2 4
Ja
Lan
—.—
box 29/6
erechtfertigt ist.
in der kleinen Szene des zweiten Aktes ist, in der sie, eine
n nicht nur den
glückliche, anständige Frau, die Bewerbung Szuvorins
erten Akt nach
mädchenhaft und tugendhaft zurückweist. Die dritte im
ihr geduckt,
Bunde, Vera, gibt einem neuen Mitglied, Fräulein Wessely,
llauernd, nach¬
Gelegenheit, ihr noch ein wenig blasses Talent zu zeigen. Diese
kwürgt, dieses
Vera, die sich in den sicheren Armen ihres unbedenklichen
u bewegen, die
Schwagers so bereitwillig sträubt, läßt an einen hübschen
hiebt, um dann
Bauernfeldschen Vers denken: „Wie mich die liebe Kleine
keit wieder auf¬
rührt — Sie wäre gar zu gern verführt. Fräulein Wessely
die Benennung
macht das sehr artig.
schen Tumults
In literarischer Hinsicht ist Artzibatschews Stück nicht
erische Manier,
eben beträchtlich. Es hat auch wenig nationale Eigenfarbe,
zu spielen,
und wenn man die Roheit in Abzug bringt, allenfalls auch
ar zu machen,
die Figur des Szuvori# der mit so viel Demut liebt und
unden, aber er
stirbt, so bleibt einem nur die übliche französische Effekt¬
sich diese An¬
komödie in der Hand, wie sie im Deutschen Volkstheater von
ins Lächerliche
jeher gespielt wurde und von jeher den größten Erfolg hatte.
igenblicken der
Französisch ist die konzentrierte Erotik des Schanspiels, fran¬
ich vollbrachter
zösisch der Gesellschaftston, der ganz vergessen läßt oder nie
einern dasteht,
in Erinnerung bringt, daß die Personen auch einen Beruf
den Frauen
haben; französisch die Kinderlosigkeit der beiden in Betracht
herer Gelassen¬
kommenden Paare, die es ihnen ermöglicht, ihr Recht auf
äßt er eher an
„Leidenschaft“, wie sie es nennen, so nachdrücklich zu betonen
ry, mit dem
und auszuleben. Auch der Räsoneur, der als Arzt ver¬
hat.
kleidet, wie bei Dumas Sohn, in geistreicher Rede den Titel
elmaß unserer
erklärt, weist auf das französische Theater, und ebenso die
hles verdienen
ganze Technik des Schauspiels, das, seinen moralischen:
ng. Vor allem
Nihilismus abgerechnet, ebenso vor vierzig Jahren geschrieben
Betracht, die
sein könnte. Daß diese Technik freilich heute genau wie vor
ne sehen lassen
vierzig Jahren, oder wie vor hundert, wirkt, wird dem
Larissa, ebenso
Publikumspsychologen, der neuen Richtungen skeptisch gegen¬
ck eine form¬
übersteht, einigermaßen zu denken geben. Vor zwanzig Jahren!
„Bestie“, wie
hat man diese Richtung auf den Effekt vieux jeu genannt
es ist be¬
und verächtlich abgetan. Jetzt zieht das alte Spiel das neue
die Ehegatten
Publikum aufs neue ins Theater. Das neue? Es hätte wohl
ntitel verleihen
das alte nicht minder angezogen. Denn dieses alte Spiel ist
am besten duch
das Theater an sich: es ist das nackte Theater.R. A.
# #g
4
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N 4
Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus:
Hamburgischer Correspondent
—
BNov. 1927
Das weite Land.
Wie das bekannte Buch.Sch
nennt die in Ham¬
burg schon seit dem Vorjahr vörkendaft eingeführte Deutsch¬
Baltin Dr. H. von Hoerschelmann ihren Vortrag, den
sie für den St. Pauli Bürger=Verein im Gewerbe¬
haus hielt. Wie sie das seelisch=gefühlsmäßige im Russen
wirksam aufdeckt, die in der russischen Volksseele, bis hoch hinauf
triebhaft vorhandenen Komplexe, wie sie das Gemisch von
Fatalismus und Ergebung, Moralität und kindhafter Natür¬
lichkeit nachzeichnet, das alles wirkt wie unmittelbar über¬
tragenes russisches Leben. Da ist erst einmal in ganz großen¬
Umrissen die Weite der russischen Ebene in ihrer Uferlosigkeit,
in der Melancholie ihrer endlos scheinenden Wege, die sich fast¬
ohne Zweck und Ziel irgendwie in der Endlosigkeit zu ver¬
lieren scheinen. Die Melancholie eines heißen kurzen Sommers,
fast ohne einen anderen Rhythmus, als den der Weite und
des Vergessenseins. In dieser Landschaft, auch jener der winter¬
lichen weißen Weite, lebt der russische Mensch des Dorfes und
der Städte, mit seiner Hingabe an die Stunde, der großzügigen
Freigebigkeit, der Gastfreundschaft, aber auch mit der — von
Frau v. Hoerschelmann reizend gezeichneten Anlage und Selbst¬
verständlichkeit zum Lügen, Stehlen, zur Trunksucht und Be¬
stechlichkeit. Blitzlichter und Schattenrisse —
diese letzten Ein¬
führungen, die uns klar machen, wie der Bolschewismus sich
bei der geschilderten Hemmungslosigkeit auswirken mußte, ob¬
gleich Frau von Hverschelmann weder Lenin noch Politik,
sondern in fünfundzwanzia Jahren ihres Frauendaseins Selbst¬
erlebtes heraufbeschwor. Daß ihre Liebe für alle Schattierungen
des russischen Volkes noch heute über die Kerenski=Zeit und
Lenin=Revolution hinweg, so stark aus ihr spricht, gibt uns
Westeuropäern, die wir der russischen Psyche entweder verständ¬
nislos oder verhimmelnd gegenüberstehen, erneut zu denken.
Jedenfalls baut Frau v. Hoerschelmann an der goldenen
Brücke, die zu einer gerechten Beurteilung des Urrussischen
führt, oder sagen wir lieber führen kann. Ein Abend sehr¬
reizvoller gemeinsamer Betrachtungen.
42
Ja
Lan
—.—
box 29/6
erechtfertigt ist.
in der kleinen Szene des zweiten Aktes ist, in der sie, eine
n nicht nur den
glückliche, anständige Frau, die Bewerbung Szuvorins
erten Akt nach
mädchenhaft und tugendhaft zurückweist. Die dritte im
ihr geduckt,
Bunde, Vera, gibt einem neuen Mitglied, Fräulein Wessely,
llauernd, nach¬
Gelegenheit, ihr noch ein wenig blasses Talent zu zeigen. Diese
kwürgt, dieses
Vera, die sich in den sicheren Armen ihres unbedenklichen
u bewegen, die
Schwagers so bereitwillig sträubt, läßt an einen hübschen
hiebt, um dann
Bauernfeldschen Vers denken: „Wie mich die liebe Kleine
keit wieder auf¬
rührt — Sie wäre gar zu gern verführt. Fräulein Wessely
die Benennung
macht das sehr artig.
schen Tumults
In literarischer Hinsicht ist Artzibatschews Stück nicht
erische Manier,
eben beträchtlich. Es hat auch wenig nationale Eigenfarbe,
zu spielen,
und wenn man die Roheit in Abzug bringt, allenfalls auch
ar zu machen,
die Figur des Szuvori# der mit so viel Demut liebt und
unden, aber er
stirbt, so bleibt einem nur die übliche französische Effekt¬
sich diese An¬
komödie in der Hand, wie sie im Deutschen Volkstheater von
ins Lächerliche
jeher gespielt wurde und von jeher den größten Erfolg hatte.
igenblicken der
Französisch ist die konzentrierte Erotik des Schanspiels, fran¬
ich vollbrachter
zösisch der Gesellschaftston, der ganz vergessen läßt oder nie
einern dasteht,
in Erinnerung bringt, daß die Personen auch einen Beruf
den Frauen
haben; französisch die Kinderlosigkeit der beiden in Betracht
herer Gelassen¬
kommenden Paare, die es ihnen ermöglicht, ihr Recht auf
äßt er eher an
„Leidenschaft“, wie sie es nennen, so nachdrücklich zu betonen
ry, mit dem
und auszuleben. Auch der Räsoneur, der als Arzt ver¬
hat.
kleidet, wie bei Dumas Sohn, in geistreicher Rede den Titel
elmaß unserer
erklärt, weist auf das französische Theater, und ebenso die
hles verdienen
ganze Technik des Schauspiels, das, seinen moralischen:
ng. Vor allem
Nihilismus abgerechnet, ebenso vor vierzig Jahren geschrieben
Betracht, die
sein könnte. Daß diese Technik freilich heute genau wie vor
ne sehen lassen
vierzig Jahren, oder wie vor hundert, wirkt, wird dem
Larissa, ebenso
Publikumspsychologen, der neuen Richtungen skeptisch gegen¬
ck eine form¬
übersteht, einigermaßen zu denken geben. Vor zwanzig Jahren!
„Bestie“, wie
hat man diese Richtung auf den Effekt vieux jeu genannt
es ist be¬
und verächtlich abgetan. Jetzt zieht das alte Spiel das neue
die Ehegatten
Publikum aufs neue ins Theater. Das neue? Es hätte wohl
ntitel verleihen
das alte nicht minder angezogen. Denn dieses alte Spiel ist
am besten duch
das Theater an sich: es ist das nackte Theater.R. A.
# #g
4
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N 4
Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus:
Hamburgischer Correspondent
—
BNov. 1927
Das weite Land.
Wie das bekannte Buch.Sch
nennt die in Ham¬
burg schon seit dem Vorjahr vörkendaft eingeführte Deutsch¬
Baltin Dr. H. von Hoerschelmann ihren Vortrag, den
sie für den St. Pauli Bürger=Verein im Gewerbe¬
haus hielt. Wie sie das seelisch=gefühlsmäßige im Russen
wirksam aufdeckt, die in der russischen Volksseele, bis hoch hinauf
triebhaft vorhandenen Komplexe, wie sie das Gemisch von
Fatalismus und Ergebung, Moralität und kindhafter Natür¬
lichkeit nachzeichnet, das alles wirkt wie unmittelbar über¬
tragenes russisches Leben. Da ist erst einmal in ganz großen¬
Umrissen die Weite der russischen Ebene in ihrer Uferlosigkeit,
in der Melancholie ihrer endlos scheinenden Wege, die sich fast¬
ohne Zweck und Ziel irgendwie in der Endlosigkeit zu ver¬
lieren scheinen. Die Melancholie eines heißen kurzen Sommers,
fast ohne einen anderen Rhythmus, als den der Weite und
des Vergessenseins. In dieser Landschaft, auch jener der winter¬
lichen weißen Weite, lebt der russische Mensch des Dorfes und
der Städte, mit seiner Hingabe an die Stunde, der großzügigen
Freigebigkeit, der Gastfreundschaft, aber auch mit der — von
Frau v. Hoerschelmann reizend gezeichneten Anlage und Selbst¬
verständlichkeit zum Lügen, Stehlen, zur Trunksucht und Be¬
stechlichkeit. Blitzlichter und Schattenrisse —
diese letzten Ein¬
führungen, die uns klar machen, wie der Bolschewismus sich
bei der geschilderten Hemmungslosigkeit auswirken mußte, ob¬
gleich Frau von Hverschelmann weder Lenin noch Politik,
sondern in fünfundzwanzia Jahren ihres Frauendaseins Selbst¬
erlebtes heraufbeschwor. Daß ihre Liebe für alle Schattierungen
des russischen Volkes noch heute über die Kerenski=Zeit und
Lenin=Revolution hinweg, so stark aus ihr spricht, gibt uns
Westeuropäern, die wir der russischen Psyche entweder verständ¬
nislos oder verhimmelnd gegenüberstehen, erneut zu denken.
Jedenfalls baut Frau v. Hoerschelmann an der goldenen
Brücke, die zu einer gerechten Beurteilung des Urrussischen
führt, oder sagen wir lieber führen kann. Ein Abend sehr¬
reizvoller gemeinsamer Betrachtungen.
42