II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 346

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25. Profsor Bernhar


sich wohl überhaupt garnicht auf der Bühne, sondern allzu scharfe, neu bereichert, das heißt noch herber,
ein Mensch, der an dem Aberglauben eigener großer
in seinen Novellen geben. Der Bernhardi“ ist sogar
Bestimmung leidet und ihr gern ein Einzelschicksal
pessimistischer gemacht. "
gewissermaßen ein Tendenzstück und noch dazu
oder eine Ueberzeugung obfert. Rolf Ziegler ver¬
höchstwahrscheinlich einem versönlichen Erlebnis sei¬
Den Einzelheiten dieses dramatischen Werkes
tritt diese Stütze des States in der Maske korrek¬
rst¬
ines Verfassers der selbst Arzt und Jude ist, nach¬
zu folgen, verbinde ich damit am besten gleichzeitig
ten Selbstbewußtseins, das nur in unbewachten
ng.
geschrieben. Aber der Bernhardi“ ist das Letzte an
Augenblicken romantisch entgleist. Auch ein unglück¬
die Besprechung der Aufführung selbst.
typiierter Charakterzeichnung. Und außerdem be¬
licher Bezirksarzt, der, leider etwas überflüssig ten¬
Der erste Akt brachte den Zusammenstoß zwischen
be¬
handelt er ein Problem, — weniger allgemeinwich¬
Arzt und Priester in einem schmalen Raum des
denziös von Schnitzler gezeichnet, auftaucht, ist an¬
tig als so anregend aufgestellt, daß es in jeder Men¬
Krankenhauses, kühl und klar gegeben, ganz das Par¬
gemessen vertreten und zwar durch Hans Marc.
schenseele, in jedem Menschenverstand eine Folge von
füm der traurigen Atmosphäre atmend.
Julius
Der dritte Akt bringt eine packend aufgebaute, un¬
Arnfeld hatte als Professor Bernhardi die Maske
durch sich selbst fruchtbaren Gedanken auslösen muß.
gemein interessante Sitzungsszene, in der sich Bern¬
Schnitzlers angedeutet. Seine Darstellung stand auf
Professor Bernhardi, der Leiter des Elisabeth¬
hardis Ausscheiden aus seinem Amte als erste schwe¬
das
der Höhe seiner besten Leistungen. Die bewußte
Krankenhauses, ein fast berühmter Arzt, dabei Jude
rere Folge ergibt. Hier wirken die schon genannten
und
Ruhe eines großen Menschen gab, vereint mit mar¬
im „christlichen“ Staat, hat eine Patientin, die nur
medizinischen Kräfte alle ganz einzigartig zusammen,
ner
kanten Andeutungen der Eigenheiten des bedeutenden
noch wenige Minuten leben kann und doch von die¬
und neu tritt noch hinzu ein Urgermane, der sich als
bckte
Mediziners, eine imponierende Persönlichkeit. Den
sem Schicksal nichts ahnt. Der Priester kommt, um
wahrer Mensch leidenschaftlich auf die Seite des an¬
son
Geistlichen verkörperte Herr Falke. Von dieser
der Sterbenden die letzte Oelung zu erleilen. Der
gegriffenen Kollegen stellt. Albert Ullrich gibt
teln
Kraft des Deutschen Theaters dürfen wir viel er¬
Arzt aber weiß, daß die Exscheinung des von der
mit dieser Figur eine prächtige, lebenswarme Ge¬
doch
warten. Die glänzende Erscheinung des Schauspie¬
Kirche Gesandten schon genugen wird, um seine
stalt, als sei die Rolle für ihn geschrieben. Die
ino¬
lers hatte sich für diesmal in das ernste Gewand
Schutzbefohlene auf's Furchtbarste zu erschrecken,
Regiekunst Arnfelds aber hat mit der Szene
ihr den seligen Frieden ihrer letzten Minute zu rau¬
des Dieners der Kirche gefügt. Das weiche, offen¬
etwas unbestreitbar Elunzendes geleistet. Die Be¬
echt
bar sehr modulationsfähige Organ verhielt kunstvoll
ben. So hält er kraft seiner Befugnis als Arzt den
obachtung der aufgeregten Herren, die immer wieder
ttem
eine starke innerliche Glut. In dem ganzen Men¬
Priester zurück und das Mädchen stirbt, nach dem
aus dem statutenmäßigen. Gange der Sitzung heraus¬
Da¬
schen gab sich ein schöner, liebenswerter Fanatismus,
Dogma ihrer Kirche schwer am Wichtigsten geschädigt.
brechen, die teils feindlich gegen einander operieren,
dessen Schwäche, die ja seine größte Kraft bedeutet,
Der Konflikt liegt klar, und wer der Tat des Pro¬
teils in mannhafter Freundschaft für einander strei¬
man ehren muß. Neben diesen beiden Gestalten be¬
fessor Bernhardi auf Schritt und Tritt aus ihren in¬
ten, bedeutet einen Höhepunkt des Genusses.
etzte
nersten Bewegarfinden heraus folgte, zweifelt keinen
gann sich bereits jetzt auf der Bühne eine ganze
Mit dem Beginn des vierten Aktes ist der Prozeß
Reihe origineller Medizinercharaktere zu scharen.
Augenblick, dieser wahren, starken Menschen volles
bereits erledigt. Das Urteil ist gefallen. Bernhardi
Da ist der Streber mit den parlamentarischen Ver¬
Recht zu seinem Perstoß gegen einen von ihm nicht
will von Berufung nichts wissen. Einen Journalisten
5
bindungen, gegeben durch Hugo Klafft mit Deut¬
Trotzdem liegt
geglaubten Glauben zuzugestehen.
wenig bestechender Sorte weist er von sich, wobei
gra¬
ebenso klar auf der Hand, daß der Geistliche eine Re¬
lichkeit und doch künstlerischer Zurückhaltung. Da
Max Caro wieder Gelegenheit zu einem feinen,
Le¬
kommt schiefen Hauptes mit der Brille auf der Nasen¬
ligionsstörung empfinden muß und daß ihm alle
menschlichen Zug erhalt. Dann begibt sich das
ürdi¬
spitze der Nervenarzt Cyprian hereingefegt von Max
Menschen seiner Anschauung, zumal sie den eigent¬
Außerordentliche, daß der Geistliche selbst Bernhardi
lität
Kronert köstlich charakterisiert. Max Caro der
lichen Vorgang nur aus der Ferne berichtet erhalten,
aufsucht, um in einem psychologisch das Tiefste an¬
fern
schon nach dem kurzem Hiersein offenbare Beliebtheit
darin folgen werden. Mischt sich noch Antisemitis¬
rührenden Dialog endlich dem Feind über den Ab¬
und
mus hinein und kommen die spezifisch wienerischen
genießt, stellt einen Dr. Löwenstein, Dozent für Kin¬
grund der Anschauungsverschiedenheiten hinweg die
ollte
Verhältnisse dazu die Schnitzler schildert (und die
derkrankheiten hin, dessen bieder betontes Judentum
Hand zu reichen.
G
Gelegenheit zu freundlichsten Scherzen gibt, daneben
übrigens einige Zeit zurückliegen), dann ist die wü¬
Zum guten Ende, zum Ausgleich der Stimmun¬
ante,
Hans
aber eine tiefe, echte Menschlichkeit verrät.
tende Hetze gegen den überzeugungstreuen Arzt ge¬
ende
gen, zum schwebenden Verhallen aller Töne führt der
geben, und Professor Bernbardi würde auf dem
[Conradi, ein junger, recht beachtenswerter Dar¬
an¬
steller, gibt den Dr. Adler, einen offenen, ehrlichen letzte Akt. Ein richtiger Weaner Hofrat läßt das
Scheiterhaufen enden, wenn diese Strafart nicht
Auditorium zu herzlichstem Lachen kommen. Josef
Feind der darum leicht zum Freunde werden kann.
doch schon aufgegeben wäre. Bernhardi bekommt nur
[Reithofer scheint sich in der Seele solcher Figuren
ment
Den Sohn Bernhardis zeigt Hans Ritterskamp,
zwei Monate Gefängnis und auch diese eigentlich
auszukennen. Für diese ganz weibliche Persönlich¬
Frau¬
eine sehr jugendliche Kraft von liebenswürdigste—
nur, weil in dem ihm gemachten Prozeß die günsti¬
keit des alten Wien gibt es nur das Wort: „herzig.
läßt
scheinung und schon jetzt vornehm verständigem Spi..
gen Zeugen ihre Aussagen vorsichtig zurückhalten,
So ein lieber Anarchist mit dem Hofratstitel! „Her¬
Einen ganz üblen Schleicher und Opportunitätsm n¬
andere die ihrige belastend übertreiben, so daß —
zig“ ist denn auch Reithofers Verkörperung.
iren!
schen macht Alfred Krüger aus seinem Kandida# m.
nach den Erfahrungen alter Juristen nichts Seltenes
schaus
der tatsächliche Vorgang völlig entstellt wird.
Dies so etwa die Erscheinungen des ersten Akes
Der Abschluß der Vorstellung dürfte noch eine
gen!
Professor Bernhardi hat dem allen gegenüber nur
denen als einzige Dame Maria Marnoff als
kleine Pointisierung erhalten. Schnitzler will wohl
pötter
einen Wunsch: den nach Ruhe und neuer, menschen¬
Krankenschwester hübsch und fein assistiert.
ein unauffälliges Verschweben mit soviel Fragezei¬
Der zweite Akt bringt in deduktiver Entwicktlung
ersten heilender Arbeit. Er steht über der ganzen Angele¬
chen, als sich jeder im Puhlikum wünscht. Aber er
istigt, genheit. Er verbietet sogar jedes Rechtsmittel, ob¬
will kein unvorbereitetes Abbrechen. Im Ganzen
der dramatischen Konstruktion die nächsten Folge der
titzelt
Tat Bernhardis. Die Hetze gegen ihn setzt an. Neue
wohl nachträglich der Hauptbelastungszeuge reuig
bedeutet die Aufführung eine hochkünstlerische,
honie.
umfällt. Das üble Erlebnis wird den Menschen und
Erscheinungen mischen sich ins Spiel. So ein #yzan¬
gediegene Arbeit aller beteiligten Kräfte und die
Bern¬
Arzt Bernhardi um keines Haares Breite von dem
Komödie selbst das Stärkste einer interessanten Un¬
tinernder Frauenarzt, dessen glänzende Figur Bruno
alter
Wege seiner Ueberzeugungen abgebracht haben. Viel=[Reichardt lebensecht vorführt, und
terhaltung, an der eigentlich niemand vorübergehen
ungen leicht hat es nur seine Menschenkenntnis, die schon Studienfreund Bernhardis, jetzt Unterrichtsminister, kann.
Hans Schmidt=Kestner.