II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 141

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24. Das „tenand
fördern! Sie fühli sich Mutter. „Ich bin in der Hoffnung, opfern bereit wäre. Frau Medelsky spielt das aus¬
Bruno!“ jubelt sie ihm zu, und nach einigem Wider¬
gezeichnet, alles diskret, in Halbtinten, erst zuletzt heftig
ausbrechend, und mit ihrer reifen Kunst hat sie auch diesen
streben fügt er sich und läßt diese stärkste Arznei auf sich
wirken. Sollte er auch heute oder morgen erliegen, wer
recht gewagten Schluß, wo Ruth so überlaut und phrasenhaft
ihre Mutterschaft verkündet, gerettet. Bruno wird vom Dichter
weiß, ob er nicht größer, gesünder, herrlicher in seinem
als „prachtvoller Kerl“ etikettiert und so war Herr
Sohne erstehen wird. „Hoffe, du Wunderherz, hoffe! Von
[Reimers vorbestimmt für die Rolle. Er spielt sie mit
einem reinen Weibe kann ein Messias kommen!" Mit
diesem des Psalmisten würdigen Ausruf, der im Munde
untadeliger Meisterschaft. Die Aufgabe gehört nicht zu den
leichten. Der prachtvolle Kerl ist im Grunde ein
des verbummelten Musikanten ein wenig befremdet, schließt
unappetitlicher Bursche, der sich unaufhörlich Alkohol in
die Tragikomödie. Der Schlußakkord ist fürwahr zu feierlich
die Gurgel schütten muß. So viel wurde noch in keinem
nach all der Lustigkeit und Ausgelassenheit, die an uns
Stück getrunken. Kein Akt ohne Flüssigkeit. Bier, Mosel,
vorbeigeschwirrt. Die überaus eintönige, dürftige Handlung
dann freilich, o quae
Rotspohn, Cognac, Pomery,
bringt ja durch sich selbst keinen sonderlich stürmischen
mutatio rerum, Limonade, das fließt und flutet
Rhythmus hervor, doch von außen her wird ihr mit allen
ineinemfort durcheinander, und es ist eine Freude,
verfügbaren Theatermitteln viel bunte Unruhe zugetragen.
Neben dem Hochdeutschen klingen nicht weniger als zwei
zu sehen, mit welch sicherem Geschmack der Künstler
sein Schifflein durch dieses Meer von Alkohol steuert,
bis drei Dialekte durch das Stück, es gibt Kneipszenen,
den Klippen rechts und links ausweicht, dem verkommenen
es gibt drollige Familienszenen, man hört Musik für
Boheme seine Liebenswürdigkeit, seinen überlegenen
Violine und Klavier, und mitten in den wehmutsvollen
Humor, seinen Menschenwert zu wahren weiß. Man kann
Abschied Ruths, ihren „Ehebruch“, wie sie es nennt, kommt
nicht naturlicher spielen, und dieses Spiel entlehnt nicht
gar die Parodie einer Bauernkomödie hereingepoltert,
eine Nuance von der jetzt so beliebten importierten
kriegen wir die grobschlächtigen Auseinandersetzungen
Natürlichkeit, bleibt urwüchsige Burgtheaterkunst. Fräulein
zwischen dem Pratzenbauer und der Leberfleckerltoni zum
Hofteufel als Steffi trifft sehr gut die fröhliche Ge¬
Verkosten. Auf manchen dürste dieser abgeschmackte mund¬
meinheit, die naive Herzlosigkeit dieser Person, und da
artliche Exzeß als häßlicher Farbenfleck wirken, doch eine
sie das Wiener Naschmarktidiom beherrscht, kommt das
Tragikomödie verträgt ohne Zweisel so grelle Kontraste.
unverschämt Hübsche, wie es der Dichter sich wünscht,
Unter dieser Schutzmarke kann man ja das Gegensätzlichste
drastisch zum Ausdruck. Von den vielen Episodenfiguren
vereinen, Sinn und Unsinn verschwistern und gerät über¬
dies auf bequeme Art in den Geruch profunder Lebens¬
seien wenigstens Herrn Thimigs gemütvoller Doktor
weisheit.
Siebelius und der köstliche Theateragent des Herrn
Das Stück wimmelt von episodischen Figuren, enthält
Arndt erwähnt. Auch Herrn Korff möchten wir nicht
jedoch nur wenige gründlicher ausgeführte Charaktere,
vergessen, obwohl er diesmal bloß durch Entsagung sich
darunter vor allem das seltsame Liebespaar Ruth und
auszeichnet. Er spielt einen Kellner, der kaum zehn Worte
Bruno. Ruths Wege, so modern im Anfang, münden
zu sagen hat, und huldigt so in stiller Weise der alten
bald in die alte Schule. Aus dem selbständigen Mädchen,
Haustradition, nach welcher die größten Künstler willig
das eigenhändig sein Glück schmiedet, wird eine Frau,
die kleinsten Rollen übernehmen, wenn die Gelamtwirkung
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welche den letzten Rest von Versönlichkei Direr Liebe zu dadurch gefördert wird.
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