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22. Denjunge Medandus
HUSTERMANN
HRICHTEN-BUREAU
16, SPREEPALAST.
sche Zeitung
Mörgenausgabe
n
P#n
—
—
11105
Der junge Medardus, Sohn eines angesehenen Buchhändlers, der
ins Gefängnis gesetzt, und General Rapp bringt ihm nicht nur die
Begnadigung, sondern auch den Dank Bonapartes. In Wahrheit
bei dem früheren Einzug der Franzosen elend umkam hat den
euilleton.
Stoff, aus dem Helden gemacht werden, aber das Schicksal schafft
wollte Helene am Kaiser die Judith spielen, und so hat Medardus
ihm das Leben gerettet. Dieses wahnsinnig ironische Spiel der
ihn durch romantische Überfälle und Zufälle zum Narren um, und es
unge Medardus.
verkehrten Absichten, diese unheilbare Beschämung kann er nicht
ist eben die Absicht des Stückes, diese Verwandtschaft von Helden¬
überleben; dem General Rapp, der ihn verhört, gibt er seine Ab¬
tum und Narrentum wenigstens in einem schwärmerischen und
es Werk wird heute am Burgtheater in
pathetischen Brausekopf zu begründen. Das Vorspiel gehört einer
sichten preis, und von dem schnell bereiten Exekutivkommando
stehen, während unser Lessingtheater sich
empfängt er die erlösende Kugel.
Familienkatastrophe, die aus der Atmosphäre von Schnitzlers ältestem
Anfang nächsten Jahres, vermutlich nach
Drama „Liebelei“ hervorzugehen scheint. Medardus', Schwester
Diese Handlung wagt einen romantischen Gang, und sie bewegt
orbehalten hat. Das Buch ist soeben bei
Agathe hat sich mit Franz von Valois eingelassen, dem Sohn eines
sich auch mit großer Freiheit durch eine bunte Mannig¬
n, und wir wollen uns auf die Wieder¬
erblindeten Emigranten königlichen Blutes, eines verirrten umhergetrie¬
faltigkeit von Lokal und Milien. Nichts wird erzählt, alles sinn¬
ränken, um der kritischen Wertung nicht
benen Greises der auch geistig erblindet fast kindische Hoffnungen auf
fällig dargestellt. Wir werden mit dem Heim des Medardus bei
ntliche, die dramatische Wirkung feststellen
den Thron nährt. Der Prinz und das verführte Bürgermädchen 1
seiner klugen, vieles verstehenden, alles ahnenden Mutter vertraut,
Buche schläft schicksalslos, und wer auf
gehen zusammen in den Tod. An ihrem Grabe findet auch Medardus
wir begleiten ihn an das offene Grab, wo die verhänanisvolle Be¬
nErdenwandel das Horoskop stellt, wird
sein Schicksal; statt mit der akademischen Legion in den Krieg zu
gegnung mit den Valois stattfindet; wir sehen die österreichischen
wenn
zu Liebe handeln,
ziehen, bleibt er zurück, um die Seinen zu rächen. Zwei Gegner
Landwehrmänner von ihren Schätzchen beim Gläserklang Abschied
fnungen in die zweideutige Dunkelheit
stellen sich ihm aus der feindlichen Familie. Mit dem Prinzen
nehmen, wir wohnen den Konspirationen der Emigranten in ihrem
Hüllt. Arthur Schnitzler nennt sein neues
sich,
romantischen Exil bei, wir hören das Volk, das immer schwatzende,
Bertrand, einem Verwandten des Toten, schlägt er
torie in einem Vorspiel und fünf Auf¬
wobei ehrenvolle Wunden gleich verteilt werden, und der Schwester
schwankende in vielen lebenswahren Figuren und wir hören
lichen Umfang, der in das Maß eines
Prinzessin Helene will er mit derselben Schmach vergelten, die seine
auch von fern das süße Wogen der schönen blauen Donau, die alle
nicht hineingeht, wird die Bühne wahr¬
eigene Schwester ins Grab gezogen hat. Helene heiratet ihren
Erregung mit einem versprechenden Flüstern zu beschwichtigen
wenn es Schnitzler nicht gehen sollte,
Vetter, der sofort nach der Hochzeit abgeschoben wird, um in Paris
scheint: alles fließt, Heldentum und Narrentum, alles läßt sich er¬
seinen „Amants“ die er am Théatre
eine ziemlich törichte Verschwörung anzuzetteln, aber die bräutliche
tragen, wenn man nur am Leben bleibt, und wenn der Sturm sicht
Stück wurde von den Sozietären zu lang
Frau erliegt auch dem Ansturm des Medardus, der sie mit seinem
ausgetobt hat, wird wieder gut Wetter. Das ist die innere Stimmes
r selbst schlug abwechselnd ungefähr jede
wilden Haß bei der Bestattung des Liebespaares interessiert hat.
dieser gegen die alte Mutter Wien sehr kritischen und doch von ihren
von denen jede als die schönste mit
melancholischen Reizen erfüllten Dichtung. Es ist die Frage, obe
Schon bei dieser ersten Begegnung haben sich die Gegner zu
wurde.
tief in die Augen gesehen. Der Tollkopf Medardus hat den Plan
dieser Schnitzlersche Lyrismus, diese Lebensstimmung und Schwin¬
ungefähr das Gegenteil von historischem
eines Zwanzigjährigen; wenn die Prinzessin sich ihm hingegeben hat,
gung im Schwall und Schall reicher vielfach bedingten Tatsächlich¬
tet auf eine freie Erfindung, die die
will er ihre Schande auf allen Straßen ausschreien. Das eine
keit ausdauern wird. Das Theater mit seiner großen Rücksichts¬
ih an eine ihrer offiziellen Staatsaktionen
gelingt ihm, das andere nicht; denn es ruht sich süß in ihren
losigkeit wird die Antwort nicht schuldig bleiben. E.
ielt zu Wien im Juli 1809; es ist die
Armen.
der Napoleonischen Herrschaft das ahnungs¬
Um den Konflikt zwischen den beiden auszutragen, wird Napoleon
e commencement de la fin. In Spanien
herbeigerufen der allerdings unsichtbar bleibt, um die Politik, die
n Male den Widerstand eines fanatischen
nach seinem Worte das Schicksal war, zu leiten. Nach der Schlacht
ifstand der Tyroler machte seinen Truppen
von Wagram residiert er in Schönbrunn, und es fällt ihm ein,
hwer zu schaffen. Österreich erklärte den
daß man die Valois, weil sie von beinahe lächerlicher Unschädlichkeit
nz entschloß sich sogar, die Landwehren auf¬
sind, begnadigen könnte. Helene wird zu ihm befohlen, sie scheint
ern der Unüberwindliche zum ersten Male
sie gilt als die Geliebte
ihn interessiert zu haben, und
man auf den Anfall von Norddeutschland,
des Kaisers. Es folgert sich nun fast von selbst,
daß
hon 1807 mit den Unternehmungen von
Medardus wie viele junge Leute seiner Zeit den Plau faßt,
Prern wie Schill und Dörnberg wieder seine
den Gewalthaber über die Länder und die Seelen zu ermorden.
hien. Den Heroismus seiner Vaterstadt,
Dieser Plan wird noch mehrfach umgebogen, so daß er seinen geraden
m berühmten Eilmarsch längs der Donau
Willen verliert. Helene möchte die Tat zugunsten der Valois
icht übertrieben. Es gibt wenig echte
ausnutzen, und so fühlt er seine Hand hinterrücks geführt da er
te staatliche Gesinnung, viel Lauheit, Gleich¬
doch, nachdem der Kriegsheld in ihm verpfuscht worden ist, sich den
eleichtfertig gemütliche Genußsucht, und die
anderen Heroismus des patriotischen Mordes retten will. Und auch
Wiens, die ja die Franzosen nach Ansterlitz
diese Opferfertigkeit verdreht das Schicksal in ein närrisches Gegenteil.
überlebt haben, sind durchaus bereit, je
nents für den Kaiser Franz oder für den Auf dem Wege zu Napoleon, für den das Volk schon Hurra ruft, trifft
er Helene, und er ersticht die Geliebte des Kaisers. Medardus wird!
schreien.
22. Denjunge Medandus
HUSTERMANN
HRICHTEN-BUREAU
16, SPREEPALAST.
sche Zeitung
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—
11105
Der junge Medardus, Sohn eines angesehenen Buchhändlers, der
ins Gefängnis gesetzt, und General Rapp bringt ihm nicht nur die
Begnadigung, sondern auch den Dank Bonapartes. In Wahrheit
bei dem früheren Einzug der Franzosen elend umkam hat den
euilleton.
Stoff, aus dem Helden gemacht werden, aber das Schicksal schafft
wollte Helene am Kaiser die Judith spielen, und so hat Medardus
ihm das Leben gerettet. Dieses wahnsinnig ironische Spiel der
ihn durch romantische Überfälle und Zufälle zum Narren um, und es
unge Medardus.
verkehrten Absichten, diese unheilbare Beschämung kann er nicht
ist eben die Absicht des Stückes, diese Verwandtschaft von Helden¬
überleben; dem General Rapp, der ihn verhört, gibt er seine Ab¬
tum und Narrentum wenigstens in einem schwärmerischen und
es Werk wird heute am Burgtheater in
pathetischen Brausekopf zu begründen. Das Vorspiel gehört einer
sichten preis, und von dem schnell bereiten Exekutivkommando
stehen, während unser Lessingtheater sich
empfängt er die erlösende Kugel.
Familienkatastrophe, die aus der Atmosphäre von Schnitzlers ältestem
Anfang nächsten Jahres, vermutlich nach
Drama „Liebelei“ hervorzugehen scheint. Medardus', Schwester
Diese Handlung wagt einen romantischen Gang, und sie bewegt
orbehalten hat. Das Buch ist soeben bei
Agathe hat sich mit Franz von Valois eingelassen, dem Sohn eines
sich auch mit großer Freiheit durch eine bunte Mannig¬
n, und wir wollen uns auf die Wieder¬
erblindeten Emigranten königlichen Blutes, eines verirrten umhergetrie¬
faltigkeit von Lokal und Milien. Nichts wird erzählt, alles sinn¬
ränken, um der kritischen Wertung nicht
benen Greises der auch geistig erblindet fast kindische Hoffnungen auf
fällig dargestellt. Wir werden mit dem Heim des Medardus bei
ntliche, die dramatische Wirkung feststellen
den Thron nährt. Der Prinz und das verführte Bürgermädchen 1
seiner klugen, vieles verstehenden, alles ahnenden Mutter vertraut,
Buche schläft schicksalslos, und wer auf
gehen zusammen in den Tod. An ihrem Grabe findet auch Medardus
wir begleiten ihn an das offene Grab, wo die verhänanisvolle Be¬
nErdenwandel das Horoskop stellt, wird
sein Schicksal; statt mit der akademischen Legion in den Krieg zu
gegnung mit den Valois stattfindet; wir sehen die österreichischen
wenn
zu Liebe handeln,
ziehen, bleibt er zurück, um die Seinen zu rächen. Zwei Gegner
Landwehrmänner von ihren Schätzchen beim Gläserklang Abschied
fnungen in die zweideutige Dunkelheit
stellen sich ihm aus der feindlichen Familie. Mit dem Prinzen
nehmen, wir wohnen den Konspirationen der Emigranten in ihrem
Hüllt. Arthur Schnitzler nennt sein neues
sich,
romantischen Exil bei, wir hören das Volk, das immer schwatzende,
Bertrand, einem Verwandten des Toten, schlägt er
torie in einem Vorspiel und fünf Auf¬
wobei ehrenvolle Wunden gleich verteilt werden, und der Schwester
schwankende in vielen lebenswahren Figuren und wir hören
lichen Umfang, der in das Maß eines
Prinzessin Helene will er mit derselben Schmach vergelten, die seine
auch von fern das süße Wogen der schönen blauen Donau, die alle
nicht hineingeht, wird die Bühne wahr¬
eigene Schwester ins Grab gezogen hat. Helene heiratet ihren
Erregung mit einem versprechenden Flüstern zu beschwichtigen
wenn es Schnitzler nicht gehen sollte,
Vetter, der sofort nach der Hochzeit abgeschoben wird, um in Paris
scheint: alles fließt, Heldentum und Narrentum, alles läßt sich er¬
seinen „Amants“ die er am Théatre
eine ziemlich törichte Verschwörung anzuzetteln, aber die bräutliche
tragen, wenn man nur am Leben bleibt, und wenn der Sturm sicht
Stück wurde von den Sozietären zu lang
Frau erliegt auch dem Ansturm des Medardus, der sie mit seinem
ausgetobt hat, wird wieder gut Wetter. Das ist die innere Stimmes
r selbst schlug abwechselnd ungefähr jede
wilden Haß bei der Bestattung des Liebespaares interessiert hat.
dieser gegen die alte Mutter Wien sehr kritischen und doch von ihren
von denen jede als die schönste mit
melancholischen Reizen erfüllten Dichtung. Es ist die Frage, obe
Schon bei dieser ersten Begegnung haben sich die Gegner zu
wurde.
tief in die Augen gesehen. Der Tollkopf Medardus hat den Plan
dieser Schnitzlersche Lyrismus, diese Lebensstimmung und Schwin¬
ungefähr das Gegenteil von historischem
eines Zwanzigjährigen; wenn die Prinzessin sich ihm hingegeben hat,
gung im Schwall und Schall reicher vielfach bedingten Tatsächlich¬
tet auf eine freie Erfindung, die die
will er ihre Schande auf allen Straßen ausschreien. Das eine
keit ausdauern wird. Das Theater mit seiner großen Rücksichts¬
ih an eine ihrer offiziellen Staatsaktionen
gelingt ihm, das andere nicht; denn es ruht sich süß in ihren
losigkeit wird die Antwort nicht schuldig bleiben. E.
ielt zu Wien im Juli 1809; es ist die
Armen.
der Napoleonischen Herrschaft das ahnungs¬
Um den Konflikt zwischen den beiden auszutragen, wird Napoleon
e commencement de la fin. In Spanien
herbeigerufen der allerdings unsichtbar bleibt, um die Politik, die
n Male den Widerstand eines fanatischen
nach seinem Worte das Schicksal war, zu leiten. Nach der Schlacht
ifstand der Tyroler machte seinen Truppen
von Wagram residiert er in Schönbrunn, und es fällt ihm ein,
hwer zu schaffen. Österreich erklärte den
daß man die Valois, weil sie von beinahe lächerlicher Unschädlichkeit
nz entschloß sich sogar, die Landwehren auf¬
sind, begnadigen könnte. Helene wird zu ihm befohlen, sie scheint
ern der Unüberwindliche zum ersten Male
sie gilt als die Geliebte
ihn interessiert zu haben, und
man auf den Anfall von Norddeutschland,
des Kaisers. Es folgert sich nun fast von selbst,
daß
hon 1807 mit den Unternehmungen von
Medardus wie viele junge Leute seiner Zeit den Plau faßt,
Prern wie Schill und Dörnberg wieder seine
den Gewalthaber über die Länder und die Seelen zu ermorden.
hien. Den Heroismus seiner Vaterstadt,
Dieser Plan wird noch mehrfach umgebogen, so daß er seinen geraden
m berühmten Eilmarsch längs der Donau
Willen verliert. Helene möchte die Tat zugunsten der Valois
icht übertrieben. Es gibt wenig echte
ausnutzen, und so fühlt er seine Hand hinterrücks geführt da er
te staatliche Gesinnung, viel Lauheit, Gleich¬
doch, nachdem der Kriegsheld in ihm verpfuscht worden ist, sich den
eleichtfertig gemütliche Genußsucht, und die
anderen Heroismus des patriotischen Mordes retten will. Und auch
Wiens, die ja die Franzosen nach Ansterlitz
diese Opferfertigkeit verdreht das Schicksal in ein närrisches Gegenteil.
überlebt haben, sind durchaus bereit, je
nents für den Kaiser Franz oder für den Auf dem Wege zu Napoleon, für den das Volk schon Hurra ruft, trifft
er Helene, und er ersticht die Geliebte des Kaisers. Medardus wird!
schreien.