II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 31

WTCI, I., Cere
I5A0V1917
Slatt
Deut
Wien-

Thenter, unlt und Tilenlur.
Deuisches Voltstheater. Artur Zcnih####ist in
seiner jüngsten dramatischen Arbeit, der dreiaktigen Komödie
„Fink und Fliederbusch“, nicht wieder zu erkennen. Der
Dialog erinnert zwar mitunter an frühere Werke des Ver¬
fassers, auch dadurch, daß Schnitzler wieder sein Steikenpferd,
die Erörterung der Duellfrage, reitet, fühlt man sich an
seine literarische Vergangenheit gemahnt, aber im ##rigen
ist er sichtlich bemüht, dieselbe zu verleugnen. Diese Ver¬
gangenheit ist nun keineswegs eine solche, daß sie uns
besonders sympathisch gewesen wäre. Dennoch müssen wir
bekennen, daß der neue Schnitzler uns noch weit weniger
gefällt. Er hat nämlich etwas an sich, was ganz und gar
nicht recht unterhaltend wirkt, sondern Eindrücke hervorruft,
die von Langweile kaum noch zu unterscheiden sind. Viel¬
leicht hat es Schnitzler danach gelüstet, einmal auf den Sputen
Bernhard Shaws zu wandeln. Die Idee seiner neuesten
Komödie, der absolute Mangel einer eigentlichen Handlung,
der räkonierende Charakter alles dessen, was gesagt wird,
die ganze Technik des Stückes und vielleicht sogar der
Umstand, daß wiederholt von „Snobs“ und „Snobismus“
gesprochen wird, läßt die ausgesprochene Vermutung nicht
ungerechtfertigt erscheinen. Schnitzler zeigt übrigens in seiner,
Komödie „Fink und Fliederbusch“ auch unnderne An¬
wandlungen, er überrascht uns sogar durch einen Monolog,
der doch sonst von den Angehörigen seiner Richtung ganz
und gar verpönt ist. Und wenn man will, kann man sogar
Vergleiche mit Gustav Freytags „Journalisten“ austellen,
denn es gib nicht nur ein Redaktionsmilieu, in das wir
eingeführt werren, wir nehmen nicht nur an dem Kampfe
zweier in verschiedenen politischen Lagern stehenden Zeitungen
teil, sondern die Hauptfigur des Stückes ist eine Art von
vernewertem Schmock, gewissermaßen eine Salonausgabe
gewordenen,
berühmt
Freytag
durch
jenes
oder nach
Bedarf nach links
nach
je
Schnitzler
schreibenden Journalisten.
rechts
hatur gewissermaßen die eetzten Möglichkeiten ange eutet,
zu welchen es allenfalls führen könnte, wenn einer die
publizistische Vielseitigkeit etwas gar zu weit treibt. Der
junge Mann; der als „Fliederbusch“ in einem liberalen
Blatte einen konservativen Parlamentarier angreift, pole¬
misiert als „Fink“ dann in einer gegnerischen Zeitung
mit sich selbst. Es kommt aber noch viel grotesler. Die
Situation spitzt sich derart zu, daß „Fink“ sich genötigt
sieht, seinem Widersacher „Fliederbusch“ zum Zweikampfe
zu fordern. Das gibt natürlich Schnitzler weder die er¬
wünschte und wohl auch gesuchte Gelegenheit, über das
Duell an sich den Stab zu brechen und es lächerlich zu
machen. Er greift zu diesem Zwecke zu einem sehr brastischen
Mittel, indem er die von ihm geschaffene Verwicklung so
weit treibt, daß er uns auf den Platz führt, wo das
Tuell zur Aesstragung gelangen soll. Dort stellt
es sich natärlich heraus, daß „Fink“ und „Fliederbusch“
eine und dieselbe Peron sind. Nun kommt es doch noch
zu einer Art von Zweikampf, nämlich zwischen den Heraus¬
gebein der beiden gegnerischen Blätter, die sich durch ein
förmliches Hinauslizitieren ihrer Getaltsanbote des
versichern
jungen „hoffnungsoollen“ Journalisten
wollen, dessen Geriebenheit selbst amerikanischen Zeitungs¬
leuten imponieren würde. Es scheint übrigens, als ob
Schnitzler es darauf abgesehen halte, damit noch etwus
Besonderes zu beweisen, nämlich daß das, was man „persön¬
liche Ueberzeugung“ nennt, einer Meinung nach nur ein sehr
problematischer Begriff ist, so daß sich ein in der Komödte
wiederholt gebrauchtes Wort von der „Identität der
zu sein scheint,
Paradoxon
Gegensätze“
scheint.
realen Jnhalt zu beiommen
Kreis derjenigen,
der

leicht, einzusehen, daß
die der jüngsten Schnitzlerschen Komäd#e Geschmack und
Interesse a.bengewinnen vermögen, kein allzu großer ist
Die Wiener Journalistik wird vielleicht den ersten Auf¬
zug des Stückes als den Ausatz zu einer Schlüsselkomödre
berrahnen, went gerscse vom Versäsfer ges##derte Sechalt
nisse auf ein ganz bestimmtes Mener Blatt hindenten,
wodurch auch noch die Masken einzelner Schauspieler bei¬1.

trugen. Gespielt wurde sehr gut. Herr Edthofer war
Fink und Fliederbusch in einer Person. Von den übrigen
seien die Herren Forest, Thaller, Götz, Kutschera,
Klitsch und Fürth besonders erwähnt. Fräulein
Waldow war die Besitzerin der einzigen welblichen Rolle
des Stückes, einer stets um die Veranstaltung von Festen
und mit der Presse in enger Fühlung stehenden Fürstin
Die Aufnahme war mit Ausnahme derGalerennetisngn
sehr kühl.
IbN0L. 1917
Pester Lloyd, Budapest,
[Wiener Theater.] Aus Wien wird uns tele¬
wäphiert: ArturSchu#en Journasistenstuck ge¬
chrieben, das „Fink und Fliederbusch“ heißt und
seute im Deutschen Volkstheater in Szene ging.
Die Komödic, schwach gebaut und voll von Plattheiten und
Inwahrscheinlichkeiten, versucht den Begriff „politische Ueber¬
eugung und einen modernen Zeitungsbetrieb zu persistieren,
ber das geschieht so plump und geistlos, daß man fast an
Schnitzlers Autorschaft zweiseln möchte, schon um Schnitlers
elbst willen, der doch, früher wenigstens, über die Wiehungen
er Geschlechter auf dem Wiener Böden Anmutiges zu jagen
gatie. Aber ieer gebrannt scheint die Stale . 4..—


1 4
Menchuer Zeionn
München
(Kunst und Wissenschaft.
(Der neue Schnitzler,) Arthur Schnitzlerg neue
Journalistenkomödie „Fink und Pliederbusche, di
am Wiener Deutschen Volkstheater nur einen
Achtungserfolg erzielen konnte, stellt sich als ein mit recht
unzulänglichen Mitteln unternommener Versuch dar, das
Problem der publizistischen Gesinnung in ironisch=satirie
scher Form zu behandeln. Zwei Zeitschriften führen eine
erbitterte Fehde, die radfkal=demokratische „Gegenwart“
und die feudal=reaktionäre „Elegante Welt“. Einer der
begabtesten jüngsten Mitarbeiter der „Gegenwart“ schreibt
als „Fliederbusch“ eine geharnischte Erwiderung auf einen
reaktionären Artikel der „Eleganten Welt“, als deren —
Mitarbeiter unter dem Namen Fink wir ihn im zweiten ##
Akt finden. In recht veralteter Art sucht nun der moderne!
Journalisten=Hamlet über sein Doppelich in langatmigen;
Monologen klar zu werden und läßt es sogar zu einem
Pistolenduell mit sich selbst kommen. Natürlsch verläuft
dieses Duell in einer ans Possenhafte grenzenden Schlu߬
szene burchaus unblutig, und an den Haaren herbeigezogen
mutel dann die „Lösung“ an: Fink=Fliederbusch verkauft
seine Gesinnung an den von ihm vorher scharf bekämpften:
Grafen, der ein eigenes (drittes) Organ herausgeben will,
in dem der junge Zeitungsmann sein Doppelich um
gehindert austoben kann. Schnitzler will darauf hinaus,
daß das, was man gemeinhin politische Gesinnung oder
Uebergeugung nennt, in Wahrheit gumeist nur eine sixe
Idee sei (wie so oft früher, lugt hier der Arei und
Menschensezierer zwischen dem Dichter Schnitzler deutlich
heraus!) und daß wir in Zukunft mehr als bisher en
Kompromissen bereit sein müßen. Ist auch der feine Schalls¬
humor des sonst so liebenswürdigen Wiener Dichters aus
bielen wienerisch witzigen Randbemerkungen ersichtlich, so
vermissen wir doch sonst so ziemlich alles, was uns Schnitz¬
ler sonst so lieb und wert macht. Daß die verschiedenen
Mitglieder der Redaktionen in beiden Lagern trefflich be¬
obachtet sind, täuscht uns nicht über die Handlungsdürftig¬
keit und über die Eintönigkeit des Ganzen hinweg, und
vor allem wirkt gerade bei einem so feinen Kenner der
weiblichen Psyche das völlige Ausschalten des erotischen
Momentes fast wie Absicht. Gespielt wurde die Komödie
ausgezeichnet; in der Doppelrolle des hinter dem Flieder¬
busch sein schrilles Lied trillernden Zeitungs=Finken leistete
Herr Edhofer Ausgezeichnetes, ebenso alle übrigen Dar¬
steller. Wer aber schreibt uns die grehe Tragödie der
öffentlichen Meinung, die noch nie so unheimlich dankbaren
Stoff gefunden hat wie heutzutage? Dr. Arth. N—r.