II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 183

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schnitt aus Berliner A##emmiemeitung
15.00119
Berlin


Theater, Kunstu. Wissenschaft
„Das weite Land.
Tragikomödie in fünf Akten von Arthur
Schnitzler. Erstaufführung im Lessingtheater.
Es gibt in dieser, zwischen Rührung und
Affektiertheit, zwischen Tiefe und Banalitat un¬
ruhig daherflatternden Komödie, die fünf ge¬
dehnte Akte hat, eine Szene von starkem,
dramatischem Gefüge. Das ist, da der leiden¬
schaftliche, heißbegehrende Vierzigjährige, der
Lebemann und Ehemann, um die Liebe der
koketten, sich spröd geberdenden und doch
so gern gewährenden Zwanzigjährigen wirbt.
Darüber vergaß man das Theater, das zwin¬
gende Leben meldete sich. Zum ersten, aber
auch zum letzten Male in dem Stück, das ohne¬
Rückgrat lebt; nur auf Empfindung, Empfin¬
delei und Dialog aufgebaut ist. Die Handlung
fehlt.
Auch der neue Schnitzler, dem zu guterletzt
ein freundlicher Beifall blühte, wächst auf
Wiener Boden. Wie Watteau, der Maler der
ländlichen Feste, die tändelnde Erotik seiner
Zeit verherrlichte, so sucht Schnitzler immer
wieder, und auch diesmal „Das weite Land“
= er versteht darunter die Menschenseele mit
ihren wechselnden Stimmungen und unergründ¬
lichen Gefühlen — zu einem Bilde des Wiener¬
tums, wie es lebt und liebt, zu formen. Ich
kenne die Wiener Welt nicht, die er uns vor¬
führt, aber ich glaube, das Bild ist arg vor¬
zeichnet. —
Schnitzler gibt die große Tragikomödie des
leichtlebigen Ehemannes und der schwerblütigen
Frau, die sich schließlich, von ihrem Manne
moralisch infiziert, einen Liebhaber nimmt.
Und darüber zerbricht die so lange Jahre auf
recht erhaltene Ehe. Der junge Amoroso fällt
im Duell und der siegreiche Gatte geht in einem
psychologisch unwahren Anfall von Schloermut
über das große Wasser. Warum — niemand
weiß es;
selbst nicht, die Frau
nicht die erst stürmisch umworbene und
nun abgeschüttelte Geliebte nicht und, wahr¬
scheinlich auch Schnitzler selber nicht. Um es
knapp zu erzählen: der reiche Fabrikant Hof¬
reiter hat eine Frau, die nicht nur auf den
seltenen Namen Genia hört, sondern auch so
selten groß denkt, daß sie dem Wiener Don
Juan die Liebschaften nicht nur verzeiht, son¬
dern sogar die Revanche mit gleicher Waffe
verschmäht. Trotzdem Herr Korsato, der sie ge¬
liebt und für den sie etwas empfunden hat,
ihretwegen aus dem Leben geschieden ist. Aber
schließlich, während der Gatte im Hochgebirge
einen neuen Flirt beginnt, erfüllt sich auch ihr
Los: sie ergibt sich den Werbungen eines
jungen Burschen. Mildernder Umstand aller¬
dings: zweierlei Tuch; der Jüngling ist Marine¬
fähnrich.
Und nun geschieht das ungeheuerliche: der
Mann, der ahne die Gemütsruhe darüber zu
bettreten, den Fähnrich zu nächtlicher Stundelen
das Schlafzimmer seiner Fra uhat steigen sehen,
fordert den Aermsten, im jähen Wechsel der
aune, zum Duell, und knallt ihn nieder. Warum
& das für — er, dem feinte Fräu gleschgültig und
ihr Ehebruch verzeihlich erscheint? Schnitzler
west auf den Titel: „Das weite Land“, aber der
Titel, so gut er ist, kittet keine psychologischen
Sprünge, die unreparierbar sind.
Die Darstellung tat alles, um die brüchigen
Stellen der Komödie zu verdecken. Dem be¬
seelten Spiel der Irene Triesch gelang es
heinahe. Nicht aber Heinz Monnard, den
man sich wohl als sieggewohnten Frauenhelden
gefallen lassen konnte, doch nicht als tiefgrün¬
digen Melancholiker. Dafür war er zu gerad¬
linig und zu robust. Reizvoll war Hilde
Herterichs spröde Art, mit der sie die
phantastische kokette Zwanzigjährige erfaßte.
Sonst gab's — Carl Forest in einer lebendig
gehaltenen Nebenrolle ausgenommen — nur ein
mäßiges Spiel; selbst Reicher war matt.
Julius Knopf.
Ueber die Wiener Aufführung erhalten
wir folgendes Privattelegramm:
Wien, 14. Oktober. (Privattele¬
gramm der „Berl. Allgem. Ztg.*)
Am Burgtheater erzielte Schnitzler
einen
großen, von Akt zu Akt sich steigernden Er¬
folg. Die Darstellung (Korff als Hofreiter,
Willy als Genia und
ulein