23. Der Ne
ins Freie
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NEUE REVUE und MORGEN.
die Menschheit hin. So ist wenigstens seine deutlich verkündete Absicht.
Er will Typen schaffen, die nicht für Wien und nicht für Oesterreich,
nicht für diese oder eine vergangene Zeit allein gelten sollen, die, so
verspricht er, die wichtigsten Glieder im Aufbau des ganzen mensch¬
lichen Geschlechtes vielbedeutend und für alle Kulturen gültig hin¬
stellen werden. Er fängt mit diesem Roman erst nur an, und es bleibt
abzuwarten, ob der Kreis, der von hier ausgeht, in seiner Rundung
auch wirklich alles Wichtige in der menschlichen Natur, wie es der
Dichter gewollt hat, umschließen wird. In diesem Roman aber, das
kann mit Freude festgestellt werden, ist soviel Wiener Luft und Wiener
Takt, daß man ihn, wie er nun einmal ist, als ein typisches. klares
aufnehmen kann. Das Buch handelt von der Kunst, zu leben und sein
Leben zu fördern. In zwei mächtigen Linien, die einander suchen,
begegnen, durchkreuzen, entfliehen, ist dieser Sinn des Werkes mit
schöner Anschaulichkeit hingezeichnet. Hier das Ideal, da der
Schwärmer, hier Kraft des Lebens, die sich in ruhmreichem Können und
in unbewußt schönem Blühen ausgibt, da Kraft der Jugend, die schäumt
und anbetet und umklammert und sich ängstlich verhält, so wie das
Leben sie zur bitteren Erkenntnis zwingt. Zwischen beiden der Dilettant,
fein und schwach, geschäftig und untätig, gepflegt und gedrückt. Und
ihm zur Seite wieder der Künstler, von seiner Gier des Gestaltens im
Inneren angefressen, ewig unruhig, ewig ohne Befriedigung, blind für
alles, was nicht sein Werk ist, und doch wieder mit einer gewissen
Hellsichtigkeit begabt, die sich nur nicht in klugen und feinen Worten,
die sich in jähen Ausbrüchen eines cholerischen Temperaments entladet.
Das wären so ungefähr die Typen, die, wenn man die allgemeine Vor-,
rede des Dichters beim Wort nehmen will, in diesem Buche, die gani#e
große Menschheit vertretend, erscheinen. Vier Typen von Gewient
und von Geltung, man muß es gestehen; aber sie könnten kaum über¬
zeugen, könnten von ihrem Leben und vom Leben der ganzen Menschheit
kaum so kräftig und in so einfachen Wahrheiten reden, wären sie nicht
durch die glänzende Kunst des Stilisten und Epikers in einer Erzählung
von merkwürdigem innerem Schwung und von solidester Haltbarkeit
des Gefühls untereinander festgebunden. Auch in diesem Buche ist
Wien; und nicht das Wien des sinnlichen Daseins, nicht das Wien des
fröhlichen Spottes, nicht das Wien versonnener und bedrückter Schwer¬
mut, sondern ein selbstbewußtes, helläugiges, tätiges Wien, das auf
der Suche nach einem neuen Stil des Lebens eigene Formen findet und
zu eigenen Entschlüssen kommt. Dieses Werk ist, in dem festen Ton
und in der aufrechten Haltung des Dahinschreitens, ein Bild des Wien,
das die Besten der Stadt erhoffen und heranzubringen willens sind.
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die Menschheit hin. So ist wenigstens seine deutlich verkündete Absicht.
Er will Typen schaffen, die nicht für Wien und nicht für Oesterreich,
nicht für diese oder eine vergangene Zeit allein gelten sollen, die, so
verspricht er, die wichtigsten Glieder im Aufbau des ganzen mensch¬
lichen Geschlechtes vielbedeutend und für alle Kulturen gültig hin¬
stellen werden. Er fängt mit diesem Roman erst nur an, und es bleibt
abzuwarten, ob der Kreis, der von hier ausgeht, in seiner Rundung
auch wirklich alles Wichtige in der menschlichen Natur, wie es der
Dichter gewollt hat, umschließen wird. In diesem Roman aber, das
kann mit Freude festgestellt werden, ist soviel Wiener Luft und Wiener
Takt, daß man ihn, wie er nun einmal ist, als ein typisches. klares
aufnehmen kann. Das Buch handelt von der Kunst, zu leben und sein
Leben zu fördern. In zwei mächtigen Linien, die einander suchen,
begegnen, durchkreuzen, entfliehen, ist dieser Sinn des Werkes mit
schöner Anschaulichkeit hingezeichnet. Hier das Ideal, da der
Schwärmer, hier Kraft des Lebens, die sich in ruhmreichem Können und
in unbewußt schönem Blühen ausgibt, da Kraft der Jugend, die schäumt
und anbetet und umklammert und sich ängstlich verhält, so wie das
Leben sie zur bitteren Erkenntnis zwingt. Zwischen beiden der Dilettant,
fein und schwach, geschäftig und untätig, gepflegt und gedrückt. Und
ihm zur Seite wieder der Künstler, von seiner Gier des Gestaltens im
Inneren angefressen, ewig unruhig, ewig ohne Befriedigung, blind für
alles, was nicht sein Werk ist, und doch wieder mit einer gewissen
Hellsichtigkeit begabt, die sich nur nicht in klugen und feinen Worten,
die sich in jähen Ausbrüchen eines cholerischen Temperaments entladet.
Das wären so ungefähr die Typen, die, wenn man die allgemeine Vor-,
rede des Dichters beim Wort nehmen will, in diesem Buche, die gani#e
große Menschheit vertretend, erscheinen. Vier Typen von Gewient
und von Geltung, man muß es gestehen; aber sie könnten kaum über¬
zeugen, könnten von ihrem Leben und vom Leben der ganzen Menschheit
kaum so kräftig und in so einfachen Wahrheiten reden, wären sie nicht
durch die glänzende Kunst des Stilisten und Epikers in einer Erzählung
von merkwürdigem innerem Schwung und von solidester Haltbarkeit
des Gefühls untereinander festgebunden. Auch in diesem Buche ist
Wien; und nicht das Wien des sinnlichen Daseins, nicht das Wien des
fröhlichen Spottes, nicht das Wien versonnener und bedrückter Schwer¬
mut, sondern ein selbstbewußtes, helläugiges, tätiges Wien, das auf
der Suche nach einem neuen Stil des Lebens eigene Formen findet und
zu eigenen Entschlüssen kommt. Dieses Werk ist, in dem festen Ton
und in der aufrechten Haltung des Dahinschreitens, ein Bild des Wien,
das die Besten der Stadt erhoffen und heranzubringen willens sind.