II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 386

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26.1. Mabedie der Vorte— Zyklus
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ADOLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN SO. 16, RUNGESTR 22-24.
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Der.Deutsche
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ihm, für immer — aber da liegt er vor ihr auf den
Knien, flehend, bettelnd; nur wenn sie da sei, könne er heute
Arthur Schnitzler: Komodie der Worte
abend den Hamlet spielen. Und sie vergibt ihm, dem großen
Kammerspiele des Deutschen Theaters
Kinde, dem unverantwortlichen Jungen, dem Opfer seines
Berufs.... Es fragt sich nur, ob dies Bild des Schau¬
Drei Einakter, drei Rollen, wie geschaffen für Albert
spielertums wirklich noch seine Heimat im Reiche der Kunst,
Bassermann, und nach neunjähriger Pause dankbar wieder
also doch einem menschlichen Höhenreich, hat, wie Schnitzler
begrüßt als eine kleine Musterkarte seiner auch vom Film¬
meint, oder ob es dem verstaubten und verkommenen Komö¬
und Gastspielteufel nicht zerstörten Fähigkeiten: seiner In¬
diantentum angehört, einer Zeit, wo man Genie mit Erbärm¬
telligenz, seiner Erfindungskraft, seines Temperaments, seiner
lichkeit und Unreife zu verwechseln geneigt war. Auf dem
Beweglichkeit und seiner im besten Sinne des Wortes — hand¬
Theater freilich macht gerade dieses Stück das Glück des
werklichen Fertigkeiten. Es ist ja jammerschade für unsere
Abends, und Bassermann als der große Konrad Herbot, dem
Schauspielknst, aß dies immer neu sich verjüngende Talent,
die andern nur die Stichworte bringen, hat wirklich seine
an dem Handette es jungen Nachwuchses sich bilden könnten,
„große Szene“, ist bei allem routinierten Theaterschmiß von
nur noch s seltes bei uns eintehrt; es ist noch bedauerlicher
einer hinreißenden, zuweilen geradezu rührenden Jungen¬
für ihn Klbst, daß ihm die Zucht eines festen und starken
haftigkeit voller Laune, Liebenswürdigkeit und Feuer.

Ensembles fehlt, aus dem seine glänzenden Gaben sich den
„Das Bacchusfest“; nur so ein Füllsel, eine Zugabe.
letzten und feinsten Schliff, die höchste Vollendung und Läute¬
Ein nach sechswöchiger Abwesenheit aus der Sommerfrische
rung holen könnten. Dem Gast auf Weile muß man freilich
heimkehrender, geistig und körperlich gleich überlegener Schrift¬
wohl erlauben, daß er sich seine Virtuosenrollen selbst, ohne
steller holt sich mit ein paar bald kalten, bald heißen Hieben
viel Rücksicht auf seine Umgebung, auswählt.
siegesgewisser Dialektik seine Frau — ein rechtes Gänschen
Schnitzler, kein tiefer Dichter und Deuter des Menschen¬
übrigens — aus der sommerlichen Dummen=Jungen=Zärtlich¬
schicksals, wie wir jetzt wissen, aber ein äußerst kultivierter
keit eines Sportsmannes heim, und schickt ihn selbst mit der
Jongleur mit all den Dingen, die danach aussehen, bietet
antiken Anekdote von dem Bacchusfest, das jungen, liebe¬
diesem Alleskönner wie kein anderer das Rhodus, auf dem er
bedürftigen Leutchen wohl ein einmaliges freies Beieinander
springen kann. Da ist zuerst das mit Ibsenscher Technik in ein
gewährte, für das zweite Mal aber ihnen nur die Wahl
knappes Stündchen zusammengepreßte Ehedrama. Gatte und
zwischen Tod oder ewiger Vereinigung vergönnte, per Eilzug
Gattin, in langem, scheinbar glücklichem Ehebunde vereinigt,
nach Paris.... Hier haben Worte einmal das drohende
aber längst ihrer Liebe entfremdet, glauben, nach der Ver¬
Gewitter vertrieben und die Situation gerettet. Dafür aber
heiratung ihrer einzigen Tochter, endlich vor der „Stunde
und das ist der besondere Fluch dieses auch durch Basser¬
des Erkennens“ und dem Augenblick der Abrechnung zu
manns Fechtergewandtheit nicht zu rettenden Stückes, wie es
stehen; aber nun erst recht müssen sie erleben, daß Worte die
das Verhängnis der ganzen Dreiheit ist —
bleiben es auch
Wahrheit töten und Schweigen grausamer strafen kann, als
wirklich nur Worte. Die Blitze der Tat schlummern hinter den
Reden — eine seelische Künstelei, die nur der meisterhaft ge¬
Wolken, und wenn man nach Hause geht, fühlt man nur
führte Dialog Schnitzlers mit dem Flaum einer flüchtigen
wenig von der Erfrischung, die man sich gerade jetzt von so
Lebensechtheit zu überkleiden vermag, die nur Bassermann,
einem Komödienabend verspricht. Denn die Dinge und Men¬
ein Anatom der Anatomie, in seinem Musterbild ehrverbohrter
schen alle sind ja gar nicht aus dem Leben entsprungen,
Kleinseeligkeit für kurze Weile glaubhaft zu machen weiß.
sondern vom Witz gezeugt und aus der Einbildung geboren.
Dann „Die große Szene“: ein Schauspielerstück. Ein
Wer will mit den Kindern solcher Eltern rechten?
F. D.
berühmter, von aller Welt verwöhnter Mime, der eben feierlich
W
allen Lügenkram abgeschworen hat, und dem zum Lohn dafür
seine Frau zurückgekehrt ist, läßt sich schon im nächsten Augen¬
blick so von den alten eitlen Lockungen seines Handwerks hin¬
reißen, daß er einem braven Kerl, dem er die Braut verführt
hat, eine seinen eifersüchtigen Argwohn einlullende Komödie
vorspielt, ein wahres Teufelswerk von Verstellung mit ge¬
fälschtem Brief und abgefeimter Mischung aus Wahrem und
Falschem. Seine Frau, die aus dem Nebenzimer alles mit an¬
gehört hat, ist entsetzt, empört, angeekelt von diesem Menschen,
dem Liebe, Betrug, Mord in der Wirklichkeit nicht schwerer
wiegen, als wenn sie in seinen Rollen stünden. Sie will von