II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 72

27. Einkund Fljederbusch


Arthur Schnitzlers Jeurhalistenstück
„Fink und Fliederbusch“.
Das neue Stück von Arthur Schnitzler, die drefaktige Ko¬
mödie „Fink und Fliederbusch**), ist im Wiener Deut¬
schen Volkstheater zur Uraufführung gekommen, während,
die bisherige Stätte der Erfolge des Autors das Hofburgtheater
war. Es ist uns nicht bekannt, ob die Hofbühne auf das Stück von
vornherein verzichtet oder ob Schnitzler es dort überhaupt nicht
eingereicht hat. Arthur Schnitzler ist der vepräsentativste Dichter
Oesterreichs. Sein Name verpflichtet. Ein neues Stück von
Arthur Schnitzler: da horcht die ganze literarische Welt mit be¬
rechtigter, froher Erwartung auf. Schon der letzte Romau des
Dichters, „Doktor Gräsler, Badearzt“, brachte eine Enttäuschung,
„Fink und Fliederbüsch“ eine noch stärkere. „Fink und. Flieder¬
busch“, das ist ein und dieselbe Person, ein junger, zwanzig¬
jähriger journalistischer Anfänger, der als „Fink“ in einem
Salon=Wochenblatt, welches Schnitzler selbst als „Revolverblätt¬
chen" bezeichnet, für die Feudalen eintritt und als „Fliederbusch“
in dem großen liberalen Tagblatt Die Gegenwart dieselben und
die Ansichten Finks mit rücksichtsloser Schärfe bekämpft. Die
Sache kann auf die Dauer nicht weitergehen und führt zu Kom¬
plikationen, in deren Verlaufe Fink gezwungen wird, sich mit
Fliederbusch, also mit sich selbst, zu schlagen. Es kommt natürlich
auf, daß Fink und Fliederbusch der gleiche Verfasser ist, dies wird;
als „Spaß“ betrachtet, und die beiden Chefredakteure reißen sich
darum, die „begabte Kraft“ zu gewinnen, die sich aber schließlich
für den hochgeborenen Grafen Niederhof entscheidet, der ein
reaktionäres Parteiblatt gründen will.
Es ist also ein Journalistenstück, in dem Schnitzler die
Zeitungsleute mit gewissen Aristokraten in einen Topf wirst.]
Seine „Journalisten“ sind ein gesinnungsloses, verächtliches Pack.
Der Autor verfällt in den Fehler, der Journalisten so oft zum
Vorwurf gemacht wird: der Oberflächlichkeit. Wie es in der
Arbeitsstätte einer großen modernen Tageszeitung aussieht,
davon hat den Dichter herzlich wenig Ahnung. Dagegen scheint
er in das Getriebe des Revolverblättchens gründlichen Einblick
getan zu haben. Glaubt Schnitzler wirklich, daß eine große
politische Tageszeitung sich in eine Polemik mit einem solchen ein¬
lassen wird? Zudem lassen die Qualitäten des Stückes zu wün¬
schen übrig. Der erste Akt, der in der Redaktion der Gegenwart
spielt, hat lebendige Szenen. Dann arbeitet aber Schnitzler viel
mit Monologen, weitschweifigen politischen Dialogen, läßt ganze
Leitartikel nicht nur vorlesen, sondern auch sprechen. Das wirkt
langweilig. Die Vorgänge eines theaterfesten Stückes müssen sich
aus der Handlung selbst entwickeln. „Fink und Flicderdusge hat.
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#nur eine einzige Frauenrolle, die den reklamefüchtigen, mit dem
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berüchtigten Wochenblatt eng befreunderen Gräfin Wendolin, von
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deren Liebesabenteuern uns der Dichter viel erzählt. Schnitzler
und seine Freunde werden Inwerfen, daß Journalisten, die über
jedermann zu Gericht sitzen, surchtbau empfindlich werden, wenn
man sie selbst einmal mit derber Hand anfaßt. Daß aber die
Marionetten, mit denen Schnitzler spielt, — denn seine Figuren
haben weder Fleisch noch Blut — Journalisten genannt werden
dürsen, dagegen muß sich jeder ehrliche Zeitungsmensch mit Ent¬
schiedenheit verwahren. Das Publikum, welches Schnitzler, und
mit Recht, liebt, bezeigte ihm gebührende Achtung. Nach dem
ersten Akt verflachte sich das Interesse immer mehr, und am
Schlusse mischte sich in den Beifall das Zischen der Ablehnung. In
„Fink und Fliederbusch“ hat man das liebe, vertraute literarische
Antlitz von Arthur Schnitzler nicht wiedererkannt. Hoffentlich
findet er bald aus diesem Irrweg heraus.
Ludwig Klinenberger.

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Wir
Der neue Artbur Schnitzler. Aus enschreibt uns unser
h. JI.=Mitarbeiter: Die Ueberschrift dieser Zeilen darf auch persön¬
ich genommen werden. Anläßlich der Uraufführung von Schnitz¬
##eirs neuer Komödie „Fink und Fliederbusch“ im Deutschen
Volkstheater haben wir die Bekanntschaft eines neuen Schnitzler ge¬
mächt. Das ist umso überraschender, als das Stück schon etwa fünf
Jahre alt ist und so lange in der Schreibtischlade geblieben wan, weil sein
Grundgedanke sich dadurch einen leidigen Zufall mit dem eines Schwankes
von Tristan Bernard deckte. Fliederbusch ist ein kleiner jüdischer Jour¬
nalist, der unter dem Namen Fink in einem fendal=klorikal=reaktio¬
nären Wochenblatt Artikel schreibt, deren Teudenz die den Actikeln des
Fliederbusch in einem demokratischen Organ gerade entgegengesetzt ist.
So rempelt Fliederbusch den Fink und dessen gräflichen Gönner an
Sremnge

und Fink wird gezwungen, den Fliederbusch zu fordern. Das Duell
mit sich selbst —
das soll der Spaß sein. Aber er lappt nicht und die
Lösung auf dem Duellplatz, die grotesk=übermütig sein sollte, versagt
völlig. Die Lizitation, welche die Chefredakteure und der gräfliche
Politiker, der ein neues Blatt gründen will, veranstalten, um sich die
Charakterlosigkeit des Herrn Fliederbusch=Fink für ihre Unternehmungen
zu sichern, ist arg geschmacklos, was dem früheren Schnitzler nie zu¬
gestanden wäre. Das Stück spielt natürlich im Journalistenmilieu, ar¬
beitet jedoch mit ein paar ziemlich schief gesehenen Aueßerlichkeiten und
kommt weder dem Ernst und dem Humor des Beruses in die Nähe. Es ist
eine mutlose und lahme Satire, die verstimmt ohne zu verwunden.
Schnitzler ist hier mehr als je zuvor nur ein Betrachter, aber kein Ge¬
stalter. Gespielt wurde die Komödie zu der auch die kleinsten Rollen
mit ersten Kräften besetzt waren, sehr gut. Der äußere Erfolg war der
eines Schnitzlerabends, an dem die Freunde nicht merken lassen wollten,
wie enttäuscht sie waren.
Aus Frankfurt a. M. wird uns geschrieben: Als reichsdeutsche
Erstaufführung brachte das Neue Theater Schnitzlers Journa¬
listenkomödie „Fink und Fliederbusch“. Zu seiner Ehre darf
man wohl annehmen, daß er mit dieser um eino Schwankidee herum
mißglückten furchtbar redseligen Komöbie nicht das immer noch ersehnte
deutsche Journalistenlustspiel schreiben wollte. Trotz sehr guter kraft¬
voller und in Einzelleistungen vortrefflicher Darstellung war das
Publikum nicht begeistert, wenn es auch nach jedem Akt einmal mehr,
einmal weniger Beifall zollte.
c.m.
N. Wagner in Meiningen war ein Ereignis, das die herzogliche
Kunststadt an der Werra in der Aufführung des „Siegfried“ zum
ersten Male genoß. Unter der Regie des Hofrats Fritz Rémond,
Cöln und Carl Hollys, Schwerin, sowie der musikalischen Leitung
Professor C. Pienings ging das Wagnersche Musikdrama mit Heinrich
Knote, München (Siegfried), Erna Denera, Berlin (Brünnhilde),
Ottilie Metzger, Hamburg (Erda), Theodor Lattermann, Ham¬
burg (Wanderer), über die Schauspielbühne Meiningens, deren Or¬
chesterräume Künstler aus Meiningen und Coburg füllten. Das ausper¬
kaufte Haus, an der Spitze das Herzogspaar, nahm das Wagner¬
werk mit Enthusiasmus auf.