält sich eine Frau von anrüchiger Ver¬
gangenheit und Gegenwart auf, die schön geschminkte Fortunata,
die jeder wilden Neigung frönende Gattin eines geduldigen Ge¬
mahls, die nach Beatens Vorstellung eine Gefahr für den reifenden
Knaben bedeutet. Mit verdächtigem Uebereifer, der auf eine leicht
entzündbare Phantasie hindeutet, weiblich verwegen wie einst im
Ringen um den Gatten, tritt die reine Beate geradehin an die
kleine Messalina der Sommerfrische heran, um von ihr die Ver¬
schonung ihres Kindes zu verlangen. Sie muß sich die überlegene
Ironie der Lebefrau gefallen lassen, wird aber schließlich durch
ein Versprechen beruhigt, durch einen jener Schwüre, deren Cupido
lächelt.
Sie bliebe nicht sorglos, wenn sie nicht, unbewußt, selbst in den
Kreis der Gefahr gezogen wäre, vor der sie mit Ueberhast ihren
Eh.
Sohn zu retten vermeint. Iyre soraende Mutterschaft war längst,
ehe sie es ahnte, in das Fieber der Eisersucht geraten, und ihre in
den Vorstellungen der Furcht mitschwingenden Sinne werden z
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eigentlich stets nur von den Armen Hamlets,
Cyranos, König Richards sich umfangen ließ.
Theater und Kunst.
Kleinlicher, aber allzu glaubhafter Tratsch über
das Vovleben des vielbegehrten Mannes tut das
Frau Beate und ihr Sohn.
übrige, um die Reinheit aller Erinnerungen
(Novelle von Arthur Schnitzler. Berlin, Verlag
ganz zu trüben. Schon hat ihr Mutterherz
S. Fischer).
längst den Weg zur Vernunft, ihr Weibblut den
Einen seltsam=schauerlichen Pfad schreitet
Weg zu neuem, weiterem Erleben gefunden, da
diesmal die Kunst Arthur Schnitzlers. Der
rüttelt die jungenhafte Prahlerei des siebzehn¬
Dichter, der so manches kühnen Problems schon
jährigen Geliebten, der das Geheimnis seiner
siegend Herr geworden ist, rollt hier, ein unver¬
Nächte erzählend preisgibt, den Stolz Beatens
drossener Erforscher und Enthüller der Seele,
auf, zerreißt ihre Zukunftsträume, zertrüm¬
das Schicksal zweier Menschen auf, die das Leben
mert ihn Dasein. Auch wenn ihr Sohn nicht
in eine dunkle, heiße Tragik stieß, aus der nur
durch Zufall erfahren hätte, daß seine Mutter
der Tod ins Freie führt. Unbeirrt geht Schnitzler
die Geliebte des Kameraden war. Nur ein
seine Wege, und so kommt es, daß jedes neue
Rufzeichen zu dem Todesentschluß der Frau ist
Werk sich so fein in die Linie seines Schaffens
das Wissen des Sohnes, mit dem sie nachts auf
einpaßt, indem immer einer neuen von den
den einsamen See fährt, um Abschied zu
tausend Fragen, die die lockenden Rufe des
nehmen. Dort, in einer unheimlichen Szene
Lebens stellen, klärende Lösung wird. Freilich,
voll raunender Rätsel, gaukelt der Wund¬
dort wo sich die Grenzen unseres Innenlebens
gepeitschten das Leben ein letztes Jorbild vor,
verlieren, lauern für den Dichter auch die Ge¬
fahren, beim Hineinleuchten in die Abgründe sie küßt ihren Sohn und ihr „war es, als küßte
der Seele fehlzusehen und sein wohl scherf sie in dieser Stunde einen, den sie nie gekannt
hatte und der ihr Gatte gewesen war, zum
erschautes Problem motivisch zu überspitzen. Und
erstenmal“. Dann zieht sie den Geliebten, den
so geschah es, daß Schnitzler, dieser Gefahr
Sohn, als Todgeweihten mit sich ins nasse
bewußt, in der Geschichte der Frau Beate ein
Grab.
Lebensrätsel durch Rätsel des Lebens löste.
Es bedurfte der ganzen Darstellungskunst
Drei große Erlebnisse erschüttern fast gleich¬
eines Schnitzler, um an den mannigfachen
zeitig das Leben Frau Beatens: Sie, die nur
Klippen dieses Stoffes glücklich vorbeizu¬
ihrem heranreifenden Knaben lebte, muß sehen,
kommen. Man mag über das Muß des tragi¬
wie ihr ein Weib das Kind vom Herzen reißt,
schen Schlusses, über die Notwendigkeit des
muß die Ohnmacht erleben, ihren Buben aus
Inzestmotivs wie immer denken: die grandiose
den Armen einer reifen, in Liebe routinierten
Komposition dieses kleinen Werkes, der reiche
Schauspielerin befreien zu können. In ihr selbst
Gedankenschatz und die Plastik der Sprache, die
aber, der Witwe nach dem gefeierten Schau¬
bis in die feinsten Verästelungen des mensch¬
spieler Heinold, erwacht nach langem trügeri¬
lichen Wesens scharf gezeichnete Frauengestalt
schen Schlummer das Blut zu neuer jungfrischer
spenden der Novelle zweifelbezwingende, dich¬
M.
Wallung, so daß der siebzehnjährige Freund
terisch lauterste Schönheit.
ihres Sohnes kein allzu schweres Kampfspiel
hat. Und schließlich zeigt ihr das neue Leben
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
das Bild ihrer Künstlerehe in nachträglicher
Veitung Berlin
grausamer Verzerrung, indem sie sich bewußt
Ausschnit Waussche
wird, daß sie in dem Gatten nie den Menschen,
sondern die heldische Maske geliebt hat, daß sie
23. MAl 1913
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Entweihte mutterschaft.
Fräll Beate und ihr Sohn¬
Artbur S#¬
Verlag S. Fischer, Berlin.
Beate ist die jugendliche Witwe eines Schauspielers, eines ge¬
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feierten Hamlet=, Cyrano= und Richard=Darstellers, der
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Blüte seiner Männlichkeit durch einen Herzschlag ic
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grissen worden ist. Sie hatte sich ihn einst durch fi
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pulsive Weiblichkeit gegen den Widerstand der bür
er¬
Eltern und im offenen Kampfe mit einer alternden R
obert, ging als Gattin völlig in der Leidenschaft für ihn auf und
wähnt sich jetzt durch das Nachgefühl eines heißen und innigen
Glücks gegen jede Art von Huldigung und Bewerbung gefeit. Sie
glaubt ganz Mutter zu sein und kein anderes starkes Interesse zu
kennen, als die Sorge um ihren Hans, um ihren siebzehn¬
jährigen Sohn, den sie in den Jahren der stürmischen Pubertät
vor der Berührung mit Schmutz und Gemeinheit bewahren möchte.
In der Nähe ihrer Villa im Salzkammergut, wo der Knabe in den
Ferien mit ihr weilt, hält sich eine Frau von anrüchiger Ver¬
gangenheit und Gegenwart auf, die schön geschminkte Fortunata,
die jeder wilden Neigung frönende Gattin eines geduldigen Ge¬
mahls, die nach Beatens Vorstellung eine Gefahr für den reifenden
Knaben bedeutet. Mit verdächtigem Uebereifer, der auf eine leicht
entzündbare Phantasie hindeutet, weiblich verwegen wie einst im
Ringen um den Gatten, tritt die reine Beate geradehin an die
kleine Messalina der Sommerfrische heran, um von ihr die Ver¬
schonung ihres Kindes zu verlangen. Sie muß sich die überlegene
Ironie der Lebefrau gefallen lassen, wird aber schließlich durch
ein Versprechen beruhigt, durch einen jener Schwüre, deren Cupido
lächelt.
Sie bliebe nicht sorglos, wenn sie nicht, unbewußt, selbst in den
Kreis der Gefahr gezogen wäre, vor der sie mit Ueberhast ihren
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Sohn zu retten vermeint. Iyre soraende Mutterschaft war längst,
ehe sie es ahnte, in das Fieber der Eisersucht geraten, und ihre in
den Vorstellungen der Furcht mitschwingenden Sinne werden z