II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 6

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25. ProfesseEnhardi

Ausschnitt aus: PESTEP UIOVD
vom:

“ Schuitzler—Peeiellor Bernhardi“
(Tlegramm des „Pester Lloyd“.)
Berlin, 28. November.
Im Kleinen Theater spielte man heute zum ersten
Male die neue Komödie von Arthur Schnitzler „Pro¬
fessor Bernhardi“, deren Aufführung in Wien be¬
kanntlich von der Zensur verhindert wurde. Der spezifisch
österreichische Konflikt, der den Grund hiezu bot, verliert im
protestantischen Berlin allerdings viel von seiner Wichtigkeit
und seiner Wirkung. Er besteht darin, daß Professor Bern¬
hardi, der Direktor eines großen Krankenhauses, dem Priester,
der einer Sterbenden die letzte Oelung spenden will, den Zu¬
kritt zum Krankenbelt verwehrt, und zwar im Namen der
Menschlichkeit, da erst der Anblick des Geistlichen die Kranke
über ihren Zustand aufklären würde. Nun ist Bernhardi aber
Jude und das Stück spielt zur Zeit des christlichsozialen Re¬
imes in Wien. Der Fall wird politisch ausgebeutet und
Pernhardi wegen Religionsstörung verurteilt.
Doch abgesehen von dieser Tendenz, interessiert das Stück
sowohl durch Geist und Feinheit des Dialogs, durch meisterliche
Szenenführung und am meisten durch die prachtvoll echte
Charakterisierung des Wiener Aerztemilieus, die überall erkennen
läßt, daß Schnitzler nicht nur Arzt ist, sondern sich auch als Arzt
fühlt. Auch an ungemein witzigen Worten und Situationen, die
das österreichische Beamtentum, seine lässige Gemütlichkeit auch
in tiefernsten Dingen treffen, fehlt es nicht und sie wurden
vollauf verstanden und herzlich belacht, wie denn dey Aben)
überhaupt zu einem lebhaften Erfolg wurde. Der Dichter erschien
über ein Dutzendmal.
E. 0
box 30/
Ausehnit aus: Kahiner Pansenig Aoghriesten

Theater und Musik.
(Siche auch 2. Beilage.)
Kleines Cheater.
Zum ersten Male:„Professor Bernhardi“
Komödie in fünf( Akten von Arthur Schnitzler. Regie:
Victor Barrowski.
Das war nicht der alte Schnitzler. Nicht der Scler,
der mit lässiger Grazie über die Zierwege des Lebens tändelt,
der von süßen Mädeln, vom Lachen und Liebeln singt. Das
war der Fünfzigjährige, der den Blick auf große Probleme
richtet, der aus der schmetterlingsfrohen Mädchenwelt in die
ernsten Reiche der männlichen Kämpfe tritt. Ein alternder
Schnitzler. Ein philosophischer Schnitzler.
Und ein ge¬
schwätziger Schnitzler. Von der hohen Warte stieg
der Dichter nieder auf die Zinnen der Partei. Er wurde
Wortführer einer Idee, wurde Politiker. Mit kühner Hand
griff er hinein in jenes Wiener Leben, in dem die Klerikalen,
die Liberalen und die Deutschnationalen ihre Ziele geräusch¬
voll verfechten. Die Pestbeulen des Parteihaders suchte er zu
heilen. Er hat ja einmal Medizin studiert. Und darum zog
er die Gegensätze in die Krankenstube. Ein Heer von Pro¬
fessoren und Assistenten läßt er aufmarschieren und in fünf
reichbemessenen Akten wirre Fäden der Hinterlist, der
Streberei, der Eigensucht und der Verleumdung ziehen. Fünf
Akte lang wird debattiert und konferiert und nicht ein einziges
Wiener Mädel sorgt für Abwechslung. Fünfzehn Männer und
kein Mädchen! Man denke! Krankenhaus und Gotteshaus
werden gegenübergestellt. Professor Bernhardi, der Direktor
des Krankenhauses, wehrt dem Geistlichen den Zutritt zu einer
sterbenden Kranken. Die Sterbende weiß nicht, daß ihr der
Tod so nahe ist. Sie ist heiter und guter Dinge und voll
froher Lebenszuversicht. Der Arzt mag ihr den schönen Wahn
der letzten Stunde nicht rauben. Er will nicht zugeben, daß
der Priester mit den Sterbesakramenten der Aermsten die rauhe
Wahrheit vor Augen führt. Er hindert den Gottesdiener, die
Schwelle zu übertreten. Daraus ergeben sich die Konflikte des
Stuckes. Weil der Direktor jüdisch ist, wird die Angelegen¬
heit zu einer großen politischen Affäre aufgebauscht.
Die Klerikalen interpellieren im Parlament. Der Minister,
ein Jugend= und Duzfreund des Professors Bernhardi, bricht
sein Freundeswort und tritt auf die Seite der Gegner. Der
Professor muß sein Doktoramt niederlegen und auf zwei
Monate ins Gefängnis wandern. Im vierten Akt reicht der
katholische Geistliche dem jüdischen Arzt die Versöhnungs¬
hand und im fünften Akt widerruft die Kronzeugin ihre Aus¬
sage. Der Verurteilte wird zum Märtyrer seines Glaubens
und seiner Ueberzeugung gestempelt. Er ist die Unschuld, er
ist der Held!
Man merkte die Absicht und man war verstimmt. Man suchte
vergebens den witzigen Philosophen, der so leicht über die
Dinge hinwegzugleuen weiß. Aus der schweren und breit¬
ausgesponnenen. Fulle der Gedanken und Probleme schimmerte
der Witz nur dürftig heraus. Es war ein alternder Schnitzler.
Wir mochten ihn lieber wieder bei den füßen Mädchen sehen.
Wenn die Längen des Stückes erträglich gemacht und der
Dichter laut vor die Rampe gerufen wurde, so hat er das
hauptsächlich Herrn Direktor Barnowski und seiner tüchtigen
Künstlerschar zu danken. Eine Direktoriumssitzung, wie sieh
im dritten Akt gespielt wurde, wird man köstlicher auf keiners
andern Bühne wiedergeben lönnen. Die hauptsächlichsten
Träger des Erfolges waren die Herren Decarli, Klein¬
Rohden, Herzfeld, Abel und Adalbert. J. L.