II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 5


22. Denjungdandus
Telephon1.
Dir

„ODSLHVER
# österr benördl konz Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budag* Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, id, Mailand, Minnesoolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt Hinstriertes Wiener Extrablate
-i. OKT. 190WWien
vom:
744
Wiener Theatergeschichten.

V.
„Der junge Herr Medardus.“
Die Leser des „Extrablatt“ wissen, daß Artur
Schnitzlers neueste Komödie diesen Titel führt
und allch eine kleine Geschichte hat sich daran ge¬
knüpft. Der Dichter wurde gebeten, seine jüngste
Phantasieschöpfung einer Revision zu unterziehen, sie
theaterfähig zu machen. „Der junge Herr Medardus“
hätte in der Form, wie er der Direktion des Burg¬
theaters in die Hände gelegt wurde, nicht weniger
als — sieben Stunden gespielt! Also von sieben
Uhr abends bis zwei Uhr nach Mitternacht! Es hat
mich überrascht, daß ein so eminenter Bühnenmensch,
tpie Artur Schnitzler, ein so feiner Theaterfachmann,
übersehen oder vergessen konnte, daß von dem
modernen Theater Stücke von außergewöhnlichem
Umfange ausgeschlossen sind. Ich hatte Gelegenheit,
über dieses jedenfalls seltene Vorkommnis einen
ersten Künstler des Burgtheaters zu sprechen und er¬
hielt die folgenden Mitteilungen:
Sie sind im Rechte, wenn Sie darüber staunen.
Ich kenne das Stück, es ist eine Wiener Komödie,
spielt im Jahre 1809 und wäre also dem Burg¬
theater doppelt willkommen gewesen. Erstens als
Darbietung von Schnitzler, der unbestritten und
schaffenskräftig an der Spitze der Wiener Schule
steht. Während Andere verwelken oder ganz
verschwunden sind, treibt seine Phantasie stets
neue und mitunter wundersame Blüten. Zweitens
hätte das Burgtheater ein Jubiläumsstück gewonnen.
Wien Anno 1809, Wien zur Napoleonszeit! Nun,
Schnitzler wird sein Werk umarbeiten und man wird
es im Jahre 1910 spielen und sein Inhalt wird im
nächsten Jahre ebenso trefflich munden, als wäre es
heute kredenzt worden. Ich setze dabei voraus, daß es
Schnitzler gelingt, sein Stück auf die Dauer eines
normalen Theaterabends zusammenzudrängen.
Sieben Stunden! Das ist zu viel, das Publi¬
kum bliebe außerstande, mit dem Dichter
zu gehen. Ich kann mir vorstellen, wie das
gekommen sein mag. Schnitzler beschäftigte sich
eben als Poet mit seinem Stoffe und dachte
dabei nicht an die groben Bedürfnisse des Theaters.
Als Wilbrandt seinen „Meister von Palmyra“ dem
Burgtheater überreichte, gab es Bedenken wegen der
langen Spieldauer. Vier Stunden! Bei einem klassi¬
schen Werke sitzt man ebenfalls mit der Uhr in der
Tasche auf seinem Sitze, allein einem Klassiker ge¬
stattet man Ueberschreitungen des Umfanges und der
Zeit. Uebrigens hat sich auch bei dem strichlosen „Don
Carlos“ Opposition geregt, und hielte nicht die Gretchen¬
Tragödie die Zuhörer im Bann, es gäbe Leute, die
dem „Faust“ um Mitternacht kein freundliches Ge¬
sicht zeigen würden. Moderne Stücke, die eine sieben¬
stündige gespannte Teilnahme erheischen, sind un¬
möglich — nicht einmal fünf Stunden bleibt das
Publikum ruhig im Hause. Und noch etwas fällt in
Betracht: „Der junge Herr Medardus“ ist nicht bloß
eine figurenreiche, sondern auch eine verwandlungs¬
reiche Komödie, und es müßte der szenische Apparat
tadellos nach jeder Richtung sunktionieren, sollten
die sieben Stunden für die Vorstellung ausreichen.
Ich wünsche, ich hoffe, es werde Schnitzler möglich
werden, ohne Schmälerung der vielen Schönheiten
seiner Dichtung zu streichen, zusammenzudrängen ...
ich möchte dabei gerne in seine Werkstatt gucken...
box 26/5
Telephon 12.801.
P..
„ODOEITPEI
a
l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Geni, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ehde Geuc#.
Ausschnitt aus: IIIistriortes Wiener Extrablatt
Wien
vom: 12. NOV 1909
„Der junge Herr Medardus.“
Man wird die neueste Dichtung von Artur
Schnitzler heuer kaum im Burgtheater begrüßen
können. Die Leser kennen die Geschichte. In der ur¬
sprünglichen Fassung hätte die Alt=Wiener Komödie
des Ersten unter den modernen Wiener Poeten bei¬
nahe sieben Stunden gespielt. Dann entschloß sich
Schnitzler zu einer Umarbeitung, die noch immer
weit über die Grenzen eines normalen Theater¬
abends hinaussprang. Drei große Konflikte barg
die straffer gezogene Handlung, weshalb Schnitzler
dem Rate wohlmeinender Freunde folgte und eine
fabermalige Revision der Vorgänge zusagte. Wie ich
höre, hat der Dichter kürzlich in seinem Hause
einem kleinen Kreise die Bekanntschaft mit
Herrn Medardus vermittelt.
dem jungen
Georg Hirschfeld,
Poet,
Der Berliner
war ebenfalls anwesend. Schnitzler las sein Werk
selbst vor. Man erwartet, man hofft im Burgtheater,
es werde dem Autor gelingen, die wünschenswerten
Kürzungen vorzunehmen. Das Schauspielhaus auf
dem Franzensring braucht dringend einen großen
Erfolg. Vielleicht stellt sich ein solcher bereits mit
Schönherrs Komödie „Ueber die Brücke“ ein, die
ebenfalls durch das Feuer und Wasser einer Um¬
arbeitung gehen mußte. Die Novität bekam einen —
neuen Schluß. Endigte früher ernst, schließt jetzt
heiter.