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26.1. Kongedie der Norteyklus
Ausschnitt aus: Peutsche Tageszeitung. Be
15061.1915
vom:
Komödie der Worte. Zu den Großen unseres neuzeitlichen
Schrifttums gehört, wie man allerorten liest, Herr Arthur
[Schnitzler. Dieser berühmte Zeitgenosse dichtet natürlich auch
wahren des Krieges weiter, und spornstreichs führen natürlich die
von den heiligen Schauern des großen Jahres geschüttelten
deutschen Theater seine Offenbarungen auf. Eine ganze Reihe
von hervorragenden Bühnen des Reiches hat bereits ihrer Ehren¬
pflicht genügt; Berlin folgt nächstens. Hören wir nun, wie nach
dem Urteile eines in dieser Beziehung wirklich ganz unparteiischen,
höchst modern gesinnten Blattes Herr Arthur Schnitzler seine
Dichteraufgabe im Jahre 1915 auffaßt, und was für Probleme
Ausschnitt aus:
dies gewaltige Hirn wälzt. Ueber seine Einakterfolge „Komödie
lnOKT 1915 Die Wage, Wien
der Worte“ schreibt die „Frankfurter Zeitung“:
vom:
„Es gibt Dinge, die man tut, aber über die man nicht spricht.
Das gilt auch für die Bühne. Was aus der Tat geboren ist, darf
grausig, darf brutal sein, aber als Inhalt einer Ueberlegung, als
kühl ausgerechnetes, nicht gelebtes Experiment wirkt es unerträg¬
lich. Das wurde Schnitzler, der die „Komödie der Worte“ schreiben
Notizen.
wollte, zur Tragödie. Wenigstens in dem ersten und künstlerisch
16. Oktober.
ernsthaftesten (I) der drei Einakter dieses Namens. Er wollte
Wiener Theater.
die Unzulänglichkeit des Redens und falschen Schweigens beweisen,
Gluck, Weber, Marschner, Lortzing fehlen im Spielplan der Hofoper,
und fand für den Beweis nur — Worte. Ein Ehepaar im etwa
aber Direktor Gregor greift in diesem Jahre nach einem verblaßten, unserem
20. Jahre seiner Ehe, ein scheidender Freund, dem die stille,
Geschmacke bereits entfremdeten italienischen Werke, Donizettis: „Liebestrank“,
das man überhaupt nur aufführen soll, wenn man es entweder von Italienern
tugendhafte Frau beim Abschiednehmen eröffnet, daß die
darstellen lassen kann, die den nationalen Geist und die ursprünglichen Reize
Ergebnislosigkeit des Werbens um sie einen Grund
des harmlosen Spieles rein und restlos zur Erscheinung bringen oder wenn
darin hatte, daß sie ihn siebte und darum nicht ihm, sondern
man wenigstens einen Darsteller hat, der gerade im „Liebestrank“ seine volle
(o sonderbare Frauen!) einem dritten angehören mußte;
Persönlichkeit entfaltet; denn nur dann ist theatermäßige Wirkung zu erzielen.
daran anschließend Auseinandersetzung der Ehegatten, bei der der
Statt dessen hat sich das Publikum diesmal höchlich gelangweilt und einer
männliche Teil eröffnet, daß er seit 10 Jahren um die
einzigen kleinen Szene, in der Fräulein Jovanovié mit dem Frauenchor ganz
Untreue der besseren Häifte weiß (natürlich mit dem
vortrefflich waren, warmen Beifall gespendet. Im ührigen nermacht##s
Falschen! O sonderbare Männer!) und auf die für den jetzigen
Termin (Verheiratung der Tochter) im geheimen längst festgesetzte
schöne Gesang des Herrn Piccaver (der so schläfrig und täppisch spielt, wie
Trennung bringt. Begreifliches Entsetzen der Frau über die plan¬
nur möglich), die tadellose Gesamtleistung der Frau Kiurina (die jedoch über den
Phrnc. n
mäßige Lüge und tiefe Erniedrigung dieser sogenannten Gemein¬
Begriff des „Tadellosen“ wenig unmittelbaren Einorum macht), die redliche
Mühe des Herrn Haydter (der gar keinen Humor hat) und die provinzmäßige
schaft (siehe Ibsens übertünchte Gräber und feelische Frauenmorde).
Unbedeutendheit des Herrn Rittmann schon deshalb nicht zünden, weil die allzu
Er triumphiert über die Demütigung der Frau, genießt die Nache
„deutsche“ gründliche und pedantische Leitung dieser uritalienischen Oper durch
des in seiner Männchen=Ehre Gekränkten. Sie gesteht ihm nun¬
den Dirigenten, Herrn Tittel, sich wie ein Bleigewicht an die Schwingen der
mehr, um sich zu revanchieren, nicht die richtige Untreue,
Darsteller und an die vergnügte Empfänglichkeit der Zuhörer hängte. Bei dieser
sondern die, die er irrtümlicherweise von ihr annimmt (angenehm
steifen Rhytmik, dieser Trockenheit des Melos mußten freilich aller Witz und
für den armen unschuldigen Freund! Noch angenehmer für den
alle Empfindsamkeit, die noch in den schwächsten Teilen des Werkes wohnen,
eigentlich Schuldigen!). Der Gatte bläst, nachdem er seinen
zum Teufel gehen. Wie ist es übrigens zu verstehen, daß Mottl die Partitur
Triumph in der Tasche hat. leise zum Rückzug, sie aber, an¬
nach Angabe des Theaterzettls — „für den Bühnengebrauch“ revidiert und
gewidert, verläßt den Ort und begibt sich — weiter fort. Eine¬
eingerichtet haben soll? Ein Bühnenwerk kann man für den Konzertgebrauch
einrichten, für den Bühnengebrauch ist es — auch ohne Einrichtung — von
ungemein komplizierte Angelegenheit.“
Anfang da. Doch wir wollen das seltsame Wort gelten lassen, wünschen uns
Zu billig wäre es, den Gegensatz „wischen den deutschen
aber einen Wundertäter, der den Bühnenleiter Gregor endlich einmal für den
Männern im Felde und „ihrem“ Dichter daheim auszumalen,
Bühnengebrauch einrichtet. Vielleicht treibt ihm dieser Zauberer auch die Vor¬
KN
liebe für Kinostücke gründlich aus. Die erste Novität: „Mona Lisa“ über
zwischen der Gedankenwelt eines unsere Zeit wirklich Mit¬
deren Erstaufführung an anderer Stelle ausführlich berichtet wird, verdient voll¬
erlebenden und eines in Dumasvorstellungen Versteinerten,
auf diese Bezeichnung. Auch über die erste Neuheit dieses Spieljahres am
Burgtheater, überSc## „Komödie der Worte“ berichtet die vorliegende
zwischen wahrhaft fortschrittlich, zukunftsfroh gesinnten Deutschen
Nummer eingehend.
und diesem Rückständigen aus Wien, der nichts versteht, als im
8
übelriechenden Sumpf unwahrscheinlicher, auch innerlich unwahre
haftiger Ehebruchsphe tasien herumzurühren. Es genügt, seine
Ideenwelt in freundlicher Spiegelung wiederzugeben. „Der Zus
—
kunft Kündiger sind die Poeten, was küngest du uns, Sänge:
Schnitzeler?“
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26.1. Kongedie der Norteyklus
Ausschnitt aus: Peutsche Tageszeitung. Be
15061.1915
vom:
Komödie der Worte. Zu den Großen unseres neuzeitlichen
Schrifttums gehört, wie man allerorten liest, Herr Arthur
[Schnitzler. Dieser berühmte Zeitgenosse dichtet natürlich auch
wahren des Krieges weiter, und spornstreichs führen natürlich die
von den heiligen Schauern des großen Jahres geschüttelten
deutschen Theater seine Offenbarungen auf. Eine ganze Reihe
von hervorragenden Bühnen des Reiches hat bereits ihrer Ehren¬
pflicht genügt; Berlin folgt nächstens. Hören wir nun, wie nach
dem Urteile eines in dieser Beziehung wirklich ganz unparteiischen,
höchst modern gesinnten Blattes Herr Arthur Schnitzler seine
Dichteraufgabe im Jahre 1915 auffaßt, und was für Probleme
Ausschnitt aus:
dies gewaltige Hirn wälzt. Ueber seine Einakterfolge „Komödie
lnOKT 1915 Die Wage, Wien
der Worte“ schreibt die „Frankfurter Zeitung“:
vom:
„Es gibt Dinge, die man tut, aber über die man nicht spricht.
Das gilt auch für die Bühne. Was aus der Tat geboren ist, darf
grausig, darf brutal sein, aber als Inhalt einer Ueberlegung, als
kühl ausgerechnetes, nicht gelebtes Experiment wirkt es unerträg¬
lich. Das wurde Schnitzler, der die „Komödie der Worte“ schreiben
Notizen.
wollte, zur Tragödie. Wenigstens in dem ersten und künstlerisch
16. Oktober.
ernsthaftesten (I) der drei Einakter dieses Namens. Er wollte
Wiener Theater.
die Unzulänglichkeit des Redens und falschen Schweigens beweisen,
Gluck, Weber, Marschner, Lortzing fehlen im Spielplan der Hofoper,
und fand für den Beweis nur — Worte. Ein Ehepaar im etwa
aber Direktor Gregor greift in diesem Jahre nach einem verblaßten, unserem
20. Jahre seiner Ehe, ein scheidender Freund, dem die stille,
Geschmacke bereits entfremdeten italienischen Werke, Donizettis: „Liebestrank“,
das man überhaupt nur aufführen soll, wenn man es entweder von Italienern
tugendhafte Frau beim Abschiednehmen eröffnet, daß die
darstellen lassen kann, die den nationalen Geist und die ursprünglichen Reize
Ergebnislosigkeit des Werbens um sie einen Grund
des harmlosen Spieles rein und restlos zur Erscheinung bringen oder wenn
darin hatte, daß sie ihn siebte und darum nicht ihm, sondern
man wenigstens einen Darsteller hat, der gerade im „Liebestrank“ seine volle
(o sonderbare Frauen!) einem dritten angehören mußte;
Persönlichkeit entfaltet; denn nur dann ist theatermäßige Wirkung zu erzielen.
daran anschließend Auseinandersetzung der Ehegatten, bei der der
Statt dessen hat sich das Publikum diesmal höchlich gelangweilt und einer
männliche Teil eröffnet, daß er seit 10 Jahren um die
einzigen kleinen Szene, in der Fräulein Jovanovié mit dem Frauenchor ganz
Untreue der besseren Häifte weiß (natürlich mit dem
vortrefflich waren, warmen Beifall gespendet. Im ührigen nermacht##s
Falschen! O sonderbare Männer!) und auf die für den jetzigen
Termin (Verheiratung der Tochter) im geheimen längst festgesetzte
schöne Gesang des Herrn Piccaver (der so schläfrig und täppisch spielt, wie
Trennung bringt. Begreifliches Entsetzen der Frau über die plan¬
nur möglich), die tadellose Gesamtleistung der Frau Kiurina (die jedoch über den
Phrnc. n
mäßige Lüge und tiefe Erniedrigung dieser sogenannten Gemein¬
Begriff des „Tadellosen“ wenig unmittelbaren Einorum macht), die redliche
Mühe des Herrn Haydter (der gar keinen Humor hat) und die provinzmäßige
schaft (siehe Ibsens übertünchte Gräber und feelische Frauenmorde).
Unbedeutendheit des Herrn Rittmann schon deshalb nicht zünden, weil die allzu
Er triumphiert über die Demütigung der Frau, genießt die Nache
„deutsche“ gründliche und pedantische Leitung dieser uritalienischen Oper durch
des in seiner Männchen=Ehre Gekränkten. Sie gesteht ihm nun¬
den Dirigenten, Herrn Tittel, sich wie ein Bleigewicht an die Schwingen der
mehr, um sich zu revanchieren, nicht die richtige Untreue,
Darsteller und an die vergnügte Empfänglichkeit der Zuhörer hängte. Bei dieser
sondern die, die er irrtümlicherweise von ihr annimmt (angenehm
steifen Rhytmik, dieser Trockenheit des Melos mußten freilich aller Witz und
für den armen unschuldigen Freund! Noch angenehmer für den
alle Empfindsamkeit, die noch in den schwächsten Teilen des Werkes wohnen,
eigentlich Schuldigen!). Der Gatte bläst, nachdem er seinen
zum Teufel gehen. Wie ist es übrigens zu verstehen, daß Mottl die Partitur
Triumph in der Tasche hat. leise zum Rückzug, sie aber, an¬
nach Angabe des Theaterzettls — „für den Bühnengebrauch“ revidiert und
gewidert, verläßt den Ort und begibt sich — weiter fort. Eine¬
eingerichtet haben soll? Ein Bühnenwerk kann man für den Konzertgebrauch
einrichten, für den Bühnengebrauch ist es — auch ohne Einrichtung — von
ungemein komplizierte Angelegenheit.“
Anfang da. Doch wir wollen das seltsame Wort gelten lassen, wünschen uns
Zu billig wäre es, den Gegensatz „wischen den deutschen
aber einen Wundertäter, der den Bühnenleiter Gregor endlich einmal für den
Männern im Felde und „ihrem“ Dichter daheim auszumalen,
Bühnengebrauch einrichtet. Vielleicht treibt ihm dieser Zauberer auch die Vor¬
KN
liebe für Kinostücke gründlich aus. Die erste Novität: „Mona Lisa“ über
zwischen der Gedankenwelt eines unsere Zeit wirklich Mit¬
deren Erstaufführung an anderer Stelle ausführlich berichtet wird, verdient voll¬
erlebenden und eines in Dumasvorstellungen Versteinerten,
auf diese Bezeichnung. Auch über die erste Neuheit dieses Spieljahres am
Burgtheater, überSc## „Komödie der Worte“ berichtet die vorliegende
zwischen wahrhaft fortschrittlich, zukunftsfroh gesinnten Deutschen
Nummer eingehend.
und diesem Rückständigen aus Wien, der nichts versteht, als im
8
übelriechenden Sumpf unwahrscheinlicher, auch innerlich unwahre
haftiger Ehebruchsphe tasien herumzurühren. Es genügt, seine
Ideenwelt in freundlicher Spiegelung wiederzugeben. „Der Zus
—
kunft Kündiger sind die Poeten, was küngest du uns, Sänge:
Schnitzeler?“