II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 321

24. Das veite Land box 28/4
Deren. ee
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne. Gewähr).
Ausschnitt aus:
„Ueber Land u. Hoer, Stuttgart
Vomaf 10
Theater


Wenin alle diese Siege, die wir in den letzten
WWochen auf den Brettern, die die Welt bedeuten,
bestätigend, staunend, kopfschüttelnd erlebten, auch
wirklich für die Literatur etwas bedeuteten, für die
nächste Generation bliebe zu tun kaum mehr viel
übrig. Aber -
Wenn wirklich alle Bekehrung zu neuen Stilen
chon einen Fortschritt im Können, eine Chance im
Überwinden bedeutete, wir lebten in der dramatisch
fruchtbarsten Zeit, da Arno Holz, der Vater des
Naturalismus, dem handfesten Schwank zustrebt,
Schitzler das (Wiener) Gesellschaftsstück großen
Stils bänen möchte, Sudermann, das Land der
Griechen mit der Seele suchend, den dramatischen !
Spaziergang nach Syratus macht, Wilhelm von
Scholz, der mystisch=symbolische Totentanzdichter,
eine kecke Auferstehungskomödie probiert und der ##
einstmals immerhin geistreiche Spötter Bernhard
Shaw, dem freilich ein brauchbares und haltbares
Bühnenspiel trotz allen Geredes seiner Figuren
und seiner Trabanten nie gelang, es mit offen¬
kundiger Langweile versucht, die nur durch einige!
abgeschmackte Selbstbespiegelungen übel unter¬
brochen wird. Wenn, sagt' ich — dann...
Aber —! Die Zeit ist aus den Fugen — mag mit#
Hamlet der Kritiker seufzen; aber er wird nicht in
Shawscher Selbstüberschätzung fortfahren: Not
und Gram — daß ich zur Welt sie einzurichten kam!
Die Fülle der geschauten Gesichte läßt nur
flüchtige Stizzen zu. Beginnen wir mit dem Wieners
Artur Schnitzler, der seit seiner unendlich
seinen, modern wienerischen „Liebelei“ vielt
Gutes, viel Interessantes, aber nichts mehr auf
gleicher Höhe geschrieben hat, ließ (im Lessing¬
theater) seine Tragikomödie „Das weite Land“
aufführen. Ein technisch erstaunlich unbeholfenes
Stück, in dem weder das Interesse geschickt auf die
dramatischen Brennpunkte gesammelt, noch die
wichtigen Figuren geschickt in den Vordergrund ge¬
rückt sind. Für den Freund Schnitzlerscher Kunst,
der ihr den starken Bühnensieg von Dauer gönnte,
ein Fehlschlag; für den Freund Schnitzlerscher Art
die im lebenden, genießenden, leise zerbröckelnden
Wien wurzelt, eine Reihe von Feinheiten der Be¬
obachtung und der Diktion, wie hinter Schleiern
bergend. „Das weite Land“, das dieser Tragi
komödie den Titel gab, ist die Seele des Menscheng
die Schnitzler als ein schwer, ja fast unmöglich zu
überschauendes Gelände einschätzt. Ein Mann lieb
seine Frau und betrügt sie. Er läßt schließlich auch
sich betrügen und schießt mehr aus Laune als auf
Prinzip den jungen Nebenbuhler im Duell über
den Haufen. Vorher und nachher nimmt er sich
was ihm behagt, fühlt sich durchschaut, kennt der
Wankelmut seiner Natur und kann's nicht lassen
Der Pistolenschuß ist so wenig ein Ende wie dis¬
wirren Gartenszenen des ersten Aktes ein Anfank
waren. Ein paar Figuren, die wie diskret kard
tierte Passanten durch das Stück huschen, ein paa#
melancholische Worte, eine geschickt angeschlagene
Stimmung am Schluß sind sehr fein. Den
Ganzen aber mangelt die Wärme der Liebe (oder
des Hasses) des Schaffenden, mangelt aber auch
der sicher zupackende Griff des Dramatikers.)
Schnitzler hat Besseres geschrieben, wird Besseres
schreiben. Die Wiener freilich (so hört' ich) jubelten.
Sie blieben — nach allen Nachrichten, die ich ver¬
glich — die einzigen. Aber schließlich: sie waren?
ja gemeint. Vielleicht hat in keinem seiner Stücke
der Wiener den Wienern — ohne hart sich aus¬
zudrücken, ohne laut zu werden — so Unange¬
nehmes gesagt, so Peinliches vorgeworfen. Und —
die Wiener jubelten. Sie mögen Porträte erkannt,
haben, wo wir nur auf unsicher geführten Bahn###
Figuren sahen, die in der Novelle alleinhaeten
leben, lieben und sterben sollen.
Anders der neue Suderman
W„W.