II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 662

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24. baS si e e e ee e
box 29/4
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung: Deutsche Warte
Berlin
Ort:
Datum: esertesese P.
9. NOV. 1921
Theater und Musik.
Residenztheater.
Zum ersten Male: „Das weite Land“.
Tragikomödie in 5 Akten von Arthur
Schn
Kor#r Spielleitung: Arnold
=Wiedersehen. Mit einer alten, einst von
Brahn sgestalteten Schnitzlerei und mit zwei
Tragsdinnen jener Zeit: Rosa Bertens und Irene
Triesch. Erinnerungen an verklungenen Glanz!
Was sind sie im Lichte des gegenwärtigen
Lebens? Die „weiten Länder“ von ehemals liegen
uns so weit wie die alte Wiener Welt, da kultur¬
müde Schichten spielerisch die Fragen des Daseins
umkreisten. Und wie jener gefällige Plausch, der
gemütlos Gefühle zerkleinert und die bunten
Dinge des Lebens mit Ironie übergießt.
Geschichte, Geschichte! Nur noch historisch ist der
Blickpunkt für diese fünf Akte Ehegeplauder,
Liebesgetändel und Gesellschaftsgeschick.
Alle
Schnitzlergeschöpfe der „Liebelei“ des „Anatol“
des „Zwischenspiels“ marschieren in dieser
Tragikomödie schemenhaft auf. Der Fade, der
Geistvolle, der Melancholische, der Blasierte, der
Feurige und der Gleichgültige. alle sind da. So
wie sie Tennis spielen, spielen sie mit Worten,
mit Herzen, mit Ehre und Glück. Jedem Hände¬
druck folgt das Geständnis eines Ehebruchs. Er
gesteht es ihr, sie gesteht es ihm. Er sagt es dem
Freund, sie sagt es der Freundin. Er erzählt
es dem Betrogenen und sie der Mutter des Ver¬
führten. Es ist ein Engmaschengewebe von Offen¬
und Weitherzigkeit. Eine Welt der Brüderlichkeit
und der Duldung. Keiner zürnt dem andern.
Kaum glaublich, daß die Pistole dennoch zum
Knallen kommt und daß Anfang und Schluß mit
je einer Leiche geziert sind.
Warm wird kaum jemand bei diesem weit¬
läufig verschachtelten, kühlen Reigen der Ehenot.
Bleibt nur der Reiz der Typen, die im Rotter¬
hause, und Arnold Korffs nobler Künstlernatur
sei zugestanden, daß er alle Uebertreibung zu
meiden weiß. Allerdings führt diese Zurückhaltung
zu einer gewissen Farblosigkeit. Korff selbst gibt
die Hauptgestalt, den gereiften, illusionslosen,
gegen Sentimentalität gefeiten Gatten. Er hat
die Ruhe und Ueberlegenheit des Realpolitikers.
In der Leidenschaft, in der Nervosität ist er immer
der beherrschte Weltmann. Irene Triesch
seine vernachlässigte Frau. Sie lächelt melancholisch
wie vor zehn Jahren bei der Uraufführung. Aber
es bleibt ein Lächeln der Kälte, der Leblosigkeit.
Auch Rosa Bertens steht vor der unmöglichen
Aufgabe, einer Sprechpuppe lebendes Blut ein¬
zuhauchen. Vom Film zurückgekehrt begrüßt man
Gertrud Welker. Mit ihren großen Sehnsuchts¬
augen gibt sie dem Herzenserlebnis des modernen

Mädchens Ausdruck. Franz Schönfeld er¬
läutert verständnisvoll, daß das „weite Land“ die
menschliche Seele bedeute, und Josef Klein spielt
trotz eines Unfalls seinen Doktor ohne Stockung,
J. L.P