II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 875

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25. Prof. Bernhandi
Geniales Schaffen wie das Arno
Gestalten und Begebenheiten zu bilden.
Holzens steht natürlich jenseits sol¬
Nur einige sehr liebenswerte Auftritte
cher Allgemeinbetrachtung. Seine neun¬
reinen Fühlens heben sich aus dem un¬
stündige Tragödie „Ignorabimus“ will
organischen Spiel mit verrenkt zusam¬
mit eigenem Maße gemessen werden.
mengesetzten Wirklichkeitteilen leuchtend
Technisch eine Spätgeburt des „Natu¬
und beglückend heraus. Wiener und
ralismus“ mit einigen Rückbildungen in
österreichische Luft weht in Arthur
der Sprache, ist sie innerlich ein Werk
Schnitzlers Komödie „Professor Bern¬
von tiefst leidenschaftlichem Feuer; sie
härdt die das eigentlich recht ernste
stellt den früher mehr als heute aktu¬
Schauspiel des stillen Kulturkampfes zwi¬
ellen Kampf zwischen materialistischem
schen Klerus und Wissenschaft, offizieller
und spiritualistischem Denken, vertreten
Intransigenz und privater Fortschritt¬
durch nahe Verwandte, in äußerster Hef¬
lichkeit glänzend veranschaulicht. Die
tigkeit und Ausschließlichkeit dar. In
zarte aber sichere Charakterzeichnung —
den geistigen Kampf, dessen Mittelpunkt
Arztetypen, Priester und Gelehrte tre¬
eine spiritistische Sitzung ist, wirkt aber
ten auf — ebenso wie die überlegene
grauenhafte Familientragik tief und er¬
und erschöpfende Abhandlung des Zeit¬
schütternd hinein, welche unermeßliche
themas künden den Meister, dessen Werk
Kräfte des Willens und Gemüts an¬
nicht allein flüchtig lächelnd betrachtet,
schaubar macht und der gewaltigen Span¬
sondern ernst bedacht sein will. Schalom
nung des Ganzen eine lange nachzit¬
Asch, der russisch=jüdische Dichter tritt
ternde Erregung beimischt. — Ganz herb
zum vierten Male mit einem Drama
realistisch gezeichnet ist Carl Haupt¬
aus dem polnischen Judenleben hervor.
manns leidenschaftliches schlesisches
Und dieser „Bund der Schwachen“ ist
Bauernstück „Die lange Jule“, das im¬
wiederum nicht nur ein sehr anschau¬
pressionistisch und zugleich mit einem be¬
liches Milieu= und Charakterbild, son¬
lebenden Tiefblick gesehene eigenwillige
dern mit seinem leisen Humor, einer
und eigensinnige, hartköpfige Typen¬
stillen Traurigkeit und der feinen, ech¬
gestalten enthält; der langwierige, mit
ten Menschlichkeit des Ganzen eine wirk¬
allen Mitteln geführte Kampf der kraft¬
liche Dichtung, mag sie auch für die
vollen, wilden Bauerntochter um ihr
Bühne zu zart angelegt sein. Der Wiener
Heimathaus und Erbe endet mit einem
Lyriker Anton Wildgans überrascht
Sieg, aber im Augenblick des Sieges
dagegen mit einem wirkungsicher ge¬
brennt der schwer errungene Besitz ab.
bauten „Gerichtsstück“, das recht typische
Dieser etwas theatralische Schluß be¬
Gegensätze zwischen dem pathologisch gie¬
endet indessen wirklich ein Stück Lebens¬
rigen Untersuchungsrichter und mannig¬
gestaltung von Kraft und Wahrhaftig¬
fachen Verbrechertum zu einem inner¬
keit. Daß auch Herbert Eulenbergs
lich stark bewegten Akt ausgestaltet.
romantische Dichterseele einmal auf das
Klassizistisch gibt sich Alfons Pa¬
Zeitstück verfallen würde, war eigentlich
quets Drama „Limo, der große be¬
kaum zu erwarten. Das so entstandene
ständige Diener“, das im Thema an
Schauspiel „Zeitwende“ bietet nun aller¬
Grillparzers Bancban, in der Durch¬
dings kein Bild der Zeit, sondern ist
führung (Strophen, Antistrophen, Chor¬
eigentlich ein (an sich willkommener)
fugen!) etwa an die Braut von Mes¬
Protest des Künstlerischen, Freien, Sorg¬
sina, in der Szenbildung an chinesische
losen gegen Hetze, Geschäftigkeit und Ge¬
Volkssagen und =vorstellungen erinnert
schäftlichkeit unserer Tage. Wie wahr¬
und doch im Ganzen ein eignes, von
haft fremd aber Eulenbergs nicht eben
edlem Pathos und dichterisch kräftigem
kräftige Natur unserer Wirklichkeit ist,
Ringen zeugendes Werk geworden ist.
fühlt man stärker als je aus diesem ver¬
Reich und fein scheint uns Ulr.
geblichen Versuch, mögliche, „realistische“
Steindorffs „Panthea“, die manch¬
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