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27. Einkund Fliederbusch
lünchener Neueste Nachlichter
Mühricher
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Interesse durch eine meu## Porträts bekann¬
Theater und Musik
ter Wiener Journalisten aufweisende Milien¬
schilderung gesteigert wurde, war eine vorzüg¬
Schnitzlers neue Komödie
liche. Frl. Waldow in der einzigen weiblichen
eh. Wien, Mitte November
Rolle und Herr Edthofer in der Titzkolle sorg¬
Die Premiere der breiaktigen Komödie
ten für ein slottes Zusammenspr.
Kink und Fliederbusch im Deutschen
Soltcraiep.
Volkstheater wird für viele eine Enttäuschung
IIOUT9I7
gewesen sein. Daß der Verfasser des „Anatol“=
Zyklus und all' der anderen Stücke, in welchen
Neukgteits-Veltblat, Wien
die sexuellen Probleme es sind, die die be¬
herrschende Rolle spielen, der Schöpfer der ge¬
strigen Neuheit ist, würde man kaum für mög¬
lich halten, wenn man nicht durch die Behand¬
Theater, Kunst und Musik.
lung des Dialogs und nicht zuletzt auch da¬
durch daran gemahnt werden würde, daß
Wien, 16. November 1917.
Schnitzler sich wieder einmal mit einem seiner
Lieblingsthemen, mit der Frage der Berechti¬
Deutsches Volkstheater. Artur Schnitzler ist ein
gung oder Verwerflichkeit des Zweikampfes
Malheur passiert. Er wollte einmal Vernard Shaw oder
beschäftigen würde die er in seiner bekannten
wenigstens Hermann Bahr spielen und sich über die lustig
feuilletonistischen Stizze „Leutnant Gustel“ und
machen, die ihn groß gemacht haben. Aber der Spaß ist
an „Freiwild“ behandelt hat.
mißlungen, weil der Spaß mangelte und nur ein galliges
Der so poetisch klingende Titel der Komödie ist
Räsonnement herauskam. Das Journalistenstück „Fink
eine Irreführung. „Fink" und „Fliederbusch“
und Fliederbusch“ ist auf einem Witzchen aufgebaut,
sind Namen, unter welchen ein junger Journa¬
das zu schwach ist, drei Akte zu tragen. Ein junger Jour¬
list in zwei verschiedenen Blättern enrgegenge¬
nalist polemisiert in einem Überalen Blatt, dessen Redaktion
setzter politischer Richtung schreibt. Das heißt,
er angehört, gegen Artikel, die er selbst für ein konser¬
die Sache verhält sich noch etwas anders. In
vatives Wochenblatt geschrieben hat. Die Polemik trägt
dem zweiten Blatt polemisiert er gegen die Ar¬
ihm ein Du l — mit sich selbst ein. Er wird nämlich von
tikel, die er in dem ersten veröffentlicht hat.
seinen konserv tiven Redaktionskollegen geziungen, den
Durch eine groteske Verlettung von Umständen
liberalen Artikelschre ber zu ferdern. Auf dem Kampsplatz
kommt er sögar in die Lage, als „Fink“ von
erscheien dann die beiderseitigen Zeugen, aber nur ein
Kämpfer, der sich als Fink und als Fliederbusch — dies
„Fliederbusch, also von sich selbst, ritterliche
die Namen der Gegner — entpuppt. Was tun nun die
Genugtnung fordern zu müssen. Der Zweikampf
Chefs der feindlichen Blätter? Sie wenden sich nicht von
wird wirklich festgesetzt und zwar unter sehr
dem Gesinnungsumpen ab, im Gegentel, sie lizitieren um
ernsten Bedingungen. Erst auf dem Kampf¬
die wertvolle Kraft, die ihnen aber der konservative Ab¬
platze wird es ruchbar, daß Forderer und Ge¬
geordnete Graf Niederhof für das nenzugründende, große
forderter, Fink und Fliederbusch ein und die¬
Parteiorgan wegschnappt. Herrn Fliederbusch's Vater, der
selbe Person sind. Das ist das Gerippe der
in Der Schifsamtegasse wohnt und je nach Bedarf mit
Komödie, das mit einer reichlichen Anzahl von
Hosenknöpfen oder Ringstraßenpalais handelt. um seine
Aphorismen# #ud Sentenzen über Moral, Poli¬
vielköufige Familie ernahren zu können, ist nun durch den
tik und Gesellschaft, vor allem aber auch über
genialen Sohn weiterer Existenzsorgen überhoben. Daß sich
Wesen und Wert persönlicher Ueberzeugung
Schnitzler mit jener Presse, die ihn durch ihre Uebertreibung
drapiert ist. Nach dem Ausklang der Komödie
so groß gemacht hat, in dieser Weise „auseinandersetzt“
scheint Scmitler der Meinung zu sein, daß
wied in den betroffenen Redaktionsbureaus nicht geringes
die Welt Ueberzeugungstreue nicht besonders
Erstannen hervorgerufen haben. Die Undankbarkeit ist
Hoch einschätzt, sondern daß sie größeres Gewicht
gewiß nicht schön, aber wenn ein Artur Schnitzler um¬
auf Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit legt.
dankbar wird, sollte es doch mt Geist und Witz
was er dadurch
10
daß die beiden Blätter
geschehen. Man müßte doch lachen können über solche
durch ein förmli
nauflizitieren des Ge¬
Treulosigkeit. Hier wird sie durch Langeweile ver¬
halts sich der ###
eiterschaft des journali¬
schärft, denn das geringe Quautum Humor, das sich aus der
sischen Chamäleon
Fink=Fiederbusch zu ver¬
Seikstforderung des Journalisten Fiederbusch heraus¬
sichern
sttrd.
pressen läßt und tropfenweise in Monologen oder ge¬
Gelluung sen Mure#hien. (m Aim hes
legentlich eingestreuten Anspielungen serviert wird, ist bald
verraucht und die largen politischen Zwiggespräche, in
den n Schnitzler für die „Demokratie“ eintritt und uns
überzeugen will, daß ein Politiker keine Ueberzeugung
braucht, wogegen ein Journalist mit zwei lieberzeugungen
sen Glück machen konn, fördern nur die Sehnsucht nach
„Schluß der Tebatte“. So rechtfertigte das Stück die
Erwartungen, de man sonst in ein Schnitzlersches Wert
setzt, in teiner Weise, trotzdem für die Aufführung die
besten Kräfte des Deutschen Volkstheaters mobilisiert
worden waten. Herr Ebthofer, svielte den
Fliederbusch mit einer Diskretion, als ob er sich schämte,
die Intentione des Dichters voll zu vertreten. Die Herren
Götz, Kutschera, Klitsch, Homma und Mill¬
mann spielten liberale Redakteure, die Artur Schnitzler
in
seinem Zorn geschaffen, und Herr Forest einen
Reporter, der seinen ursprünglichen Namen Schmock in
Kaietan umgeänderk halte, aber wenigstens die von seinem!
Ahnen aus Freytags „Joursalinen“ überkommene Erbschaft
lustg verwaltete. Die konservative Journalistik wr durch
die Herren Furth, Aslan, Thailer und Leicht,
das seudale Element durch Frl. Waldow und Herrn
Kramer vertreten. Wenn zwei sich streiten,
freut
sich der Dritte. Das Publikum lachte über den Mann mit
—
Ad
zwei Ueberzeugungen. Vielleicht auch über Herrn Schnitzler,
der ja in se#em neuesten Stück sozusagen auch seine „zweite j°d
Ueberzeugung“ geoffenbart hat.
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27. Einkund Fliederbusch
lünchener Neueste Nachlichter
Mühricher
1 1 1014
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Interesse durch eine meu## Porträts bekann¬
Theater und Musik
ter Wiener Journalisten aufweisende Milien¬
schilderung gesteigert wurde, war eine vorzüg¬
Schnitzlers neue Komödie
liche. Frl. Waldow in der einzigen weiblichen
eh. Wien, Mitte November
Rolle und Herr Edthofer in der Titzkolle sorg¬
Die Premiere der breiaktigen Komödie
ten für ein slottes Zusammenspr.
Kink und Fliederbusch im Deutschen
Soltcraiep.
Volkstheater wird für viele eine Enttäuschung
IIOUT9I7
gewesen sein. Daß der Verfasser des „Anatol“=
Zyklus und all' der anderen Stücke, in welchen
Neukgteits-Veltblat, Wien
die sexuellen Probleme es sind, die die be¬
herrschende Rolle spielen, der Schöpfer der ge¬
strigen Neuheit ist, würde man kaum für mög¬
lich halten, wenn man nicht durch die Behand¬
Theater, Kunst und Musik.
lung des Dialogs und nicht zuletzt auch da¬
durch daran gemahnt werden würde, daß
Wien, 16. November 1917.
Schnitzler sich wieder einmal mit einem seiner
Lieblingsthemen, mit der Frage der Berechti¬
Deutsches Volkstheater. Artur Schnitzler ist ein
gung oder Verwerflichkeit des Zweikampfes
Malheur passiert. Er wollte einmal Vernard Shaw oder
beschäftigen würde die er in seiner bekannten
wenigstens Hermann Bahr spielen und sich über die lustig
feuilletonistischen Stizze „Leutnant Gustel“ und
machen, die ihn groß gemacht haben. Aber der Spaß ist
an „Freiwild“ behandelt hat.
mißlungen, weil der Spaß mangelte und nur ein galliges
Der so poetisch klingende Titel der Komödie ist
Räsonnement herauskam. Das Journalistenstück „Fink
eine Irreführung. „Fink" und „Fliederbusch“
und Fliederbusch“ ist auf einem Witzchen aufgebaut,
sind Namen, unter welchen ein junger Journa¬
das zu schwach ist, drei Akte zu tragen. Ein junger Jour¬
list in zwei verschiedenen Blättern enrgegenge¬
nalist polemisiert in einem Überalen Blatt, dessen Redaktion
setzter politischer Richtung schreibt. Das heißt,
er angehört, gegen Artikel, die er selbst für ein konser¬
die Sache verhält sich noch etwas anders. In
vatives Wochenblatt geschrieben hat. Die Polemik trägt
dem zweiten Blatt polemisiert er gegen die Ar¬
ihm ein Du l — mit sich selbst ein. Er wird nämlich von
tikel, die er in dem ersten veröffentlicht hat.
seinen konserv tiven Redaktionskollegen geziungen, den
Durch eine groteske Verlettung von Umständen
liberalen Artikelschre ber zu ferdern. Auf dem Kampsplatz
kommt er sögar in die Lage, als „Fink“ von
erscheien dann die beiderseitigen Zeugen, aber nur ein
Kämpfer, der sich als Fink und als Fliederbusch — dies
„Fliederbusch, also von sich selbst, ritterliche
die Namen der Gegner — entpuppt. Was tun nun die
Genugtnung fordern zu müssen. Der Zweikampf
Chefs der feindlichen Blätter? Sie wenden sich nicht von
wird wirklich festgesetzt und zwar unter sehr
dem Gesinnungsumpen ab, im Gegentel, sie lizitieren um
ernsten Bedingungen. Erst auf dem Kampf¬
die wertvolle Kraft, die ihnen aber der konservative Ab¬
platze wird es ruchbar, daß Forderer und Ge¬
geordnete Graf Niederhof für das nenzugründende, große
forderter, Fink und Fliederbusch ein und die¬
Parteiorgan wegschnappt. Herrn Fliederbusch's Vater, der
selbe Person sind. Das ist das Gerippe der
in Der Schifsamtegasse wohnt und je nach Bedarf mit
Komödie, das mit einer reichlichen Anzahl von
Hosenknöpfen oder Ringstraßenpalais handelt. um seine
Aphorismen# #ud Sentenzen über Moral, Poli¬
vielköufige Familie ernahren zu können, ist nun durch den
tik und Gesellschaft, vor allem aber auch über
genialen Sohn weiterer Existenzsorgen überhoben. Daß sich
Wesen und Wert persönlicher Ueberzeugung
Schnitzler mit jener Presse, die ihn durch ihre Uebertreibung
drapiert ist. Nach dem Ausklang der Komödie
so groß gemacht hat, in dieser Weise „auseinandersetzt“
scheint Scmitler der Meinung zu sein, daß
wied in den betroffenen Redaktionsbureaus nicht geringes
die Welt Ueberzeugungstreue nicht besonders
Erstannen hervorgerufen haben. Die Undankbarkeit ist
Hoch einschätzt, sondern daß sie größeres Gewicht
gewiß nicht schön, aber wenn ein Artur Schnitzler um¬
auf Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit legt.
dankbar wird, sollte es doch mt Geist und Witz
was er dadurch
10
daß die beiden Blätter
geschehen. Man müßte doch lachen können über solche
durch ein förmli
nauflizitieren des Ge¬
Treulosigkeit. Hier wird sie durch Langeweile ver¬
halts sich der ###
eiterschaft des journali¬
schärft, denn das geringe Quautum Humor, das sich aus der
sischen Chamäleon
Fink=Fiederbusch zu ver¬
Seikstforderung des Journalisten Fiederbusch heraus¬
sichern
sttrd.
pressen läßt und tropfenweise in Monologen oder ge¬
Gelluung sen Mure#hien. (m Aim hes
legentlich eingestreuten Anspielungen serviert wird, ist bald
verraucht und die largen politischen Zwiggespräche, in
den n Schnitzler für die „Demokratie“ eintritt und uns
überzeugen will, daß ein Politiker keine Ueberzeugung
braucht, wogegen ein Journalist mit zwei lieberzeugungen
sen Glück machen konn, fördern nur die Sehnsucht nach
„Schluß der Tebatte“. So rechtfertigte das Stück die
Erwartungen, de man sonst in ein Schnitzlersches Wert
setzt, in teiner Weise, trotzdem für die Aufführung die
besten Kräfte des Deutschen Volkstheaters mobilisiert
worden waten. Herr Ebthofer, svielte den
Fliederbusch mit einer Diskretion, als ob er sich schämte,
die Intentione des Dichters voll zu vertreten. Die Herren
Götz, Kutschera, Klitsch, Homma und Mill¬
mann spielten liberale Redakteure, die Artur Schnitzler
in
seinem Zorn geschaffen, und Herr Forest einen
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Kaietan umgeänderk halte, aber wenigstens die von seinem!
Ahnen aus Freytags „Joursalinen“ überkommene Erbschaft
lustg verwaltete. Die konservative Journalistik wr durch
die Herren Furth, Aslan, Thailer und Leicht,
das seudale Element durch Frl. Waldow und Herrn
Kramer vertreten. Wenn zwei sich streiten,
freut
sich der Dritte. Das Publikum lachte über den Mann mit
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zwei Ueberzeugungen. Vielleicht auch über Herrn Schnitzler,
der ja in se#em neuesten Stück sozusagen auch seine „zweite j°d
Ueberzeugung“ geoffenbart hat.
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