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Konoedieder NorteZuklus
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Donnerstag
sprechen durften, und man gewinnt den Eindruck, als
hätte der Schriftsteller absichtlich seine Frau mit einem
jungen Chemiker auf Reisen geschickt, um sie durch das ihr
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
freiwillig gewährte Bacchusfest desto fester an sich zu
binden. Man mag dies frei, kühn und geistreich finden,
Ausschnitt audte Werter sctuc er
es gab aber Leute, die sich davon nur angewidert fühlten.
In der „Großen Szene“ schwebte Schnitzler offenbar
vom:
Josef Kainz vor. Herr Walden hat aber mehr Zeska
140K7 1975
als Kainz gespielt. Im ersten Stück hatte er für den
Mann der kalten Rache nicht viel übrig und im letzten
—„ Schaganfauts aufgeseh.
fehlte es ihm an geistiger Ueberlegenheit. In den weiblichen
* Der Kritiker der klerikalen „Reichspost“ leistete sich gestern
Rollen taten Frau Bleibtreu, Frau Medelsky und
am Schlusse einer Besprechung über die neuen, im Burgtheater
Fräulein Wohlgemuth ihr Bestes und in Episoden
aufgeführten Einakter Artur Schni####r##folgende Sätze, die
erfreuten Fräulein Kutschera und Herr Tiedtke.
man um ihrer Schwachköpfigteit willen aus dem Dunkel jenes
Trotz dem Beifall, der gestern reichlich gespendet wurde,
Feuilletonteiles ans Licht ziehen muß: „... So wenig gepflegte
wird von den drei Einaktern sich bestenfalles die „Große
Fingernägel einen seelisch verluderten Menschen rein machen
Szene" behaupten können.
können, ebensowenig macht (diese) rein äußerliche Kultur einen
Residenzbühne. Einen nicht üblen Spaß brachte
Dichter. Wir sind nun einmal so altmodisch gründlich, allen
gestern die Residenzbühne: „Generalprobe zu Ein
Dingen auf den Kern zu gehen und uns durch keinen komö¬
kostbares Leben“, Lustspiel in drei Akten von
diantischen Schein betören zu lassen. Der Kern fast aller
H. Vosberg. Aus dem Titel ist unschwer zu erraten,
daß es wieder einmal Theater im Theater gibt. Aber diese
Schnitzlerschen Dichtungen aber ist: Tiefernste Wurm¬
Entzauberung des Kulissenzaubers geschieht mit einem
stichigkeit.
Wollen wir wirklich an deutschem
sachlichen Witz, der den ältesten Theaterhasen verblüfft.
Wesen genesen,
so werden wir diesen
ngeb¬
Ein ausgewachsener Schwank, dessen Lustigkeit für sich
lich deutschen Dichter mundtot mache
allein bestehen könnte, wird im Rahmen einer Hauptprobe
müssen. Unseren herrlichen deutschen Frauen, deren Herzblut
mit ihren heiteren Zwischenfällen, mit allen Tücken des
in diesem Kriege schmerzlicher, qualvoller ver¬
Objektes und den mitunterlaufenden Meinungsverschie¬
rinnt, als das Blut sterbender Helden (1),
denheiten zwischen den Darstellern, dem Direktor und dem
unseren großen deutschen Müttern, Frauen, Schwestern, Töchtern,
Dichter vorgeführt und der Schwank selber ist so angelegt,
die leidend ihren Tribut opfern auf den Altären des Vaterlandes,
daß ein Akt in die Bühnenkanzlei führt und Gelegenheit
ihnen weihen wir diesen feierlichen Schwur: Daß
bietet, allerhand Intimes aus der Schule der Dramaturgen¬
wir nicht ruhen wollen, ehe diese Schmach
tätigkeit zu schwätzen. Das kostbäre Leben, von dem er handelt,
ist ein verschuldeter Sportgraf, der von seinen Gläubigern
die ihnen hier ein Dichter antut, aus¬
überwacht und bedrängt wird. Sie nehmen nicht nur seine
Sportpreise in Beschlag, sie haben auch einen Lichtbildner
sgelöschtist, getilgt ist aus dem Spiegel der Welt, der dar
gemietet, der alles, was der Graf unternimmt, schwarz
heißt: Deutsches Theater. Als eine hohe Lebensauf¬
auf Weiß festhält. Versteht sich, daß aus den Lichtbildern
[gabe wollen wir es betrachten, der deutschen
ein Rattenkönig von Mißverständnissen und Verlegen¬
[Bühne die Wege zu weisen, die sie zurückführen
heiten erwächst, die sich in einem unblutigen Zweikampf
aus Schmutz und Schmach zu den reinen Quellen ihrer Be¬
zu aller Wohlgefallen auflösen. Wie sehr Theater und
—
stimmung
Der deutsche Mann, der diesen Schwur ge¬
Wirklichkeit, Scherz, Satire und Ironie im wildesten
leistet hat, ist nicht der kleine Moritz, sondern Herr Hans!
Kunterbunt durcheinanderpurzeln, bleibt dem Zuschauer
[Brecka.
doch alles so durchsichtig, daß er sich lachend, schmunzelnd
nigeen
4
und kichernd stets als Herr der Situation fühlt. Und das
ist bei einem Schwank, der nicht mehr als theatralischer
Unsinn sein will, die sicherste Voraussetzung für einen
Erfolg. Der Ulk wird auf der Residenzbühne überaus ultig
eekungune oune-Genkur-
gegeben. Herr Fritz Odemar allein schon ist in der drei¬
fachen Rolle eines jüdischen Wucherers und des wirklichen
Ausschnitt aus: Salzburger Volksblati
und nur gespielten Theaterdirektors sehenswert. Nicht
minder Paula Janower, die als Portiersfrau an die
besten Leistungen der Else Lehmann erinnerte. Auch die
vom: (40KT·
Herren Wurmser, Baron, Strauß, Wreede und
Günther sowie Fräulein Lona Schmidt dürfen sich
8 „Komödie der Worte“, drei neue Einakter von Artub
berühmen, zur Erheiterung der Zuhörerschaft beigetragen
zu haben.
Schnitzler sind im Wiener Burgtheater und gleichzeitig an
mehreren reichsdeutschen Bühnen zur Aufführung gelangt. Die
60. Geburtstag Nikisch'. Artur Nikisch feierte
Einakter haben im Mittelpunkt die Frau in der Ehe schlaglicht¬
gestern seinen 60. Geburtstag und war berechtigterweise
Gegenstand großer Sympathiekundgebungen aus nah und
artig und geschickt beleuchtet. Es ist ein wechselndes, bald ernstes,
fern. Wir erkennen in ihm den größten lebenden deutschen
bald heiteres Spiel zwischen Mann und Frau in drei äußerlich
Dirigenten und müssen bedauernd feststellen, daß er,
wohl getrennten Einaktern, die aber innerlich wie mit geheimenst
obzwar ein Oesterreicher, uns doch völlig an Deutschland
Fäden verbunden sind. Die „Stunde des Erkennens“, eine quä¬ K¬
verloren gegangen ist. Nikisch wurde als Sohn eines
Oberbuchhalters des Freiherrn v. Sina am 12. Oktober
lende Szene zwischen ihm und ihr, obendrein noch häßlich en¬
50
1855 im Wieselburger Komitate geboren. Mit sieben
dend, fand nur ein zurückhaltendes Publikum, während die
4
Jahren kam er nach Oesterreich. Mit elf Jahren besuchte er
„Große Szene" und das „Bacchusfest“ in welchen Stücken
schon das Wiener Konservatorium als musikalisches Wunder¬
Schnitzler meisterlich die Menschen sich gegenseitig belügen und
lind und war Schüler von Hellmesberger, Schenner und Des¬
sow. Mit 18 Jahren verließ er preisgekrönt die ausgezeichnete
verspotten läßt, sehr gut gefielen. In Wien spielte Walden
Lehraustalt und wurde Geiger im Wiener Hofopernorchester.
in allen drei Stücken die Hauptrolle mit starkem Erfolg.
1878 lam er als Chordirektor an das Leipziger Stadt¬
—
theater und wurde dort in kürzester Zeit erster Kapell¬
meister. Sein Ruf war bald ein glänzender. 1889 trat er
an die Spitze des berühmten Bostoner Symphonie¬
orchesters, 1893 kam er als Direktor an die Ofen=Pester Oper.
nach zwei Jahren übernahm er die Leitung der Leipziger
Gewandhauskonzerte und zugleich der phil¬
harmonischen Konzerte in Berlin und Hamburg. In Wien
hat man Nikisch, der große Vorliebe für unsere Stadt hat,
nur selten gesehen. Das letzte Mal gelegentlich der Musik¬
festwoche im Juni 1912, wo er mit der dritten „Leonoren“¬
Ouvertüre, der vierten Symphonie von Brahms und
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Donnerstag
sprechen durften, und man gewinnt den Eindruck, als
hätte der Schriftsteller absichtlich seine Frau mit einem
jungen Chemiker auf Reisen geschickt, um sie durch das ihr
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
freiwillig gewährte Bacchusfest desto fester an sich zu
binden. Man mag dies frei, kühn und geistreich finden,
Ausschnitt audte Werter sctuc er
es gab aber Leute, die sich davon nur angewidert fühlten.
In der „Großen Szene“ schwebte Schnitzler offenbar
vom:
Josef Kainz vor. Herr Walden hat aber mehr Zeska
140K7 1975
als Kainz gespielt. Im ersten Stück hatte er für den
Mann der kalten Rache nicht viel übrig und im letzten
—„ Schaganfauts aufgeseh.
fehlte es ihm an geistiger Ueberlegenheit. In den weiblichen
* Der Kritiker der klerikalen „Reichspost“ leistete sich gestern
Rollen taten Frau Bleibtreu, Frau Medelsky und
am Schlusse einer Besprechung über die neuen, im Burgtheater
Fräulein Wohlgemuth ihr Bestes und in Episoden
aufgeführten Einakter Artur Schni####r##folgende Sätze, die
erfreuten Fräulein Kutschera und Herr Tiedtke.
man um ihrer Schwachköpfigteit willen aus dem Dunkel jenes
Trotz dem Beifall, der gestern reichlich gespendet wurde,
Feuilletonteiles ans Licht ziehen muß: „... So wenig gepflegte
wird von den drei Einaktern sich bestenfalles die „Große
Fingernägel einen seelisch verluderten Menschen rein machen
Szene" behaupten können.
können, ebensowenig macht (diese) rein äußerliche Kultur einen
Residenzbühne. Einen nicht üblen Spaß brachte
Dichter. Wir sind nun einmal so altmodisch gründlich, allen
gestern die Residenzbühne: „Generalprobe zu Ein
Dingen auf den Kern zu gehen und uns durch keinen komö¬
kostbares Leben“, Lustspiel in drei Akten von
diantischen Schein betören zu lassen. Der Kern fast aller
H. Vosberg. Aus dem Titel ist unschwer zu erraten,
daß es wieder einmal Theater im Theater gibt. Aber diese
Schnitzlerschen Dichtungen aber ist: Tiefernste Wurm¬
Entzauberung des Kulissenzaubers geschieht mit einem
stichigkeit.
Wollen wir wirklich an deutschem
sachlichen Witz, der den ältesten Theaterhasen verblüfft.
Wesen genesen,
so werden wir diesen
ngeb¬
Ein ausgewachsener Schwank, dessen Lustigkeit für sich
lich deutschen Dichter mundtot mache
allein bestehen könnte, wird im Rahmen einer Hauptprobe
müssen. Unseren herrlichen deutschen Frauen, deren Herzblut
mit ihren heiteren Zwischenfällen, mit allen Tücken des
in diesem Kriege schmerzlicher, qualvoller ver¬
Objektes und den mitunterlaufenden Meinungsverschie¬
rinnt, als das Blut sterbender Helden (1),
denheiten zwischen den Darstellern, dem Direktor und dem
unseren großen deutschen Müttern, Frauen, Schwestern, Töchtern,
Dichter vorgeführt und der Schwank selber ist so angelegt,
die leidend ihren Tribut opfern auf den Altären des Vaterlandes,
daß ein Akt in die Bühnenkanzlei führt und Gelegenheit
ihnen weihen wir diesen feierlichen Schwur: Daß
bietet, allerhand Intimes aus der Schule der Dramaturgen¬
wir nicht ruhen wollen, ehe diese Schmach
tätigkeit zu schwätzen. Das kostbäre Leben, von dem er handelt,
ist ein verschuldeter Sportgraf, der von seinen Gläubigern
die ihnen hier ein Dichter antut, aus¬
überwacht und bedrängt wird. Sie nehmen nicht nur seine
Sportpreise in Beschlag, sie haben auch einen Lichtbildner
sgelöschtist, getilgt ist aus dem Spiegel der Welt, der dar
gemietet, der alles, was der Graf unternimmt, schwarz
heißt: Deutsches Theater. Als eine hohe Lebensauf¬
auf Weiß festhält. Versteht sich, daß aus den Lichtbildern
[gabe wollen wir es betrachten, der deutschen
ein Rattenkönig von Mißverständnissen und Verlegen¬
[Bühne die Wege zu weisen, die sie zurückführen
heiten erwächst, die sich in einem unblutigen Zweikampf
aus Schmutz und Schmach zu den reinen Quellen ihrer Be¬
zu aller Wohlgefallen auflösen. Wie sehr Theater und
—
stimmung
Der deutsche Mann, der diesen Schwur ge¬
Wirklichkeit, Scherz, Satire und Ironie im wildesten
leistet hat, ist nicht der kleine Moritz, sondern Herr Hans!
Kunterbunt durcheinanderpurzeln, bleibt dem Zuschauer
[Brecka.
doch alles so durchsichtig, daß er sich lachend, schmunzelnd
nigeen
4
und kichernd stets als Herr der Situation fühlt. Und das
ist bei einem Schwank, der nicht mehr als theatralischer
Unsinn sein will, die sicherste Voraussetzung für einen
Erfolg. Der Ulk wird auf der Residenzbühne überaus ultig
eekungune oune-Genkur-
gegeben. Herr Fritz Odemar allein schon ist in der drei¬
fachen Rolle eines jüdischen Wucherers und des wirklichen
Ausschnitt aus: Salzburger Volksblati
und nur gespielten Theaterdirektors sehenswert. Nicht
minder Paula Janower, die als Portiersfrau an die
besten Leistungen der Else Lehmann erinnerte. Auch die
vom: (40KT·
Herren Wurmser, Baron, Strauß, Wreede und
Günther sowie Fräulein Lona Schmidt dürfen sich
8 „Komödie der Worte“, drei neue Einakter von Artub
berühmen, zur Erheiterung der Zuhörerschaft beigetragen
zu haben.
Schnitzler sind im Wiener Burgtheater und gleichzeitig an
mehreren reichsdeutschen Bühnen zur Aufführung gelangt. Die
60. Geburtstag Nikisch'. Artur Nikisch feierte
Einakter haben im Mittelpunkt die Frau in der Ehe schlaglicht¬
gestern seinen 60. Geburtstag und war berechtigterweise
Gegenstand großer Sympathiekundgebungen aus nah und
artig und geschickt beleuchtet. Es ist ein wechselndes, bald ernstes,
fern. Wir erkennen in ihm den größten lebenden deutschen
bald heiteres Spiel zwischen Mann und Frau in drei äußerlich
Dirigenten und müssen bedauernd feststellen, daß er,
wohl getrennten Einaktern, die aber innerlich wie mit geheimenst
obzwar ein Oesterreicher, uns doch völlig an Deutschland
Fäden verbunden sind. Die „Stunde des Erkennens“, eine quä¬ K¬
verloren gegangen ist. Nikisch wurde als Sohn eines
Oberbuchhalters des Freiherrn v. Sina am 12. Oktober
lende Szene zwischen ihm und ihr, obendrein noch häßlich en¬
50
1855 im Wieselburger Komitate geboren. Mit sieben
dend, fand nur ein zurückhaltendes Publikum, während die
4
Jahren kam er nach Oesterreich. Mit elf Jahren besuchte er
„Große Szene" und das „Bacchusfest“ in welchen Stücken
schon das Wiener Konservatorium als musikalisches Wunder¬
Schnitzler meisterlich die Menschen sich gegenseitig belügen und
lind und war Schüler von Hellmesberger, Schenner und Des¬
sow. Mit 18 Jahren verließ er preisgekrönt die ausgezeichnete
verspotten läßt, sehr gut gefielen. In Wien spielte Walden
Lehraustalt und wurde Geiger im Wiener Hofopernorchester.
in allen drei Stücken die Hauptrolle mit starkem Erfolg.
1878 lam er als Chordirektor an das Leipziger Stadt¬
—
theater und wurde dort in kürzester Zeit erster Kapell¬
meister. Sein Ruf war bald ein glänzender. 1889 trat er
an die Spitze des berühmten Bostoner Symphonie¬
orchesters, 1893 kam er als Direktor an die Ofen=Pester Oper.
nach zwei Jahren übernahm er die Leitung der Leipziger
Gewandhauskonzerte und zugleich der phil¬
harmonischen Konzerte in Berlin und Hamburg. In Wien
hat man Nikisch, der große Vorliebe für unsere Stadt hat,
nur selten gesehen. Das letzte Mal gelegentlich der Musik¬
festwoche im Juni 1912, wo er mit der dritten „Leonoren“¬
Ouvertüre, der vierten Symphonie von Brahms und