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25. Brofessoernhandi
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Patientin. Der Vertreter der Kirche erhebt nun gegen den Arzt
den Vorwurf, daß durch dessen Schuld „das arme Geschöpf als
Sünderin und ohne die Tröstungen der Religion dahingegangen
sei". Bernhardi erklärt, die Schuld auf sich zu nehmen. Der Pfarrer:
„Es wird sich noch erweisen, Herr Professor, ob Sie das imstande
sein werden. Er entfernt sich, „die anderen bleiben bewegt und
in einiger Verlegenheit zurück“.
Die Ereignisse nehmen nun ihren raschen, fast überstürzten
Verlauf. Die Nachricht von dem Konflikt am Sterbebette, durch
gehässige Zungen entstellt, ist sehr bald in die Offentlichkeit
gedrungen. Das Verhalten Bernhardis wird selbst von einzelnen
Glaubensgenossen verurteilt. Mehrere seiner Kollegen, besonders
sein Rivale und heftiger Gegner, der Vizedirektor Ebenwald,
nehmen gegen ihn Stellung. Die Fürstin Stixenstein legt ihr
Protektorat über einen Ball, der eben zugunsten des Elisabethinums
stattfinden soll, nieder, das Kuratorium droht zu demissionieren.
Ja, sogar eine Interpellation der klerikalen Partei im Abgeordneten¬
hause wird angekündigt. Da entschließt sich Bernhardi auf den
Rat eines wohlmeinenden Kollegen, zumal er „wirklich gar keine
Lust hat, den Helden um jeden Preis zu spielen“, die seinem
geliebten Institute drohende Gefahr durch eine öffentliche Er¬
klärung zu beschwören, daß es ihm „ferne lag, irgend welche
religiöse Gefühle zu verletzen“. Während er aber noch die Er¬
klärung konzipiert, erhält er den Besuch Ebenwalds. Dieser, dessen
Vetter der Führer der Klerikalen ist, stellt ihm die Zurückziehung
der Interpellation in Aussicht, falls er bei der bevorstehenden
Besetzung einer Stelle im Elisabethinum für einen minder ge¬
eigneten, aber den Klerikalen sympathischen Bewerber stimmen
wollte. Entrüstet weist er ein solches „Geschäft“ zurück und zer¬
reißt in seinem Zorne auch den Entwurf der beabsichtigten Er¬
klärung. Da wird ihm zu seiner höchsten Überraschung der Minister
Flint gemeldet. Ilint, ein sehr fähiger, aber ebenso ehrgeiziger Mann,
ohne eine andere politische Überzeugung, als die ihm durch die
jeweilige parlamentarische Konstellation aufgezwungen wird, möchte
mit seiner Ministerschaft eine großzügige Reform des Universität¬
wesens verknüpfen. Sein ganzes Streben, wie früher, darauf
gerichtet, zur Macht zu gelangen, geht nun darnach, an der Macht
zu bleiben. Die bevorstehende Interpellation droht ihm gefährlich
zu werden und er möchte sie zunächst auf alle Weise verhindern.
Als er aber von dem Bernhardi angebotenen Tauschhandel erfährt,
spürt er sofort, mit der Witterung des Politikers, die sich ihm
eröffnende Gelegenheit eines großen parlamentarischen Erfolges,
und er bitlet Bernhardi, ihm die ganze Angelegenheit schriftlich
darzulegen. Nun wünscht er seibst die Interpellation herbei, denn
mit diesem Brief im Portefeuille ist er sicher, sie niederschlagen
zu können. Aber es kommt anders, als er, und ganz anders, als
Bernhardi es erwartete. Die Erregung der Klerikalen, die Gleich¬
gültigkeit der Freiheitlichen im Parlament lassen ihm plötzlich
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25. Brofessoernhandi
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Patientin. Der Vertreter der Kirche erhebt nun gegen den Arzt
den Vorwurf, daß durch dessen Schuld „das arme Geschöpf als
Sünderin und ohne die Tröstungen der Religion dahingegangen
sei". Bernhardi erklärt, die Schuld auf sich zu nehmen. Der Pfarrer:
„Es wird sich noch erweisen, Herr Professor, ob Sie das imstande
sein werden. Er entfernt sich, „die anderen bleiben bewegt und
in einiger Verlegenheit zurück“.
Die Ereignisse nehmen nun ihren raschen, fast überstürzten
Verlauf. Die Nachricht von dem Konflikt am Sterbebette, durch
gehässige Zungen entstellt, ist sehr bald in die Offentlichkeit
gedrungen. Das Verhalten Bernhardis wird selbst von einzelnen
Glaubensgenossen verurteilt. Mehrere seiner Kollegen, besonders
sein Rivale und heftiger Gegner, der Vizedirektor Ebenwald,
nehmen gegen ihn Stellung. Die Fürstin Stixenstein legt ihr
Protektorat über einen Ball, der eben zugunsten des Elisabethinums
stattfinden soll, nieder, das Kuratorium droht zu demissionieren.
Ja, sogar eine Interpellation der klerikalen Partei im Abgeordneten¬
hause wird angekündigt. Da entschließt sich Bernhardi auf den
Rat eines wohlmeinenden Kollegen, zumal er „wirklich gar keine
Lust hat, den Helden um jeden Preis zu spielen“, die seinem
geliebten Institute drohende Gefahr durch eine öffentliche Er¬
klärung zu beschwören, daß es ihm „ferne lag, irgend welche
religiöse Gefühle zu verletzen“. Während er aber noch die Er¬
klärung konzipiert, erhält er den Besuch Ebenwalds. Dieser, dessen
Vetter der Führer der Klerikalen ist, stellt ihm die Zurückziehung
der Interpellation in Aussicht, falls er bei der bevorstehenden
Besetzung einer Stelle im Elisabethinum für einen minder ge¬
eigneten, aber den Klerikalen sympathischen Bewerber stimmen
wollte. Entrüstet weist er ein solches „Geschäft“ zurück und zer¬
reißt in seinem Zorne auch den Entwurf der beabsichtigten Er¬
klärung. Da wird ihm zu seiner höchsten Überraschung der Minister
Flint gemeldet. Ilint, ein sehr fähiger, aber ebenso ehrgeiziger Mann,
ohne eine andere politische Überzeugung, als die ihm durch die
jeweilige parlamentarische Konstellation aufgezwungen wird, möchte
mit seiner Ministerschaft eine großzügige Reform des Universität¬
wesens verknüpfen. Sein ganzes Streben, wie früher, darauf
gerichtet, zur Macht zu gelangen, geht nun darnach, an der Macht
zu bleiben. Die bevorstehende Interpellation droht ihm gefährlich
zu werden und er möchte sie zunächst auf alle Weise verhindern.
Als er aber von dem Bernhardi angebotenen Tauschhandel erfährt,
spürt er sofort, mit der Witterung des Politikers, die sich ihm
eröffnende Gelegenheit eines großen parlamentarischen Erfolges,
und er bitlet Bernhardi, ihm die ganze Angelegenheit schriftlich
darzulegen. Nun wünscht er seibst die Interpellation herbei, denn
mit diesem Brief im Portefeuille ist er sicher, sie niederschlagen
zu können. Aber es kommt anders, als er, und ganz anders, als
Bernhardi es erwartete. Die Erregung der Klerikalen, die Gleich¬
gültigkeit der Freiheitlichen im Parlament lassen ihm plötzlich