II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 180

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22. Der junge Medandus
ung ausgesprochen wurde, die fühle die letzten Worte der Predigt in ihrem ganzen Um¬
Historie“ Frau Klähr in diefange. Sie hießen: Erhaben über Staub, unsterblich ist
nun nicht begreifen. Es gibt
des Menschen Geist. .. .“ Der arme 17jährige Jüngling,
nichts zu verlieren haben —
er hatte wahrscheinlich zuletzt noch in Schillers „Jungfrau
ben wenig liegt — oder gar
von Orleans“ geblättert, und so flammten ihm die Worte
er es einsetzen möchte für so
vor Augen, die das Hirtenmädchen bei dem Abschiede
die Beseitigung Napoleons
von den Bergen und den geliebten Triften ihrer Heimat
ewachtseins, der freien Be¬
sprach.
dem, der schwache, allein¬
Friedrich Staps wurde von seinen Eltern und Be¬
e den Plan, Deutschland von
kannten nicht mehr gesehen. Nur noch einmal tauchte er
porkömmling zu befreien, in
auf, im fernen Wien, im Schloßhofe zu Schönbrunn, um
n nur Diabolisches erkannte.
dann gleich wieder zu verschwinden, unterzugehen für
her Freunde von dem wag¬
immer. Aber das eine Hervortreten hatte ihn zu einer
ktte man vielleicht auch mit
historischen Figur gemacht; so wahnwitzig es auch war,
seine Ausführung wollte
es reihte den Jüngling jenen Männern an, die furcht¬
riedrich wurde besorgt zur
los und heldenmütig für die Befreiung Deutschlands
n Weg ins Verhängnis zu¬
steitten und starben. Die Szene von Schönbrunn und
als würde er die Torheit
das, was nachher folgte, ist oft erzählt worden. Wir
seinen Entschluß aufgeben.
wollen die traurigen Geschehnisse nur mit wenigen
ich war Friedrich Staps be¬
Strichen in die Erinnerung zurückrufen. Am 12. Oktober
sich fertig.
1809, an einem Vormittage, war's, zur Zeit, als die
als der Lehrherr zur Messe
Friedensverhandlungen zwischen Oesterreich und Napoleon
bestellte der Pfarrerssohn
geführt wurden. Um einer der alltäglichen Paraden bei¬
sich einen Paß nach Naum¬
zuwohnen, stieg der Kaiser der Franzosen mit seinem
trecke ausstellen und reiste
imposanten Gefolge die Schloßtreppe hinunter. Im weiten
Untergange entgegen. Die
Hofe scharten sich die Wiener, die wieder herbeigeströmt
frregte sofort Bedenken und
waren, um Zeugen des bevorstehenden bunten Schau¬
daß er als Soldat zu den
spiels zu sein. Da merkte das wachsame, scharfe Auge
für sein Ideal zu kämpfen
des Generals Rapp, wie ein Jüngling sich vordrängte,
r wollte mehr, ohne sich in
dessen Gesicht Spuren von Entschlossenheit und Erregung
rechten Weges bewußt zu
zeigte. Nichts Gutes ahnend, gab Rapp den Besehl, den
wies bloß verschwommen
jungen Menschen zu verhaften und im Schlosse zurück¬
vor seiner Abreise von
zubehalten, bis die Parade vorüber sei. Ganz unauffällig
hnen der gute Vetter über¬
wurde das Gebot des Generals vollführt; die Wiener,
gebracht, daß Sie mich nie
die so vieles schauen durften, übersahen diesen kleinen
hnnte ich Ihnen fühlbar
Zwischenfall.
d, Ihnen dies zu schreiben,
Als Friedrich Staps nach seiner Verhaftung unter¬
fort, fort, um zu voll¬
sucht wurde, fand man ein großes, scharf geschlissenes
en, was ich ihm fürchterlich
Küchenmesser in seinem Besitze. Der Jüngling machte
bringen. Fort muß ich, um
kein Hehl aus seinen Absichten. Dem Kaiser selbst sagte
ben, vom Tode zu retten
er ins Gesicht, daß er ihn töten wollte. Nach zeit¬
Was und wie ich es tun
genössischen Aufzeichnungen entspann sich dabei folgender
licht entdecken. Schon vor
Dialog:
en Gedanken, dies zu tun,
„Ihr seid verrückt, junger Mann,“ meinte Napoleon.
isse. Als ich zwei Tage
„Ihr gehört zu den Mitgliedern des Illuminaten¬
u geben, mein Vorhaben
Ordens.“
urde es mir so hell vor
„Ich bin weder verrückt noch kenne ich das, was
sähe ich Gott in seiner
Ihr Illuminaten nennt.“
hen Worten zu mir sprach:
„So seid Ihr zum wenigsten krank?“
fir vorgenommen hast, ich
„Ich bin nicht krank, ich befinde mich durchaus
kin. Du wirst diesen Zweck
wohl.“
n Opfer bringen müssen,
„Warum wollt Ihr mich also ermorden?“
und selig sein. ...“ Eine
berichtete: „Am Sonntag
„Weil Ihr das Unglück meines Vaterlandes seid.“
wurde vom Sterben ge¬
„Habe ich Euch ein Leid getan?“
„Ja, wie allen Deutschen.“
standhaft gemacht. Ich
„Ihr seid ein Narr oder Ihr seid krank, sage ich
Euch,“ rief Napoleon hierauf dem unbeugsamen Staps
zu. Der Kaiser ließ einen Arzt kommen, aber so gerne
er die Bestätigung seiner Vermutung vernommen hätte,
der Heilkünstler konnte ihm nicht beipflichten. Nein, der
Jüngling war weder krank noch verrückt, sondern nur
von idealistischer Wahnwitzigkeit erfüllt. Nun stellte
Napoleon Staps die Befreiung für den Fall in Aussicht,
daß er sein Vorhaben bereuen wolle. Zu tief saß jedoch
der Groll im Herzen des Jünglings, zu groß war seine
Empörung und zu groß auch seine Wahrheitsliebe, als
daß er sich bekehren ließ. Mit seinem Leben hatte er
schon abgeschlossen, als er nach Schönbrunn gegangen
war; nun konnte er nur bedauern, daß ihm die Tat
nicht gelang. Die Standhaftigkeit und die ruhige Frei¬
mütigkeit des jungen Phantasten übten auf den kalten
Schlachtenlenker einen erschütternden Eindruck aus. Staps
wurde wohl dem Militärgerichte überantwortet und zum
Tode verurteilt, aber der Kaiser, der schon Hekatomben
hingeschlachtet hatte, dessen Größe aus Blutströmen
herausgewachsen war, konnte des jugendlichen Opfers
nicht vergessen. Er sprach viel von Staps, viel von den
Absichten, die den Pfarrerssohn geleitet haben mochten.
Aus den Memoiren des Generals Rapp erfahren wir,
daß Napoleon in dem Jünglinge das Werkzeug deutscher
Frauen sah, von denen er annahm, daß sie ihm nicht
gut gesinnt wären und daß sie fähig sein würden, die
Köpfe liebesbedürftiger junger Leute zu verirren. Aber
man darf voraussetzen, daß der scharfblickende Kaiser auch
weiter dachte, daß sich ihm in dem gut erzogenen
Pfarrerssohn der Geist des deutschen Volkes offenbarte
und daß er, der Weltbezwinger, vor der Macht erschauerte,
die in der nach Befreiung lechzenden deutschen Nation
lag. Nur so ist der jähe Wechsel in der Stimmung des
Kaisers zu erklären, der unter dem Eindrucke der Unter¬
redung mit Staps den raschen Abschluß des Friedens.
gebot. In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober ver¬
ließ Napoleon fast fluchtartig das stolze Schloß, in dem
er zum zweitenmal als Herr im fremden Lande geweilt
hatte. Später mußte ihm über die letzten Stunden des
Naumburger Kindes eingehend Bericht erstattet werden.
Nur einmal hatte der Jüngling gezittert ... als man
ihm mitteilte, daß der Friede zwischen Oesterreich und
Frankreich geschlossen sei. Friede mit Napoleon, mit dem
Würger der Menschen! Das war zuviel für den opfer¬
mutigen, unglücklichen Rächer. Als es zu sterben galt,
schritt er aufrecht und gefaßt zur Richtstätte, mit dem
Ruse: „Es lebe die Freiheit, es lebe Deutschland, Tod
seinem Tyrannen!“ sank der Jüngling, von wohl¬
gezielten Schüssen getroffen, zu Boden.
Das Geheimnis, in das der Attentatsversuch gehüllt
wurde, umgab auch den Tod des Verwegenen. So konnte
das Ereignis und der Name des Schwärmers rasch in
Vergessenheit geraten. Erst im Jahre 1813, als durch
Deutschland ein Sturm edelmütiger Begeisterung rauschte,
erinnerte man sich wieder des Jünglings, in dem nun —
so merkwürdige Zufälle schafft das Schicksal — niemand