II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 598

25. Professer Bernhandi
Hamburgischer Correspondent
20 Juni 1925
Altonaer Stadttheater.
Man spielte den „Doktor Bernhatdi“ von Arthur
Schnitzler vor Jahren im Schauspielhaus. Gestern brachten
Intendant Fischer und Spielleiter Hans Lotz das Stück
heraus. Der Stoff ist aktueller denn je, und so macht die Auf¬
führung eigentlich immer Freude. Wenn nicht die ermüdende
Länge der fünf Akte und der possenhafte Schluß wären! Da
bleibt das Gefühl haften, als hätte der Autor keinen abschlu߬
reifen Einfall gehabt. Schade, daß dem Routinier Schnitzler
nichts weiter einfiel, als diese harmlose Lösung, die eigentlich
gar keine ist.
Curt Gerdes ist zu lyrisch sanft und deshalb zu wenig
überlegen in der Rolle des um seiner Ueberzeugung willen
leidenden Titelhelden. Aus dem übrigen seien besonders er¬
wähnt die Herren Zistig, Sattler, Bobrik, Lindegg,
Fuchs, Schild und Geißler. Sie drangen wie Felix
Hauser als liberaler Pfarrer tief in die ihnen zugewiesenen
Rollen und halfen mancher. Ensembleszene durch geschlössenes
Spiel zum Erfolg. Wilhelm Walter gab einen exzellenten
Minister und Hanns Fischer einen espritreichen Hofrat.
Das Publikum schien vier Akte lang nicht ermüdet, nur
k.
zuletzt verdutzt. Der Beifall galt allen.
Hamburger Nachrichten
20. Juni 1925
Theater und Musik
Mg. Altonaer Stadttheater. Schnitzlers Komödie
oder Tragödie, oder wie man es nennen will, Pro¬
fessor Bernhardi, ist gestern abend mit Erfolg
in Altona über die Bretter gegangen, trotz aller
Gefahren, die im Stoff und im Aufbau des Stückes
liegen. Mehr als einem Dutzend Typen, darunter
zwölf Medizinern, galt es die unentbehrlichen indi¬
viduellen Züge zu geben. Eine andere echt Schnitz¬
lerische Gefahr drohte in den endlosen Debatten und
Erörterungen, die jede Handlung überwuchern. Es
gelang der Regie und dem hingebenden Spiel der
Darsteller, eine abgeschlossene, einheitliche Leistung
zu vollbringen, an der alle Kräfte Teil hatten. Mit
noch einigen Kürzungen hätte Hanns Lotz der Vor¬
stellung und dem Publikum einen Gefallen getan.
Wie schon gesagt, zeichnete sich die Vorstellung durch
wohldurchdachtes und abgestimmtes Zusammenspiel
aus. Es wären an Einzelleistungen noch besonders
hervorzuheben: Kurt Gerdes als Professor Bern¬
hardi (in der Maske Schnitzlers) erfreute durch die
vornehme Zurückhaltung seines Spiels; Ernst
Sattler bot in der Rolle des Professors Pflug¬
felder Hervorragendes. Die einzige Frauenrolle,
Ludmilla, die Krankenschwester, war bei Rita
Parsen in guten Händen. Das gut besetzte Haus
nahm den mancher Auffassung nicht besanders zu¬
sagenden Fall Bernhardi mit großem Beifall auf.
Hamburger Echo
24 Juni 1925
Altonaer Stadttheater: Professor Bernhardi.
Die Neueinstudierung von Schnitzlers „Professor Bernh#rde
die das Altonaer Stadttheater mit viel Fleiß vorgenommen hat,
zeigt den Willen der Theaterleitung, ein gutes literarisches Pro¬
gramm durchzuhalten. Für diesmal scheint es uns indes fraa¬
lich, ob dies gar zu sehr in der Vorkriegszeit wurzelnde Stuck
Schnitzlers eine Auferstehung verdient hat. Das Thema vem
moralischen Heldentum, das sich in einer torrupten Gesellschaft
hoffnungslos aufreibt, ist kennzeichnend für eine Zeit, die als
Waffe des Protestes nichts anderes als das Theaterstück kannte.
Der von den Alionaern zur Auferstehung gebrachte Schnuler
wirkt daher etwas grau und staubig, wenn auch nicht vertaumt
werden soll, daß für einen großen Teil der Theaterbesuchen die
hier vorgebrachten Lehren ganz nützlich sind. Die Aufführung
war von seiten des Regisseurs und der Schauspieler fleißen
arbeitet, wenn auch nicht gerade auf einer großstädtischen Hohe.
Wir verzichten auf eine eingehende Besprechung der Eizel
leistungen und ziehen es vor, den gulen Willen der Theunn¬
leitung und des Ensembles noch einmal anzuertennen. Ee me
zugegeben werden, daß das Stadttheater Altong alle un¬
strengungen macht, sich in die Reihe der bemerkenswerten*
Hamuraer Bühnen Eineingnarheiten.
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Hamburger Fremdenblen
2 2. Juli 1925
Thealer, Kunft und Wissenschaft.
Altonaer Stadt=Theater. Von Schnitz¬
lers „Professor Bernhardi“ braucht
man heute kaum noch etwas zu sagen, und
von der jetzt in Altona gebotenen Auf¬
führung unter der Spielleitung von Hanns
Lotz läßt sich nicht übermäßig viel Erfreuliches
berichten. Der Spielführer hat offenbar über¬
sehen, daß es sich bei diesem Stück um eine
Komödie, wenn man will, um eine Tragikomö¬
die handelt. Seine Aufführung nimmt die
ganzen Dinge um erhebliche Grade zu schwer,
macht aus dieser „Tragikomödie des Eigen¬
sinns“ ein Schauspiel schweren Kalibers und
handelt dabei gegen den Dichter, gegen Stil
und Idee des Stückes. Die Tempogebung lei¬
det an ganz erheblichen Hemmungen. Kein
Wunder, daß unter solcher Regie Curt Ger¬
des als Träger der Titelrolle durchaus nicht
den Bernhardi zu schaffen vermag, den Schnitz¬
ler gemeint hat. Aeußerlich stellt dieser Bern¬
hardi sich dar als ein teutonischer Geheimrat,
der sich in pathetischer Würde und einem etwas
reichlich salbadernden Ton gefällt. (Kurz: „Ich
war gekommen, einen Menschen zu suchen und
habe keinen gefunden".) Die Leistung des
Herrn Gerdes ist, alles in allem genommen,
sauber und fleißig, was ihr vor allem fehlt, ist
die menschliche Reife (Gerdes scheint reichlich
jung für die Rolle), die bewegliche Geistigkeit,
die Ironie — und der Humor dieses pracht¬
vollen Menschen. Von den vielen, vielen ande¬
ren Darstellern kann man, sollen Großstadt¬
ansprüche gelten, nur Hanns Fischer (ein
ausgezeichneter Hofrat), Ernst Sattler,
Bobrik Hans Schildt und
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Gallinger nennen. In ihnen lebte Schnitz¬
ler, lebte der Esprit einer seiner besten Komö¬
dien. Für die Altonaer Bühne ein rühmliches
Zeichen, daß sie sich um die Revue= und Ope¬
rettenjahreszeit an so ernsthafte Dinge' heran¬
W.L.
wagt!