II, Theaterstücke 30, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 58

ihrem lächelnden und verzeihenden Verzicht,
der zugleich ihre höchste Kraft ist. Eine hell¬
sichtige Dichtung, irdische, allzu irdische Kon¬
flikte beinahe wie eine Schachbrettaufgabe
betrachten“. Ein schmerzlich reifes und bitter
sanftes Werk. Es ist mit sichtlicher Verach¬
tung des Erfolges geschrieben, ist tief ver¬
sponnen in Melancholie und in Heiterkeit
des Abschieds. Es klingt und haftet — hof¬
fentlich lange vor der Zeit — wie das Ver¬
mächtnis eines Dichters der Liebe, ihrer
Komödien und ihrer selig süßen Verwir¬
rungen.
Nur er, nur Arthur Schnitzler, konnte
eine Gestalt ersinnen, wie dieses Mädchen
Leonilda, Rautendelein im Barockschloß,
Symbol unergründlicher Verführung und
hoheitsvoller Verzeihung. Ein elbisch Wesen,
das Dichtern ihre grausamsten Träume ent¬
lockt und Männern ihre brutalste Wahrheit.
Eine Liebende, die das Geheimnis gefunden
hat, sich zugleich hinzugeben und zu bewah¬
ren, frei und gebunden zu sein, Erfüllerin
und Zerstörerin von unirdisch verruchtem
Reiz.
Um ihretwillen geht ein Träumer, den
sie mitleidlos scharfsichtig erweckt, in den
Tod. Um ihretwillen handelt ein Jüngling,
und von ihr gespornt, wider alle Ehre und
Vernunft, aber der Wahrheit seines Blutes
folgend, der sie sich beugt. Um ihretwillen
lächelt ein weiser alter Mann im Abend¬
sonnenglanz.
Nur Arthur Schnitzler konnte dies
Spiel unerfüllter Leidenschaft spinnen. Nur
er ein Echo eigener Jugendsehnsucht in der
erhaben zerrissenen Seele jenes alternden
Poeten widerklingen lassen, den ein uner¬
bittliches Mädchenlächeln ins Schattenreich
treibt. Nur er im vollen Sonnenstrahl, von
Blütenzweigen umschimmert, dieses Schat¬
tenreiches nahen und friedevollen Zauber
ahnen lassen.
Nur er einen König entsagungsvoll
starken Lebens zeichnen, wie den Mann, der
einem Nausch der Macht entsagt hat, um
den der Einsamkeit und der Erkenntnis mit
tiefen Zügen zu schlürfen. Nur er diesem er¬
lauchten Eremiten Worte in den gelassenen
Mund legen, die von Schönheit und Weis¬
heit des Herzens funkeln.
An der Fülle solch monumentaler Er¬
scheinung gemessen, wirkt des Schauspiels
feierlich abgezirkelte Handlung fast allzu
berechnet. Wirkt beinahe nebensächlich. Von
bizarren Einfällen dazu phantastisch um¬
rankt. Varockkostüm und kühl gerundeter
Vers fegen einen Eishauch ins Parkett.
Wohlbedacht legt der Dichter Distanz zu
diesen heroisch unzeitgemäßen Gestalten.
Gleichwohl sind es Gestalten von Ueber¬
lebensgröße. Grandiose Puppen, kalt ge¬
meißelt und doch durchglüht von wild
flackernden Flammen der Erinnerung, der
Sehnsucht, der Selbstvernichtung.
Diese Handlung nachzuerzählen, hätte
auch gar keinen Sinn. Sie ist magisches
Spiel auf dem Seelengrunde. Duell zwischen
einer Jugend, die nichts als verzehrender
Traum, und einem Alter, das ganz und
gar weltabgswandte Scheu und Scham ver
dieser Jugend ist. Wie man dem Phaniom
Zeit erliegt, zeigt Schnitzler an der Tragö¬
die eines Genies der Kraftlosigkeit, eines
Schwärmers ohne Ziel und Halt. Wie man
es überwindet, in jenem Edelpensionisten,
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mit kleiner Gebärde zu tun, zu erobern, wo
Worte überlegener Entsagung mit höchstem
man zu verzichten scheint. In diesem Sinn
und sanftestem Burgtheaterschwung und
besiegt Alter hier die Jugend, indem es sie
Frau Johannsen Barocknixe Leonilda scheint
bestätigt.
mitunter von in der Tat okkulten Schleiern
umweht. Oft lispelt sie wie verloren in den
großen kalten Naum. Oft schlägt es wie leid¬
voll grimmer Hohn aus ihrer blumig zarten
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Rede. Ein seltsamer Fall, wie gut ihr das
somnambul Verführerische liegt.
Gleichwohl weht es kühl und schatten¬
Herrn Balser möchte man übrigens so
haft um diese Gestalten, die doch ganz Glut
rasch nicht abtun. Er schwingt und klingt von
und Glanz sind. Ein Strom herb melodischer
gespannter Glut des Wortes. Er ist eine
Verse hüllt sie in ein unnahbar starres
Hoffnung, aber diesmal eine falsch be¬
Prunkgewand, Vergangenheit umdämmert
schäftigte...
Eine Hoffnung ist auch die
sie. Ihre dramatische Verkettung scheint,
Tatsache dieser Aufführung, für die man
allerdings erhabene und hochmütig unbe¬
Dank und Achtung abstattet.
denkliche, Konstruktion. So führen sie,
sturmgerüttelt, dennoch auf der Bühne ein
einsam frierendes Dasein.
Für Schnitzler kein Geschäft mit Amerika.
Aber ein Gruß seiner tief in sich selbst
Ein umso einsameres, als die in jeder
blickenden Vereinsamung. Ein Gruß an die
Silbe höchst ehrerbietige Aufführung des
Jugend, die er umso heißer und gütiger
Burgtheaters (Regie Albert Heine) gleih¬
liebt, je weiter sie ihm, schamlos süß, ent¬
wohl im Ton viel zu ungleich ist, Pathos
schwindet. Ein Gruß an das Alter, dessen
neben Sachlichkeit setzt und sich auch in der
goldene Frucht reineren und sicheren Wissens
Besetzung vielfach großzügig geirrt zu haben
er demutsvoll empfängt.
scheint.
Das Theaterstück einer großen Seele.
So hat Herr Balser für den verschlossen
Ein Alterswerk? Aber das Werk was für
und fast verschmitzt altersweisen Kanzler
eines Alters! Ein Buchdrama? Aber es ist
einen entschieden zu jugendlichen und zu
das Buch des Lebens, das es aufschlägt.
straffen Ton, so scharf und klug er auch
spricht und so sehr er von hoher und edler
Kurz, Kaviar für Premierentiger!
Intelligenz der Auffassung zeugt. So ist!
Ludwig Ullmann
Herr Onno als traum= und todgeweihter
Ekstatiker eine prachtvoll fiebernde, aber un¬
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ausgesetzt fiebernde Vision. Spielt Herr
Hennings einen Zwanzigjährigen mit ! Mm SRO TE BCTEE P
Was Taßmann in Humburg zu
hören bekam
Oder: Was das „Neue Wiener Journal“ vergessen hat
Im Lippowitz=Blatt erscheint ungefähr
spondent der „Frankfurter Zeitung“ machte den
zweimal in der Woche, mit sogenannten Kata¬
schönen Traum der Lippowitz=Blätter zunichte
strophentitel überschrieben, eine Zusam¬
und ließ in einem Wiener Blatt nachdrucken,
menstellung lobender Pressestim¬
was er über das Haus Rothschild
men über Hans Saßmanns „Haus
wirklich geschrieben hatte, und man
Rothschild“. Gewöhnlich heißt es da, „der
muß sagen: das war allerhand.
große Sensationserfolg“ oder so
Ein ähnliches Pech hat das Lippowitz¬
ähnlich — billiger geht es kaum ab. Schon ein¬
Blatt mit seinem Leibdramatiker jetzt anläßlich
mal ist dem Lippowitz=Blatt dabei ein klei¬
der
nes Malheur passiert, als es nämlich
Hamburger Aufführung der Rothschild¬
kurz nach der Saßmann=Uraufführung im
Komödie.
Burgtheater wohlwollende Worte der „Frank¬
Auch in Hamburg war, wenn man der
furter Zeitung“ zitierte, ohne jedoch hin¬
Theaterrubrik des „Neuen Wiener Journals“
zuzusügen, daß es sich da um einen Bericht
glaubt, Presse und Publikum restlos entzückt
nicht aus Wien, sondern aus Bremen handelt.
und maßlos begeistert. Herr Lippowitz und die
(Dort gab es nämlich zwei Tage später auch
von ihm kommandierten Saßmann=Verehrer
ein Taßmann=Ereignis.) Der Wiener Korre¬
vergessen nur, daß man auch in anderen
Skizzen aus der Schnitzler=Premiere

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