I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 33

23. Der Neg ins Freie
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DENOA AALSI
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fland durchaus kein sprachloses Entsetzen errege, und als verhält sich die Gesamtziffer der Bevölkerung zu dem männ¬

Mnen
Ein neuer Roman von Arthur Schnitzler.“ stzählungskunst erwiesen hatte, und zwar in einer intensiv nehm und kultiviert. Von
und dilettierender Kompor
österreichischen, aber gar nicht mehr jungwienerischen
Von Ludwig Hirschseld (Wien).
und Ziele noch gar nicht
Weise, wußte man, was von ihm jetzt zu erwarten sei:
(Es ist eine rechte Freude und der feinste literarische
des Romans bildet es nun
Der große Wiener Roman, diese ungestillte literarische
Genuß, die Entwicklung eines Dichters selbst mit anzu¬
und Genießenden ein ern
Sehnsucht der letzten Jahrzehnte. An interessanten Ver¬
sehen und mitzuerleben. Als Zeitgenosse dem gleichsam
Künstler wird und zwar
chen hat es ja nicht gefehlt, man braucht nur an den
Heizuwohnen, was man in zehn oder zwanzig Jahren
der Liebe zu einem
iin Literaturgeschichten und im Konversationslexikon sehreichbegabten J. J. David zu denken, aber in seinen
Klavierlehrerin Anna Ro
müchtern und übersichtlich beschrieben lesen kann: Dasssiomanen fand sich doch immer nur ein mit den ent¬
Werden dieses Dichters aus spielerischen Anfängen vonstäuschten und verbitterten Augen des Provinzlers ge=diesen zwei feinen Men
chenes Wien, während die epische Schilderung dieser einer wunderbar schlichten
denen unmutig tendenziöse Uebergänge für eine Weil##
ein lindes und süße
Stadt gerade das Gegenteil erfordert: einen zwanglosen
ins Artistische und schließlich sogar ins Verschwommene Freien Menschen, der hier aufgewachsen ist, alles kennt,
durch den sonst so überau
sund Unverständliche führen. Unt wie dann dieser Dichte##lles versteht und der selbst im Zorn und im Ekel noch
wenn die beiden sich
von seinem gesunden Sinn geleitet aus dem literarischen
schließlich tot zur We
zu lächeln vermag. Das alles hat man Schnitzler mit
Dickicht, in dem man das Leben vor lauter Worten und
zärtlichen und bürger
Recht zugetraut, dem reifen Mann, der die Vierzig,
Gleichnissen und die Menschen vor lauter Aestheten nicht
winnt diese Liebesgeschick
diese Schwelle zum Roman, überschritten hat, und als
sieht, plötzlich wieder herausfindet, wie er sich mutig
Größe. Jetzt fühlt sic
die Kunde von seinem Buch mit dem wunderbaren Titel
hineinstürzt in die Wirklichkeit, unbekümmert um die
einem ernsten Beruf
vernehmlich wurde da bildete sich zum Empfang des
verwirrende Zahl von lauten und stummen Fragezeichen
Detmold und vielleich
Werkes ganz von selbst eine Triumphpforte von Neu¬
und Problemen, die hier seiner warten.
Künstler — die ersten
gierde, von Vermutung und Erwartung.
Das ist, in allgemeine Worte gefaßt, die Entwicklung
und des Schmerzes, h
Das soll nur gleich gesagt werden: Eine leichte, aber
Arthur Schnitzlers. In einer Spanne von kaum zwei
Das ist di
micht zu verbergende Enttäuschung hat sich beim ersten
Jahrzehnten umfaßt sie eine Fülle von Stufen, von
meisten ander
Anblick eingestellt. Der Dichter selbst trägt vielleicht
Formen und Nüancen, zu deren Ueberwindung andere
oder wenig
weniger Schuld daran als das Publikum, die Erwar¬
ein ganzes Leben verschrieben haben, und das hat bei
heutige Wi
manchen oft nicht ausgereicht. Um sich diesen merkeungen waren zu groß, zu unbescheiden. Aber es will
in die Tr
würdigen Werdegang zu veranschaulichen, braucht man manchem scheinen, daß „Der Weg ins Freie“ nicht der
manches
ja nur irgend zwei Werke Schnitzlers gegenüber zu große Wiener Roman ist, den wir alle meinten. Gewiß,
er spielt im heutigen Wien, im heutigen Oesterreich und
pie
halten: Das bis zum Dilettantischen ehrliche und un¬
bringt eine Ueberfülle von frappierenden Beobachtungen
beholfene Erstlingsschauspiel, das Märchen und die raffi¬
und Zügen aus unserem gesellschaftlichen und öffent
nierte Seelenkomödie „Zwischenspiel“. Oder die gezierte
lichen Leben. Es ist darin sogar eine Reihe von politi
und kokette Anatoltändelei und den herben tiefernsten
schen und literarischen Episoden, Typen und geflügelte
Einsamen Weg“. Wenn man zwei solche Werke Schnitz¬
lers miteinander gleichsam konfrontierte, sie würden sich Worten verwertet, die jedem einigermaßen Eingeweihten
und zum Teil jedem Zeitungsleser bekannt sind. Und
nicht erkennen, eins von dem anderen nichts wissen, nicht
dennoch, es ist nicht das, was wir meinten und hofften
einmal daß sie Kinder desselben Vaters sind. Diese ver¬
eine künstlerische Konzentration des nach Einheit
blüffende Vielgestaltigkeit und Verwandlungsfähigkeit
strebenden Durcheinanders, das man Oesterreich nennt
mag ja denen um Huston Steward Chamberlain, die
Kein ruhiges übersichtliches Bild des zwischen gestern
am Menschen bloß die Schädelform und nicht seinen
und morgen pendelnden Wien — im Gegenteil, der
wahren Wert sehen, willkommener Anlaß zu allerlei
Fremde, der diesen Wiener Roman liest wirh uns am
spitzfindigen Schlüssen sein. Wer jedoch einen Dichter
Ende für noch wirrer und unruhiger halten, als wir
nicht mit dem Zirkel, sondern mit feineren künstlerischen
wirklich sind ...
und menschlichen Maßstäben mißt, der wird sich gestehen
Es ist wohl ein charakteristischer Umstand, daß man
müssen, daß man es hier mit einer ganz außerordent¬
es
die eigentliche Fabel, den eigentlichen Helden dieses
lichen Begabung zu tun hat. mit einem redlichen ge¬
icht in
Romans gar nicht als das Wichtigste empfindet, daß
wissenhaften Künstler, der unermüdlich an sich arbeitet —
im V
einem das Drum und Dran die Einzelheiten aus den
vielleicht sogar mehr, als seiner Konstitution zuträg¬
politischen, literarischen und jüdischen Kreisen viel merk¬
lich ist.
Gaee
würdiger und wesentlicher erscheinen. Trotzdem ist
Seitdem Schnitzler sich in dem Novellenband „Däm¬
ander
und
re öffentl
dieser Held, Georg Freiherr von Wergenthin, eine sehr
merseelen“ als Meister einer edlen und geläuterten Er¬
rühmen, denn das fehlt:
feine und sympathische Figur. Ein spielerisch und träu¬
merisch veranlagter Stimmungsmensch, raffiniert, para=[Interesse für die praktischel
„Der Weg ins Freie.“ Roman von Arthur
dox und auch ziemlich egoistisch und vor allem sehr vor-leider hat sich Schnitzler
Schnitzler. Verlaa von S. Fischer, Berlin 1908.
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