II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 347

Eheglücks weniger als eine Geliebte. Weshalb er#
sie jetzt fortjagt? Er glaubt nämlich, Ormin sei der
Glückliche gewesen, ahnt nicht, wer es tatsächlich
gewesen. Sie bekennt sich aus Trotz und Schmerz
zu dem Ehebruch, der gar nicht gewesen, und geht
in den Tod. Das zweite Stück: Große Szene,
—aildort die Ehe eines großen Schauspielers. Kon¬
rad Herbst hat in der Sommerfrische die Braut
eines Freundes verführt, das konnte ihm seine
Frau nicht verzeihen, sie, die den Werbungen
eines Verehrers keine Folge gibt; dennoch kommt
sie zurück. Er kann sie auch künftig betrügen, aber
nur nicht lügen. Da kommt der Bräutigam, will
Aufklärung, ob Konrad der Geliebte des Mädchens
war oder nicht. Der Schauspieler sagt weder nein
noch ja, überzeugt ihn aber durch eine kunstvoll von
dem Mädchen und ihm für alle Fälle — in einem
Briefe — vorbereitete Lüge von ihrer Unschuld, in¬
dem er eine förmliche Theaterszene von seiner ver¬
geblichen Werbung vordeklamiert. Er spielt die
Rolle so natürlich, daß er selbst die Lügen stellen¬
weise glaubt. Seine Frau freilich hat kein Ver¬
ständnis für derlei; Konrad, der eben ins Theater
ging, den Hamlet zu spielen, kommt kostümiert zu¬
rück und gewinnt die Frau wieder, die sich willen¬
los dem Zauber seiner Persönlichkeit hingeben muß.
Das dritte Stück ist: Das Bacchusfest (nicht.
wie der Theaterzettel schrieb: „Das Bachusfest").
Während der Dichter Felix Steuchner im Gebirge
an einem Theaterstück dieses Titels schreibt — er
rührt von einem alten griechischen Brauch her, daß
einmal im Jahre Mann und Weib sich dem Taumel
der Sinneslust hingeben dürfen und dann einander
vergessen müssen — und dabei flirtet, hat seine
Gattin ein Verhältnis mit dem unbedeutenden Dr.
Wernig angefangen. Sie erwarten den Mann am
Bahnhof in Salzburg und wollen ihm sagen, daß
die Frau von ihm weggeht. Steuchnerl äßt den
Jüngling gar nicht zu Morte und zum Geständnis
dessen kommen, was er auf den eisten Blick sieht,
und beyält dadurch sein Weib, das weiterhin seine
Gefährtin bleiben wird. Als er allein mit ihr ist.
ruft er ihr freilich zu: „Ich hasse Dich“, worauf sie
mit dem Ausruf: „Ich Dich noch mehr“ in seine
Arme fällt. Also in allen drei Stücken mehr inner¬
liches Geschehen, als äußere Handlung, dabei pracht¬
volle Menschenzeichnung, gütige Menschlichkeit, in
einem anmutigen, durch feine Ironie und unauf¬
dringlichen Witz erheiterten Dialog. Der erste Ein¬
akter zwar stellenweise lang, doch nie langweilig,
der zweite ist der beste. Im Mittelpunkt jedes Stük¬
kes stand Wilhelm Heim, jedesmal der vollendete
Ausdruck des dargestellten Charakters: am besten
als Konrad Herbst, mit selbstgefälliger Leichtigkeit
des eitlen Komödianten, des lieben Kerls, der sich
seiner Lumperei gar nicht bewußt ist; glänzend aber
auch als tückisch=rachsüchtiger, fast gemeiner Dr.
Eckold, und als energisch=kluger Steuchner. Der
Künstler hat für einen Abend eine seltene Wand¬
lungsfähigkeit bewiesen. Alma Sorel wuchs als
Klara Eckold zu schlichter Größe an ihrer Rolle em¬
por. Ella Swoboda gab die Sophie Herbst brav,
ohne jedoch den vom Dichter gewollten Gegensatz
zu ihrem Mann: Einfachheit und Güte, restlos dar¬
zustellen. Maria Jagla etwas zu farblos, wenn
auch Agnes Steuchner nur als hübsche, dumme
Gans gedacht ist; im zweiten Stück spielte sie eine
angehende Schauspielerin ziemlich lebenswahr.
Paul Hoppe zeichnete den Ormin diskret und her¬
zensgut. Eduard Gebhard war im zweiten Stück
als betrogener Bräutigam der arme, gute Junge,
im dritten als schüchterner Liebhaber am Platze.
Eine köstliche Rolle in der „Großen Szene“ einen
geschäftigen, von Sprüchen überquellenden, dabei
materiell=praktischen Theaterdirektor gab Leopold
Brandt, der auch für ein flottes Zusammenspiel
sorgte. Der Besuch des Theaters war gut, bis auf:
Lücken in den oberen Rängen. Man klatschte leb¬
R.
haft.
Giehont,
ODEZ 16
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Stadttheater.
Momödie der Worte“. Drei Einakter von

1
uch in unserem Schau¬
piglhaus nen Stücke jenen Erfolg,
der ihnen überall zuteil wurde: Das erste
„Stunde des Erkennens“ und letzte „Bacchusfest“.
freundliche Würdigung, das zweite „Große Szene“
lauten Beifall. Dieses ist eben ein echtes Theater¬
stück, reich an wirksamem Humor. Auf den In¬
halt der Einakzer kann leider nicht eingegangen
werden. Die von Leopold Braudt gelettete .
Aufführung perriet mit Ausnahme im „Baachus¬
seß“ Frische und Geschlossenheit. Hier erschien
das Kommen und Gehen der Fahrgäste viel zu
statistenmäßig. Wer dem Loben in einem Bahn¬
hofe einmal zugesehzen hat, findet das paarweise
Aufmarschieren wie von Institutenzöglingen
lächerlich. Es hätte im kleinen ein viel beweg¬
teres Bild geschaffen werden sollen. So entstand
eine surchtbare Leere, in der auch Eduard Geh¬
hard als Dr. Wernig und Maria Jagla als
Agnes lgum hervortraten. Die Stimme des
Bahnhosportiers (Leo Weiß) mußte fast geister¬
haft erllingen. Größere Wirkung errang die
„Stunde des Erkennens“, da Paul Hoppe den
Prof. Ornim, Alma Sorel Erkolds Gattin
Klara ausgezeichnet spielte. Die „Große Szene“
ließ vor allem Ella Swoboda als Sophie,
Eduarb Gebhard als Edgar Gley und ganz
besonders Leopold Brandt als Theaterdirektor
Fali hervortreten. Die führende Hauptrolle in
irdem der dret Einatter gab Wilhelm Heim. Er
zeigte sich wieder als denkenden und tieffühlenden
Schauspieler, der über eine außergewöhnliche Ge¬
staltungskraft bekügt. Er schuf Leben in än¬
dig neuer eigenart, einen scharfen Wechse, in
Sprache und Bewegungen, so daß sich der Ersolge
des Abends zum größten Teil an seinen Nam '
knüpfte.
Dr. P. N.;