II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 145

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28. Die Schvestern oder Casanova in spa
Meinungsgegensätze und Reibungsflächen aus der Welt. Echo; er schwingt in der Bevölkerung nach. Auch eine
holung der Begebenheit in Novellen= und Problemform und
die Lösung fliegt ins Leere. Das Spiel ist aus, aber niemand
Musik.
Theater und
merkt's, nicht einmal der Dichter. Bis er seinem Spiel
dann nachseufzt.
Wilke hat ein entzückendes Rokokozimmer dazu ge¬
Burgtheater.
schaffen. Heine sehr fein, wenn auch nach meinem Gesuhl
(Arthur Schnitzler: Die Schwestern oder Casanova
noch immer nicht entschlossen genug stilisiert. Ganz Stil,
in Spa. Ein Lustspiel in Versen. rei Alte in einem.)
Laune, Grazie und witzige Überlegenheit war Frau Retty
In diesen Titelworten schon klirrt und flimmert es.
nur läßt sie im ersten Akt zu wenig von der Nacht der
Und schielt ein wenig. Gemeint ist nämlich nicht das Erlebnis
Enttäuschung merken, aus der sie kommt. Rührend war
zweier Schwestern oder die Abenteuer Casanovas in Spa,
mir Frau Aknay, die dem Publikum zum Teil gefiel. Sie
sondern gedacht ist: Vor dem Prinzip des Männlichen oder
ist der Rolle durchans nicht gewachsen, hat eine Höllenangst
in ihrer letzten Bereitschaft für die Empsängnis des andern
vor ihr, ist mit eisener Hand für sie gedrillt worden und !
Geschlechtes sind alle Frauen in tiefster Seele Schwestern.
zittert vor Furcht, auch nur einen Finger anders zu halten,
Schwestern, eines Blutes also; im Tiefsten engstverwandt
als ihr vorgeschrieben wurde. Gutmütg wie ich nun einmal bin,
habe ich Blut für sie geschwitzt. Gott sei Dank, es ging alles wie
Jungfrau und Dirne, scheues Sorgenkind und freche Aben¬
teuerin vor ihrem eigenen Traum vom Mann, vor dem Don
am Schnürchen. Dafür wurde mir Herr Schott, von dem
ich viel halte, eine arge Enttäuschung. Er war trocken, ungelenk,
Juan=Typus. Nun ist Schnitzler aber seit einiger Zeit im
unfroh des Spiels und flackernd im Tempo. Seine Sprach¬
Banne der Casanova=Legenden. Im „Weiten Land“ fordert
der Alternde die Jugend noch vor die Pistole. Seitdem aber
technik verschlechtert sich, die Verse jagen und verwirren ihn.
hat der Dichter sich gewandelt, sein Trotz ist geschwunden,
Sehr gut war diesmal Herr Danegger als Glücksritter
ohne Anmut, sehr nett in ihrem Röllchen Fräulein Marberg
er senkt den Degen grüßend vor der Jugend, saßt sie zärtlich
unterm Arm und will ihren Genuß genießen. Er renommiert
als Tänzerin, die sich ihren Casanova wieder holt. Für diesen
für sie, sicht für sie mit den Gespenstern, die sie so oft im
selbst hatte sich Treßler eine famose Maske zurecht¬
Liebesspiel erschrecken. Solch ein Gespenst ist die Treueforderung,
gemacht und war tadellos: elegant, von geschnörkelter Wurm¬
diese Popanz, geflickt aus Besitzeswahn und Eitelkeit und
stichigkeit, ein drolliges Gemisch aus Riccaut und Cyrano.
Aber das Genialische fehlte, das Höllische, das Parsum der
Selbstsucht. Seit jeher liegt Schnitzler mit ihr im Kampf
Verruchtheit, der Zauber der Persönlichkeit, der Traum
und nie kommt er von ihr los. Immer will er, um ihr zu
Schnitzlers von Casanova, dem Großen, der das Leben aus
entgehen, mit Don Jnan Bruderschaft trinken. Nun ist er
dabei an Casanova geraten und wirbt um dessen Freundschaft.
dem Stegreif lebt, Leben aus allen Quellen und Pfützen
Aber der Glücksritter, Falsch pieler und Gaukler, der Frauen
säuft, indem er es zu verachten scheint. Herr Treßler war
H. Leoster.
gewinnt, einsetzt, verliert wie geborgte Goldstücke am Pharao¬
bloß Casanova in Spa.
tisch, lockt unieren Dichter nur vom Weg ab, auf dem er sein!
Ziel sucht. Die beiden Titel dieses Versspiels schielen an¬
Musikalische Aktnalitäten.
einander vorbei. Die Weisheit von der tiefsten Verschwisterung
Ein frischer Zug weht durch die künstlerische Arbeit der
aller Frauenhingabe wird eine „Lüge mit wahren Worten“.
Volksoper. Weingartner hat sie aus dem stagnierenden Sumpf
wenn sie statt Don Juan Casanova seinem beschmutzten Aben¬
schläfriger Gewohnheitsmusiziererei wieder auf den festen
teuer in Spa nachhinken läßt. Oder bin ich nur nicht reif
W
Boden ernsten Studiums gehoben und nun geht es wacker
für die Einladung Casanovas in tiesster Seele sein Bruder
B
vorwärts. Eine wohlabgerundete Vorstellung von Lortzings
zu sein? Ich glaube, auch Andrea Bassi läßt sich am Ende
ei
patriarchalisch=behaglichem „Wildschütz" unter Dr. Kaisers
nur deshalb von ihm unter den Arm nehmen, damit das
klarer und anregender Leitung, ließ Liebe zum Detail und
Stück aus wird.
ein für die Volksoper hohes Niveau erkennen. Auch das
Ein Stück voll Leichtigkeit, Anmut und spielerischer
Regietalent des Herrn Lustig=Prean ist zu loben; mitP.
Kraft, federnd. Und doch zuweilen schleppend, müde und
wachsendem Erfolg ist er strebend bemüht, heikle Insze¬
stockend im Technischen. Eine wundervolle Lustspielszene ist
bi
nierungskünste geschmackvoll zu lösen. Stützpfeiler dieser Auf¬
darin; wie die gefällige Flaminia erfährt, daß Casanova,
führung, Herr Bandler, den sich die Staatsoper in süffi¬
den sie glühend erwartet, sich zur Nachbarin verirrt hatte.
santer Verblendung noch immer entgehen läßt. Auch die ap
Hier meistert ein Künstler von kühnster Zierlichkeit ein edles
Instrument. Aber bald darauf schleppt die dreimalige Wieder= interellante „Carmen“=Ankführung mit der Cabier unter