27. Das Tagebuch der Redevonda
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e ere e e e e e e e e e de e Perhe. de A
Frage als ein Letztes im Menschlichen zeigt. Sondern man
wird angesteckt von einer Lässigkeit der Auffassung, die wie¬
derum Milde und Verstehen bedeutet, als würde man selber
hintergangen und müßte die Ehe brechen mit dem sittlich
Ubernommenen. Wenn bei Schnitzler die Ehemänner sich mit
den Freunden ihrer Frau duellieren, dann findet man es eigent¬
lich in Ordnung und irgendwie als Regulativ des Schicksals,
und man stellt keineswegs die Frage der Pflicht, Notwendigkeit
und Wahrheit, wie sie an Innstetten, den Mann von Effi Briest,
gerichtet wird, als er den armen Crampas über den Haufen
schießt.
Die große Vorurteilslosigkeit leuchtet den Gestalten Schnitz¬
lers aus den Augen. Sie geht hier bis zur Dummheit, wie bei
Paul Kreindl im (Weiten Land), dort bis zur Ironie und zum
gottlosen Sarkasmus, wie bei dem verwüsteten Casanova. Sie
muß irgendwie in der Luft liegen, in der Luft der Wiener Stadt,
die den Körper schlaff und die Seele haltlos macht. Sie schafft
die Lust, nach allem zu greifen, wie Kinder nach Seifenblasen;
die Kinder jauchzen, wenn die farbigen Gebilde in der Luft
tanzen, und sie weinen, wenn die Kugeln in nichts zerstäuben.
Schnitzlers Geschöpfe sind darin noch tapferer. Sie resignieren
auf eine lautlose Art, als hätten sie weder der Welt noch ihren
Menschen etwas vorzuwerfen, denn auch in der Verteilung von
Klage und Schuld sind sie vorurteilslos, mehr Betrachter al
Kläger und Richter. Warum sind sie so? Warum können sie
lächeln, wenn ihr Glück auf dem Spiel steht, warum plaudern,
wenn sie weinen, bezaubern, wenn sie vernichten möchten?
Darauf gibt es nur eine Antwort; sie scheint einfach und mag
von einem Achselzucken begleitet sein: es ist kein Wille zum
Kampfe da. Man lasse sich dadurch nicht täuschen, daß von
der Ehre und ihrer Verteidigung, von kavaliersmäßigem For¬
dern und der Notwendigkeit des ehrenhaften Selbstmordes, wie
im Falle des guten Leutnant Gustl, so viel die Rede ist. Das
sind keine Kämpfe, sondern da stellen sich die Ritter hin vor
den Pistolenlauf des Feindes, der nicht einmal ein Feind zu
sein braucht, sondern den man ehrlich betrauert, wenn er fällt,
oder an dessen Schönheit im Tode man sich gar ergötzen kann,
wie der ruchlose Casanova. Man darf sogar überzeugt sein, daß
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Frage als ein Letztes im Menschlichen zeigt. Sondern man
wird angesteckt von einer Lässigkeit der Auffassung, die wie¬
derum Milde und Verstehen bedeutet, als würde man selber
hintergangen und müßte die Ehe brechen mit dem sittlich
Ubernommenen. Wenn bei Schnitzler die Ehemänner sich mit
den Freunden ihrer Frau duellieren, dann findet man es eigent¬
lich in Ordnung und irgendwie als Regulativ des Schicksals,
und man stellt keineswegs die Frage der Pflicht, Notwendigkeit
und Wahrheit, wie sie an Innstetten, den Mann von Effi Briest,
gerichtet wird, als er den armen Crampas über den Haufen
schießt.
Die große Vorurteilslosigkeit leuchtet den Gestalten Schnitz¬
lers aus den Augen. Sie geht hier bis zur Dummheit, wie bei
Paul Kreindl im (Weiten Land), dort bis zur Ironie und zum
gottlosen Sarkasmus, wie bei dem verwüsteten Casanova. Sie
muß irgendwie in der Luft liegen, in der Luft der Wiener Stadt,
die den Körper schlaff und die Seele haltlos macht. Sie schafft
die Lust, nach allem zu greifen, wie Kinder nach Seifenblasen;
die Kinder jauchzen, wenn die farbigen Gebilde in der Luft
tanzen, und sie weinen, wenn die Kugeln in nichts zerstäuben.
Schnitzlers Geschöpfe sind darin noch tapferer. Sie resignieren
auf eine lautlose Art, als hätten sie weder der Welt noch ihren
Menschen etwas vorzuwerfen, denn auch in der Verteilung von
Klage und Schuld sind sie vorurteilslos, mehr Betrachter al
Kläger und Richter. Warum sind sie so? Warum können sie
lächeln, wenn ihr Glück auf dem Spiel steht, warum plaudern,
wenn sie weinen, bezaubern, wenn sie vernichten möchten?
Darauf gibt es nur eine Antwort; sie scheint einfach und mag
von einem Achselzucken begleitet sein: es ist kein Wille zum
Kampfe da. Man lasse sich dadurch nicht täuschen, daß von
der Ehre und ihrer Verteidigung, von kavaliersmäßigem For¬
dern und der Notwendigkeit des ehrenhaften Selbstmordes, wie
im Falle des guten Leutnant Gustl, so viel die Rede ist. Das
sind keine Kämpfe, sondern da stellen sich die Ritter hin vor
den Pistolenlauf des Feindes, der nicht einmal ein Feind zu
sein braucht, sondern den man ehrlich betrauert, wenn er fällt,
oder an dessen Schönheit im Tode man sich gar ergötzen kann,
wie der ruchlose Casanova. Man darf sogar überzeugt sein, daß
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