II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 51

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24 basLand
(Quallenangabe ohne Gewühr.)
ERI AND. WIEN
usschnitt aus:
om1 5 OKT. 1911
1
Theater und Kunst.
Burgtheater. Die lange erwartete Novität
Schnitlexá wurde bei ihrer gestrigen Erstaufführung
mit—größem Beifall ausgenommen. =Das weite
Lande greift aus den Formen der modernen Lebens¬
anschauung ein Lieblingsthema des Dichters heraus und
behandelt es mit virtuoser Dialektik. Die Hauptrollen ge¬
hörten den Damen Marberg und Hofteufel und
Herrn Korff. Herrn Derient ist eine schöne Episode
zu verdanken.
F. Zw.
Berg, Porcito.
(Gsellenesgabe sc derdlr.
Ausschnitt aus:
Malt
1
15 0119
vom:
der Karten2
Burgtheater. Artur Schnitzlers neues
Theaterstück, das gestern mit allen Anzeichen eines großen,
wohlverdienten Erfolges in Szene ging, heißt „Das
weite Land“ und nennt sich „Tragikomödie". Für seinen
Titel tritt das Werk des Dichters mit der metaphorischen
Behauptung ein, die Seele des Menschen sei ein weites
Land; seinen Gattungscharakter aber sucht es dadurch
zu erweisen, daß es einen angeblich tragischen Stoff
komisch vehandelt. Wenn wir Schnitzler recht verstehen,
was bei der Fülle der einander durchkreuzenden und auf¬
hebenden psychologischen Motive seine Schwierigkeiten hat,
so zielt er mit der Tragikomödie auf eine indirekte Satire:
ab, und er verfolgt seinen Zweck mit dem etwas weit¬
ausholenden und umständlichen, aber immer voll Geist
und echt drawatischer Spannkraft durchgeführten Be¬
weise, daß in dem von ihm getreu nach dem Leben dar¬
gestellten Milien ein tragischer Fall überhaupt
nicht möglich wäre. Es handelt sich um eine
bestimmte Klasse der modernen Gesellschaft, der
man heute in jeder Großstadt begegnet, um
jene falsche, von Emporkömmlingen der verschiedensten
Berufsarten gebildete Bourgeoisie, welche die geistige —
Leere des beschränkten Spießbürgers mit den laxen
Moral= und Ehrbegriffen des verlotterten Aristokraten
ausfüllen möchte und, durch materielle Erfolge übermütig
gemachl, in oer Anbetung des lieden Ich, in der Jagd¬
nach Sinnengenüssen und Zerstreuungen den Inhalt des
Lebens fühlt, erkennt und begreift. Der Sohn Oester¬
reichs verlegte den Schauplatz der Begebenheit in die
engere und weitere Heimat: nach Baden bei Wien und
in ein Dolomitenhotel, beliebte Striche des weiten Landes
mit bekannter Staffage. Seine gelinde, halb philosophische,
halb humoristische, ganz poetische und ganz wienerische
Art, mit den oft sehr komplizierten Gebilden seiner
Phantasie umzugehen, nahm auch diesmal wieder seine
Zuschauer gefangen und wurde von der meisterlichen
Regie Thimigs und der vorzüglichen Repräsentation
ddes Stückes höchst wirksam unterstützt. Im Mittelpunkt
des Interesses stand der Friedrich Hofreiter, eine Kainz¬
oder noch besser Mitterwurzerrolle, die bei Herrn Korff
san einen ungemein sympathischen Darsteller gekommen
Est. Vielleicht verdankt der zweifelhafte Held
gerade dieser nachlässigen Eleganz und bequemen
Gemütlichkeit das bißchen Mitgefühl, das man
Für den ins Flache, Unbedeutende verschlagenen grausamen
Höhenmenschen aufbrachte. Daß er unter andern
Verhältnissen zum tragischen Helden berufen gewesen wäre,
soll ja wohl das komische Geschick dieses Sommerfrischen¬
Don Juans, Rosengarjen=Roués und Automobil=Othellss
sein. Mit bewunderungswürdigem Takt zog sich Fräulein
Marberg als Getreueste aller treulosen Gattinnen aus
der Affäre; ihr Fehltritt, mit dem sie den Wünschen des
die Türme und Zinnen des weiblichen Hochlandes nehmen¬
den Gemahls entgegenkommt, sah beinahe aus wie die Er¬
füllung einer heiligen Gatten= und Mutterpflicht. Fräulein
Hofteufel warf sich dem Unwiderstehlichen mit dem
vollen Ueberschwang eines liebedurstigen Uebermädchens an
den Hals. Von den andern, in lauter dankbaren Rollen
beschäftigten Künstlern sind Frau Bleibtreu, Frau,
Reinhold, Fräulein Wilke sowie die Herren
Gerasch, Heine, Thimig, Paulsen,
Devrient, Treßler, Zeska, Balajthy,
Seydelmann, Frank mit Auszeichnung zu nennen.
Nach dem zweiten Akt löste der Dichter den diensttuenden
Regisseur Herrn Reimers ab, um dem Publikum für
den Beifall zu danken, der auch am Schlusse des Stückes
sich zu lebhaften Hervorrufen steigerte.
* L. K.
Schnitzlers neues Bühnenwerk „Das weite Land“ ist
gestern auch auf einigen auswärtigen Bühnen zur
Aufführung gelangt. Hierüber liegen uns jolgende tele¬
graphische Berichte vor:
Prag, 11. Oktober. (Privatielegramm.)
Mit Schnitzlers Tragikomödie „Das weite Land“ begann
heute Direktor Heinrich Tewele das Regime seiner
Direktion, die er bisher nur als Bevollmächtigter der
Erben Angelo Neumanns geführt hatte. Der Eröffnungs¬