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22. Der junge Medandus
Theater und Kunst.
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2%
Hinter den Kulissen.
Ein Dialog unter Sängern.
(Zwischen Finsternis und Helle.
Das Mißverständnis. — Burgtheaterschmerzen. — Der kluge Hofschau¬
spieler. — Das höfliche Handwerk. — Eine Rechnung. — Der taxfreie
Eine schwere
Adel. — Das „Puppenmädel“. — Die Schutzmarke.
Gorge. — Das neue Genre. — Der Schirm des Komponisten.)
In der Hofoper ist zur Abwechslung Kurzschluß eingetreten.
Plötzlich war das ganze Haus in Finsternis eingehüllt und in
den Garderoben und Gängen stießen sich die Leute. Eine Viertel¬
stunde später erstrahlte aber wieder hellstes Licht. Leo Slezak dis¬
kutiert mit einem Kollegen den Vorfall.
„Um Gottes willen, wie ist denn so ein Unfall gerade in
der Hofoper möglich?“
„Ich bitte Sie, das ist doch gnz natürlich. Die Leitung
ist schon lange nicht in Ordnung und die Elemente sind nicht
kräftig genug!“
„Aber, lieber Kollege, ich habe ie doch nicht um Ihr Urteil
über die Direktionskrise besagt!“
Im Burgtheater seufzen sie unter den Proben. Man hält
bei Schnitzlers Drama „Der junge Herr Medardus“, und nicht
weniger als zwanzig Vormittage sind für die Vorbereitung dieses
Stückes vorgesehen. So fleißig war man schon lange nicht, aber
es muß sein. Die Inszenierung ist nicht leicht, denn die Sache
ist ganz auf Stimmung gestellt. Hat man früher zu wenig
chnitzler gespielt, so sucht man es jetzt im Burgtheater nachzu¬
höten. Der Dichter hat inzwischen noch ein zweites Stück fertig
gemacht und Baron Berger will es sich nicht entgehen lassen. Es
ist eine wienerisch gefärbte Komödie. Die Schauspieler freuen sich,
daß ihnen endlich wirkliche „Aufgaben“ blühen. Es fragt sich
bloß, ob das Repertoire noch Raum für ein zweites Schnitzler¬
Stück läßt.
Das Deutsche Volkstheater langt schon be¬
gierig darnach.
Neben den vielen Proben finden sie im Burgtheater aller¬
dings Zeit, noch allerhand Schabernack zu ersinnen und sich gegen¬
seitig zu frozzeln. Gegenwärtig macht eine kleine Geschichte die
Runde. Herr Paulsen ist der Held. Man sagt ihm nach, daß er
auch im Leben ein denkender Schauspieler sei und allerlei kleine
Eigenarten habe. Seit Jahren läßt er bei einem Schuhmacher
je seinen Namen
in der Vorstadt arbeiten, ohne dem Manne
verraten zu haben. Die Schuhe werden einfach an Herrn N. N.
sin der 2=Stnahe Nr. so und so . . ., bilter Sioc, Tür 14,
geliefert. Auch die Rechnungen haben zu lauten: „Herrn N. N.
Vor einigen Tagen lieferte nun des Schusters Töchterlein ein
Paar Lackstiefletten persönlich ab und erfuhr nun bei dieser Ge¬
legenheit, wer der geheimnisvolle Kunde eigentlich sei.
Das kleine Mädchen ist eine eifrige Besucherin des Burg¬
theaters und gehört sozusagen zum eisernen Bestand der
letzten Galerie. Natürlich war das Schustertöchterlein entzückt von
der Kundschaft und prompt enthüllte es dem Vater, wer der
Anonymus sei. Der Vater war natürlich auch sehr entzückt und
machte sofort Herrn Paulsen eine Antrittsvisite. Der Schauspieler
war aber gar nicht erfreut, sondern verblüfft und empört.
„Herr!“ schrie er ihn an. „Meine Bedingung, unter der
ich bei Ihnen arbeiten lasse, war stets, daß es Sie nichts an¬
geht, für wen Sie Ihre Schuhe machen. Das muß auch in
Zukunft so bleiben, sonst können Sie sich Ihre Stiefel behalten.
Und schicken Sie mir sofort die Rechnung über die letzten Paare.
Sie wissen, ich bezahle gleich.“
Am nächsten Tage kam die Rechnung. Sie lautete:
„Herrn N. von N.“
In dieses wienerisch charakteristische „von N.“ hatte der
Schuster seine ganze Hochachtung vor dem Hofschauspieler
hineingelegt.
Im Carl=Theater beschäftigt man sich mit der neuen
Man setzt große Er¬
Operette von Fall „Das Puppelmädel“.
wartungen in das Werk. Es ist noch in den letzten Wochen
manches daran geändert worden, da man für Frau Zwerenz eine
ausgiebige Rolle schaffen mußte. Es sah schon ganz danach aus,
daß sie nicht mittun wollte. Aber die Autoren setzten sich flugs
hin, arbeiteten um, schrieben ihr noch neue Lieder in die Rolle
hinein, und so war die Streikabsicht des Stars in letzter Stunde
beseitigt. Doch noch eine andere wichtige Frage war zu erledigen.
„Puppenmädel“ unter der Bereichnung
Sollte man das
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22. Der junge Medandus
Theater und Kunst.
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Hinter den Kulissen.
Ein Dialog unter Sängern.
(Zwischen Finsternis und Helle.
Das Mißverständnis. — Burgtheaterschmerzen. — Der kluge Hofschau¬
spieler. — Das höfliche Handwerk. — Eine Rechnung. — Der taxfreie
Eine schwere
Adel. — Das „Puppenmädel“. — Die Schutzmarke.
Gorge. — Das neue Genre. — Der Schirm des Komponisten.)
In der Hofoper ist zur Abwechslung Kurzschluß eingetreten.
Plötzlich war das ganze Haus in Finsternis eingehüllt und in
den Garderoben und Gängen stießen sich die Leute. Eine Viertel¬
stunde später erstrahlte aber wieder hellstes Licht. Leo Slezak dis¬
kutiert mit einem Kollegen den Vorfall.
„Um Gottes willen, wie ist denn so ein Unfall gerade in
der Hofoper möglich?“
„Ich bitte Sie, das ist doch gnz natürlich. Die Leitung
ist schon lange nicht in Ordnung und die Elemente sind nicht
kräftig genug!“
„Aber, lieber Kollege, ich habe ie doch nicht um Ihr Urteil
über die Direktionskrise besagt!“
Im Burgtheater seufzen sie unter den Proben. Man hält
bei Schnitzlers Drama „Der junge Herr Medardus“, und nicht
weniger als zwanzig Vormittage sind für die Vorbereitung dieses
Stückes vorgesehen. So fleißig war man schon lange nicht, aber
es muß sein. Die Inszenierung ist nicht leicht, denn die Sache
ist ganz auf Stimmung gestellt. Hat man früher zu wenig
chnitzler gespielt, so sucht man es jetzt im Burgtheater nachzu¬
höten. Der Dichter hat inzwischen noch ein zweites Stück fertig
gemacht und Baron Berger will es sich nicht entgehen lassen. Es
ist eine wienerisch gefärbte Komödie. Die Schauspieler freuen sich,
daß ihnen endlich wirkliche „Aufgaben“ blühen. Es fragt sich
bloß, ob das Repertoire noch Raum für ein zweites Schnitzler¬
Stück läßt.
Das Deutsche Volkstheater langt schon be¬
gierig darnach.
Neben den vielen Proben finden sie im Burgtheater aller¬
dings Zeit, noch allerhand Schabernack zu ersinnen und sich gegen¬
seitig zu frozzeln. Gegenwärtig macht eine kleine Geschichte die
Runde. Herr Paulsen ist der Held. Man sagt ihm nach, daß er
auch im Leben ein denkender Schauspieler sei und allerlei kleine
Eigenarten habe. Seit Jahren läßt er bei einem Schuhmacher
je seinen Namen
in der Vorstadt arbeiten, ohne dem Manne
verraten zu haben. Die Schuhe werden einfach an Herrn N. N.
sin der 2=Stnahe Nr. so und so . . ., bilter Sioc, Tür 14,
geliefert. Auch die Rechnungen haben zu lauten: „Herrn N. N.
Vor einigen Tagen lieferte nun des Schusters Töchterlein ein
Paar Lackstiefletten persönlich ab und erfuhr nun bei dieser Ge¬
legenheit, wer der geheimnisvolle Kunde eigentlich sei.
Das kleine Mädchen ist eine eifrige Besucherin des Burg¬
theaters und gehört sozusagen zum eisernen Bestand der
letzten Galerie. Natürlich war das Schustertöchterlein entzückt von
der Kundschaft und prompt enthüllte es dem Vater, wer der
Anonymus sei. Der Vater war natürlich auch sehr entzückt und
machte sofort Herrn Paulsen eine Antrittsvisite. Der Schauspieler
war aber gar nicht erfreut, sondern verblüfft und empört.
„Herr!“ schrie er ihn an. „Meine Bedingung, unter der
ich bei Ihnen arbeiten lasse, war stets, daß es Sie nichts an¬
geht, für wen Sie Ihre Schuhe machen. Das muß auch in
Zukunft so bleiben, sonst können Sie sich Ihre Stiefel behalten.
Und schicken Sie mir sofort die Rechnung über die letzten Paare.
Sie wissen, ich bezahle gleich.“
Am nächsten Tage kam die Rechnung. Sie lautete:
„Herrn N. von N.“
In dieses wienerisch charakteristische „von N.“ hatte der
Schuster seine ganze Hochachtung vor dem Hofschauspieler
hineingelegt.
Im Carl=Theater beschäftigt man sich mit der neuen
Man setzt große Er¬
Operette von Fall „Das Puppelmädel“.
wartungen in das Werk. Es ist noch in den letzten Wochen
manches daran geändert worden, da man für Frau Zwerenz eine
ausgiebige Rolle schaffen mußte. Es sah schon ganz danach aus,
daß sie nicht mittun wollte. Aber die Autoren setzten sich flugs
hin, arbeiteten um, schrieben ihr noch neue Lieder in die Rolle
hinein, und so war die Streikabsicht des Stars in letzter Stunde
beseitigt. Doch noch eine andere wichtige Frage war zu erledigen.
„Puppenmädel“ unter der Bereichnung
Sollte man das
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