I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 100

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10. Leutnant Gustl


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Stimmen der Gegenwart.
Nr. 8
einen Typus: jenen Menschen, der
nicht erzählt sein; seine Lektüre ist
sich das Horaz’sche carpe diem zur
zu empfehlen,
ebensregel gemacht hat. Unter
Elberfeld.
Josef Buchhorn.
dieser Flagge lenkt Dr. Stretti sein
Lebensschiff. Dass er dabei scheitert,
„Ja Wir!“ Acht Nichtigkeiten für die
labei Schiffbruch leiden muss, ist
lieben Mitjungens und Mit¬
klar. Ein geistig so hochstehender
mädels von Friedrich Eisen
Mensch, wie dieser Doctor es ist,
schitz. Verlag „Jung-Deutsch¬
kann so nicht glücklich, nicht selbst¬
land“ (S. Dyck) Eberswalde¬
zufrieden werden. Mit dem blossen
Berlin und Leipzig 1901
von Begierde zu Genuss eilen“ ist
es nicht gethan.
Uebermütig, beinahe frech sinc
Das Buch ist glänzend geschrieben,
liese lustigen Geschichten der dre
der Stil ein fliessender, hie und da
reunde Fritz, Franz und Max, von
st die Erzählung von einem geist¬
köstlichem Humor ihre galanten Aben¬
reichen Excurs unterbrochen. Dass
euer und ihre rührenden Blamagen
man manches widerlegen, dass man
Eisenschitz ist entschieden ein hu¬
einwenden könnte, der Roman würde
moristisches Talent.
in unrichtigen Händen wohl Ver¬
Sein Stil ist noch nicht ganz flüssig
heerung anrichten können, das bringt
immerhin aber flott genug, um uns
uns nicht von der Ueberzeugung ab,
eine Stunde lang prächtig zu unter
es hier mit einem Eunstwerk zu thun
alten.
zu haben, das befähigt ist, uns von
Eines mag er in Zukunft unter¬
dem jungen Dichter noch Treffliches
assen: Die ewige Apostrophe an den
erwarten zu lassen.
„lieben Leser“, So etwas schrieb
Wien.
man, als der Grossvater die Gross¬
Augo Glaser.
mutter nahm. Oder sind solche
Anachronismen jetzt modern
Um auf die „8 Nichtigkeiten“ etwas
Romane und Novellen.
näher einzugehen möchte ich der
Sybille, Roman von Anna von Krane.
Skizze: „Dasselbe“ den Vorzug geben
Berlin, Köln, Leipzig, Verlag
ja ihr sogar einigermassen litterari¬
von Albert Ahn.
schen Wert beimessen. In „Contra¬
Die beiden Leutchen, „die im
hage“ ist das Milieu der Wiener
Puppenspiel des Lebens so gewaltig
Mensurbute vortrefflich gezeichnet
ragiert haben“, die sich in der su
und „Aus is'“, ist mit Recht an den
gend von der nimmer trennenden
Schluss des Bändchens gestellt, um
iebe ergriffen wähnten, die das Le¬
den letzten Eindruck zu einem gün
ben ausemander riss, um sie im Alter
stigen zu machen
wieder zusammen zu schweissen
Eine litterarische That ist:
„a
die haben eine gar eigene Geschichte,
Wir!“ noch nicht, wer aber so flott
die man an stillen Dämmerstunden
das Leben auschauen, so launig fa¬
lesen sollte, wenn das Herdfeuer
bulieren und schreiben kann, der hat
knister, und der Herbststurm an den
die Zukunft für sich, von dem kann
Fensterläden rappelt ... Eine wun
man noch Vieles und Gutes erwarten.
Jervolle Frauengestalt — die Sybille;
Dass Sie uns nicht Lügen strafen,
eine Frauengestalt mit einer eigen
Herr Eisenschitz!
artig
konstruierten
Psychologie.
Wien
Mar Preis.
Manchmal schiesst’s einem in die
Augen, und man lässt nicht nach, bis
Lieutenant Gustl. Von Arthür
man das Buch erschöpft hat ...
der
Schnitzler, illustriert von
schlichte Vortrag erinnert bisweilen
M. Coschell. Berlin, S. Fischers
an Storm, bisweilen an Raabe. Der
Verlag 1901
Roman, zu dem man die in Düssel¬
Biese kleine N.welle Arthur Schnitz¬
dorf lebende Verfasserin beglück¬
iers ist ein grosses Kunstwerk. Es
wünschen darf, verträgt kaum eine
wird wohl nicht viele Bücher geben.
eingehende Analyse; er will gelesen,
lie in knappen 80 Seiten so vie
Nr. 8
Stimmer, der
sagen, die in so engem Raume nicht
nur ein ganzes Menschenleben, nein,
das Fühlen, Denken, die Ehrbegriffe
und Lebensgewohnheiten eines ganzen
Standes so prächtig und wahr zu
schildern vermögen. Man kennt ja
die meisterhafte Art wie Schnitzler
sich in jede seiner Gestalten vertieft,
vie er mitseltener Gewissenhaftigkeit
all den Problemen auf den tiefsten
Grund geht, die er aufrollt. Er ist
ein grosser Psychologe, ein Mensch,
der, trotzdem er immer nur die Wahr
heit, das wirkliche echte Leben schil¬
dert, ein Dichter in des Wortes rein¬
ster Bedeutung geblieben ist. Aber
er ist nicht nur ein Dichter, er ist
auch ein Stilkünstler allerersten Ran¬
ges. Er ist vielleicht der einzige
deutsche Novellist, den man den be¬
deutenden Franzosen gleichstellen
kann. All’ seine bisherigen Arbeiten
sind daher nicht blos prachtvolle,
lebensgetreue Geschehnisse, sondern
auch Wunderwerke deutscher Stil¬
kunst. Wie Schnitzler das Wort
meistert, hat er wohl am schönsten
m Lieutenant Gustl gezeigt. Es ist
ein edler Genuss, dieses Büchelchen
zu lesen, das durch sein ernstes, tiefes
Problem einerseits zum Denken an¬
regt, andererseits jeden, der graziösen
und eleganten Stil liebt, in hohem
Grade fesseln wird. Schnitzler hat
in dieser seiner Novelle wohl sein
reifstes Werk geschaffen.
Graz.
Augo Ohler.
Lyrik.
Von der Lieb. Gedichte von Huge
Egon Strasburger. Mit Illu¬
strationen von Leo Schnug.
Verlag von
Strassburg I/E.
Josef Singer. Mk. 3.
Ein hervorragender Charakterzug
dieser Gedichte ist die Frische und
Lebendigkeit, die sie vor manche
Versbüchern unserer Jüngsten voraus
haben. Sie sind durchweg mit einer
Leichtigkeit hingeworfen, die, wie
vir nicht verschweigen können, wohl
Schuld daran ist, dass manche Ge¬
dichte von dieser Leichtigkeit des
Entstehens etwas zu viel merken
lassen; manche kleine Trivialitäten
Gegenwart.
in Reimen oder Bildern wären v
leicht bei immer wieder erneuter
wendung der kritischen Feile n
stehen geblieben. Aber diese Le
des Schaffens merken lässt, hat
diese frischen, ungekünstelten Ga
geschenkt, deren das Buch eine ga
Anzahl enthält. Die Einfachheit,
infolgedessen den Gedichten
e
st, lässt Strasburger in einigen Fä
mit Glück den Volkston treffen
zwar nicht nur das ernste schv
mütige, sondern auch das fröhli
Jenre desselben. Nur will uns
einigen Gedichten die Lustigkeit et
burschikos und ein klein wenig
dringlich erscheinen, weshalb
geneigt wären, den ernsten Gedich
den Vorzug zu geben. Als diejeni
Gedichte, die uns den ungetrübte:
künstlerischen Genuss
gewähl
möchten wir: Warnung“, „Die kl
Sünderin“. Wär es kein Reitersm
gewest“, „die Sünde“, „Aslang
ezeichnen. Die Illustrationen
Leo Schnug stehen durchweg auf
Höhe künstlerischer Vollendung
verleihen dem vornehmen Bi
einen eigenartigen Schmuck.
Mar Zey
Mein Land. Gedichte von Margare
Susmann.Berlinl 901, Schus
& Löffler.
Das ist ein starkes Buch aus e
übervollen und gesunden Seele
schrieben. Frauenhaft im Sinne
lecadent oder weiblich ist es ni
aber die Psyche einer echten
tiefen Frau spiegelt sich so klar da
wie — unter den modernen Lyr
rinnen — nur bei Margarethe Beu
UInd einmal leuchtet in einem prä
tigen Gedichte auch der inne
Wesenzug der Weiblichkeit
Drang nach Leben gepaart mit
Sehnsucht nach dem Magdtum
religiös -sklavischem Dienst.
hatte bisher noch keine Frau gefung
Und auch sonst überrascht die
Buch durch eine Fülle von origine
Bildern, sowie durch reiche Sprad
Ich möchte ihm von Herzen A
Ritters Erfolge wünschen, der M