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26.1. Kon Wie der Worte zyklus
anderen die Schuld sucht und sieht. So wird geradezu
Eckolds Frau die Schuldige an ihrem Gatten, weil sie ihre
Liebesbestimmung einem anderen gegenüber erdrosseln mußte.
So lebt sie die „zehn Jahre“ unbewußt treu neben dem
argwohnzerquälten Herz des Gatten her, der nun explosiv in
einer „Stunde des Erkennens“ verurteilt — ob mit oder
ohne Grund, ist völlig gleichgültig. „Zehn Jahre“ früher
war da nur ein einfaches, reinliches Rechenexempel zu lösen. ..
Die überraschende Wendung nach dunklerer (wie gesagt Strind¬
amea echen
bergscher) Tönung des konventionellen Problems hin nahm
das Publikum, trotz aufopfernder Mühewaltung von Regie
und Darstellung, nur mit bedingtem Entgegenkommen auf,
sicherlich aber auch deshalb, weil es physisch nicht imstande ge¬
wesen sein mochte, das Geringste des — doch wichtigen Schnitz¬
Sroßherzogliches Softheater
lerschen Dialogs zu verstehen. Ich selbst, der ich das Buch schon
kannte, hatte die größte Mühe, der verbalen Darbietung zu
Uraufführung:
folgen. Da ist eine gründliche Retouche zum Besten des Autors
vonnöten. Manches mag auch auf Rechnung einer stimmlichen
Schnitzlers „Komödie der Worte“
Indisposition des Hauptdarstellers zu setzen sein: Bruno
Von den Uraufführungen, die in dieser Spielzeit am Hof¬
Harprecht nahm sich im übrigen mit viel Geschick und
theater dichter fallen werden als im ersten Kriegswinter —
Wandlungsfähigkeit zunächst des „Dr. Eckold“ an, der beson¬
Weingartner bringt seine „Dame Kobold“ Otto Neitzel aus
ders durch die Gelassenheit und Müdigkeit der Bewegungen
Köln seinen „Richter von Kaschau“ hier heraus, vergangenen
und des Tonfalls angenehm auffiel. Er spielte ferner den be¬
Winter gabs gar nichts, sieht man von ein paar Musikwerken
langlosen (sentimentalen) „Schriftsteller“ im Bacchusfest, aber
ab: Großherzog Ernst Ludwigs „Stimmungen“ für Klavier
erst in der „großen Szene“ des genialen Hofschauspielers Her¬
und Weingartners „Ouverture aus ernster Zeit“ bleibenden
bot war er ganz in seinem Element: chevaleresk oder gemüt¬
Angedenkens! — von den Uraufführungen hatte die der drei
lich, ausgelassen oder versonnen, schlagfertig oder verschmitzt —
Schnitzlerschen Einakter heute das erste Wort, die
ganz immer, wie's die Rolle heischt. In den sonst mehr epi¬
„Stunde des Erkennens“ „Das Bacchusfest“ und
sodischen Rollen gaben Johannes Heinz viel schöne Emp¬
die „Große Szene“, die gleichzeitig noch in Wien und in
findungswärme (als Gegenspieler „Ormin“ im ersten Stück);
Frankfurt heute das Rampenlicht erblicken sollen. Es ist wohl
Charlotte Pils als „Klara Eckold“ fesselte in den leidenschaft¬
ein „literarisches Ereignis“ — aber leider nur ein literart¬
lichen Steigerungen besonders; da verfügt sie stets über eine
sches. Betrachtet man dies Dreigestirn selbst wohlwollend, so
Stimme, in der man das Herzklopfen bis zum Hals spürt; in
braucht man Schnitzlers Bild, wenn man es kennt, durchaus
solchen Momenten ist Pils bedeutend. Im „Bacchusfest“ war
nicht neue Züge zuzufügen. Insofern ist das Ergebnis dieser
das angehende, schon recht für seine Zwecke: sich gegenseitig zu
Tat des Darmstädter Hoftheaters etwas schmächtig. Selbst wenn
quälen vorbereitete „Ehepaar“ Schneider =Gothe unver¬
man dieses Dichters Weise kennt bis in die subtilsten techni¬
wüstlich; schade, daß aus ihm nichts wurde: der „Schwank“
schen Einzelheiten hinein: Es ist ganz der konziliante, jede
schwenkt, wie die Heldin, zur „Literatur“ besser zur Rührselig¬
Schärfe vermeidende Plauderton (etwa der „Anatoliaden“)
keit, zurück. Rud. Weisker ist ein so feiner Techniker, daß
einerseits gewahrt, andererseits sein privilegiertes Liebäugeln
er seinen Mangel an Gemüt, das die Rolle des „Theaterdirek¬
mit „Tiefe“ (etwa des „Weiten Landes“ oder des „Bernhardi“),
tors“ (ganz im bewährten Muster der „Mar“=Rollen des
aber natürlich hier wieder im dramaturgischen Extrakt von
„Anatol=Zyklus) in der Großen Szene“ unbedingt trägt, in
drei bis vier handelnden Seelen. Das übliche Problem
kluger Zurückhaltung verbarg, die ihm alle Sympathien ein¬
solcher Personenanzahl ist nicht schwer zu erraten. Doch fragt
brachte, obwohl ihm zur Entfaltung drastischerer Komik so
man sich: was sollen die (im Grunde simplen) Herzensirrun¬
wenig Gelegenheit geboten war. Käthe Meißner als Künst¬
gen — so tüftelnd fein und routiniert sie aufgesetzt sein mögen
lergattin, die doch eine Ethik der Entsagung positivst durch¬
gegenwärtig? Doch man soll einfach den guten alten
setzt, war vielleicht etwas zu jugendlich=schmachtend;
Schnitzler „erleben“; mehr verlangt der Dichter selbst ge¬
ich stelle mir darin mehr Fraulichkeit vor. Doch ist dies Auf¬
wiß nicht. Man merkts zu deutlich; drum soll ihm das Wort
fassungssache. Kurt Ehrle ergänzte episodisch geschickt, un¬
unbenommen sein. Denn es ist ja immerhin (man kennts ja!)
aufdringlich, wie seine Rolle aufgefaßt sein muß, mit dem
die Gebärde der Kurzweiligkeit in seinem Dialog, und jene
überwundenen männlichen Rächer seiner Ehre die Reihe der
Pfychologie, die einen Abend lang „unterhält“. „Komödie“
Hauptspieler, die in der gutgegliederten Regie Hans Bau¬
der Worte ist der schlagfertige Titel für diese wieder echt Schnitz¬
meisters alle an ihrem Platze waren; höchstens der Eckold
lersche Art. Dabei ist — was beinahe verwirrt — im ersten
könnte auch, entgegen dem Wunsche des Autors: einer ein¬
Stück ein fast an Strindberg gemahnendes tragisches Problem
heitlichen Besetzung der drei männlichen Hauptfiguren,
aufgerollt, das eigentlich psychologisch ganz in die Nähe der
Westermann oder gar Ehrle liegen. Die Szenenbilder, nicht ab¬
„Gefährtin“ rückt, darin Schnitzler vieraktig seinerzeit ausein¬
sichtsvoll, fanden im dritten Bild erst ganz ihre Bestimnung.
andersetzte, was diese neue einaktige „Komödie“ der Worte
technisch mit dem bekannten klugen Blick für „Bühne“ getroffen
C. I.
Darmstadt, 12. Oktober
hat: das Mißverstehen des eigenen Herzens, das immer im
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26.1. Kon Wie der Worte zyklus
anderen die Schuld sucht und sieht. So wird geradezu
Eckolds Frau die Schuldige an ihrem Gatten, weil sie ihre
Liebesbestimmung einem anderen gegenüber erdrosseln mußte.
So lebt sie die „zehn Jahre“ unbewußt treu neben dem
argwohnzerquälten Herz des Gatten her, der nun explosiv in
einer „Stunde des Erkennens“ verurteilt — ob mit oder
ohne Grund, ist völlig gleichgültig. „Zehn Jahre“ früher
war da nur ein einfaches, reinliches Rechenexempel zu lösen. ..
Die überraschende Wendung nach dunklerer (wie gesagt Strind¬
amea echen
bergscher) Tönung des konventionellen Problems hin nahm
das Publikum, trotz aufopfernder Mühewaltung von Regie
und Darstellung, nur mit bedingtem Entgegenkommen auf,
sicherlich aber auch deshalb, weil es physisch nicht imstande ge¬
wesen sein mochte, das Geringste des — doch wichtigen Schnitz¬
Sroßherzogliches Softheater
lerschen Dialogs zu verstehen. Ich selbst, der ich das Buch schon
kannte, hatte die größte Mühe, der verbalen Darbietung zu
Uraufführung:
folgen. Da ist eine gründliche Retouche zum Besten des Autors
vonnöten. Manches mag auch auf Rechnung einer stimmlichen
Schnitzlers „Komödie der Worte“
Indisposition des Hauptdarstellers zu setzen sein: Bruno
Von den Uraufführungen, die in dieser Spielzeit am Hof¬
Harprecht nahm sich im übrigen mit viel Geschick und
theater dichter fallen werden als im ersten Kriegswinter —
Wandlungsfähigkeit zunächst des „Dr. Eckold“ an, der beson¬
Weingartner bringt seine „Dame Kobold“ Otto Neitzel aus
ders durch die Gelassenheit und Müdigkeit der Bewegungen
Köln seinen „Richter von Kaschau“ hier heraus, vergangenen
und des Tonfalls angenehm auffiel. Er spielte ferner den be¬
Winter gabs gar nichts, sieht man von ein paar Musikwerken
langlosen (sentimentalen) „Schriftsteller“ im Bacchusfest, aber
ab: Großherzog Ernst Ludwigs „Stimmungen“ für Klavier
erst in der „großen Szene“ des genialen Hofschauspielers Her¬
und Weingartners „Ouverture aus ernster Zeit“ bleibenden
bot war er ganz in seinem Element: chevaleresk oder gemüt¬
Angedenkens! — von den Uraufführungen hatte die der drei
lich, ausgelassen oder versonnen, schlagfertig oder verschmitzt —
Schnitzlerschen Einakter heute das erste Wort, die
ganz immer, wie's die Rolle heischt. In den sonst mehr epi¬
„Stunde des Erkennens“ „Das Bacchusfest“ und
sodischen Rollen gaben Johannes Heinz viel schöne Emp¬
die „Große Szene“, die gleichzeitig noch in Wien und in
findungswärme (als Gegenspieler „Ormin“ im ersten Stück);
Frankfurt heute das Rampenlicht erblicken sollen. Es ist wohl
Charlotte Pils als „Klara Eckold“ fesselte in den leidenschaft¬
ein „literarisches Ereignis“ — aber leider nur ein literart¬
lichen Steigerungen besonders; da verfügt sie stets über eine
sches. Betrachtet man dies Dreigestirn selbst wohlwollend, so
Stimme, in der man das Herzklopfen bis zum Hals spürt; in
braucht man Schnitzlers Bild, wenn man es kennt, durchaus
solchen Momenten ist Pils bedeutend. Im „Bacchusfest“ war
nicht neue Züge zuzufügen. Insofern ist das Ergebnis dieser
das angehende, schon recht für seine Zwecke: sich gegenseitig zu
Tat des Darmstädter Hoftheaters etwas schmächtig. Selbst wenn
quälen vorbereitete „Ehepaar“ Schneider =Gothe unver¬
man dieses Dichters Weise kennt bis in die subtilsten techni¬
wüstlich; schade, daß aus ihm nichts wurde: der „Schwank“
schen Einzelheiten hinein: Es ist ganz der konziliante, jede
schwenkt, wie die Heldin, zur „Literatur“ besser zur Rührselig¬
Schärfe vermeidende Plauderton (etwa der „Anatoliaden“)
keit, zurück. Rud. Weisker ist ein so feiner Techniker, daß
einerseits gewahrt, andererseits sein privilegiertes Liebäugeln
er seinen Mangel an Gemüt, das die Rolle des „Theaterdirek¬
mit „Tiefe“ (etwa des „Weiten Landes“ oder des „Bernhardi“),
tors“ (ganz im bewährten Muster der „Mar“=Rollen des
aber natürlich hier wieder im dramaturgischen Extrakt von
„Anatol=Zyklus) in der Großen Szene“ unbedingt trägt, in
drei bis vier handelnden Seelen. Das übliche Problem
kluger Zurückhaltung verbarg, die ihm alle Sympathien ein¬
solcher Personenanzahl ist nicht schwer zu erraten. Doch fragt
brachte, obwohl ihm zur Entfaltung drastischerer Komik so
man sich: was sollen die (im Grunde simplen) Herzensirrun¬
wenig Gelegenheit geboten war. Käthe Meißner als Künst¬
gen — so tüftelnd fein und routiniert sie aufgesetzt sein mögen
lergattin, die doch eine Ethik der Entsagung positivst durch¬
gegenwärtig? Doch man soll einfach den guten alten
setzt, war vielleicht etwas zu jugendlich=schmachtend;
Schnitzler „erleben“; mehr verlangt der Dichter selbst ge¬
ich stelle mir darin mehr Fraulichkeit vor. Doch ist dies Auf¬
wiß nicht. Man merkts zu deutlich; drum soll ihm das Wort
fassungssache. Kurt Ehrle ergänzte episodisch geschickt, un¬
unbenommen sein. Denn es ist ja immerhin (man kennts ja!)
aufdringlich, wie seine Rolle aufgefaßt sein muß, mit dem
die Gebärde der Kurzweiligkeit in seinem Dialog, und jene
überwundenen männlichen Rächer seiner Ehre die Reihe der
Pfychologie, die einen Abend lang „unterhält“. „Komödie“
Hauptspieler, die in der gutgegliederten Regie Hans Bau¬
der Worte ist der schlagfertige Titel für diese wieder echt Schnitz¬
meisters alle an ihrem Platze waren; höchstens der Eckold
lersche Art. Dabei ist — was beinahe verwirrt — im ersten
könnte auch, entgegen dem Wunsche des Autors: einer ein¬
Stück ein fast an Strindberg gemahnendes tragisches Problem
heitlichen Besetzung der drei männlichen Hauptfiguren,
aufgerollt, das eigentlich psychologisch ganz in die Nähe der
Westermann oder gar Ehrle liegen. Die Szenenbilder, nicht ab¬
„Gefährtin“ rückt, darin Schnitzler vieraktig seinerzeit ausein¬
sichtsvoll, fanden im dritten Bild erst ganz ihre Bestimnung.
andersetzte, was diese neue einaktige „Komödie“ der Worte
technisch mit dem bekannten klugen Blick für „Bühne“ getroffen
C. I.
Darmstadt, 12. Oktober
hat: das Mißverstehen des eigenen Herzens, das immer im