N
22 eungdardus
Telephon 12.801
44
„OBSERVEh
öst. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I. Konkordiaplatz 4
Vertretungen
Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
gen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
ris, Rom, San Francisko, Stockholm, St. Petersburg
(Quellenangabe ohne Gewähr)
sschnitt aus: WIENER CARIGATURENE
-4. 12 1910
Theater.
Der junge Medardus.
Wir haben ein großes Drama noch
In Wien trotz aller Witzler,
Z. B. Großes leistet jetzt
Unstreitig Arthur Schnitzler.
Er schrieb ein Drama für die Burg,
Das immer sich wird lohnen,
Es finden Beschäftigung dabei
So einige hundert Personen.
Das ist in strenger Winterszeit
Ein löbliches Beginnen,
Auf eine Arbeitsgelegenheit
Für so viel Leute zu sinnen.
Das Stück „Der junge Medardus“ heißt,
Besteht aus zahllosen Bildern,
Man brauchte endlos lange Zeit,
Den Vorgang darin zu schildern.
Da gibt’s zuerst ein Liebespaar,
Das gleich durch Selbstmord verschwindet,
Worauf der Bruder der Unglücksmaid
Bereit sich zur Rache findet.
Es ist der Medardus, der sich sagt:
Verführt hast du mir die Schwester,
Ich halte fest am „Aug’ um Aug'!“
Und tu dir dasselbe mein Bester.
Es handelt um eine Prinzessin sich,
Doch macht Medardus nicht Faxen,
Er schleicht zu ihr ins Zimmer sich
Und fühlt sich der Rache gewachsen.
box 26/6
NEN.
Er rächt sich dort die ganze Nacht,
Mit Aufwand aller Kräfte,
Verläßt sodann das hohe Haus,
Und hat nun andre Geschäfte.
Er geht auch auf Napoleon los,
Er denkt sich: „Jawohl, ich freß ihn,“
Wenn auch die Rache dort schwerer ist
Als bei der feschen Prinzessin.
Schon will er töten Napoleon,
Mit einem scharfen Messer,
Do kommt die Prinzessin, Medardus denkt:
„Da kenn ich aus mich besser.
Und sticht die arme Prinzessin tot,
Vergessend die Rachenächte,
Von einem jungen Wiener wer wohl
So dummes Beginnen dächte!
Natürlich stirbt auch Medardus dann,
Der töricht wilde Knabe,
Auch andre Leute bringt Schnitzler noch
In diesem Stück zu Grabe.
Wie grausam solch ein dichtender Arzt
Ist oft im Reich der Bühne,
Er tötet, was ihm anvertraut,
Und niemand fordert Sühne.
Der Bruder Schnitzlers mir mehr gefällt,
Er ist kein Held der Bretter,
Doch viele Menschenleben erhielt
Er als chirurgischer Retter.
Vielleicht kommt er als Operateur
Zu Hilfe des Bruders Stücke
Und schneidet Überflüssiges weg.
Das würd' ihm gereichen zum Glücke.
NT. 40.
Und wenn auch der ganze Medardus drob
Müßt schließlich untergehen,
So wär’ als gelungen die Operation
Erst recht wohl anzusehen.
22 eungdardus
Telephon 12.801
44
„OBSERVEh
öst. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I. Konkordiaplatz 4
Vertretungen
Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
gen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
ris, Rom, San Francisko, Stockholm, St. Petersburg
(Quellenangabe ohne Gewähr)
sschnitt aus: WIENER CARIGATURENE
-4. 12 1910
Theater.
Der junge Medardus.
Wir haben ein großes Drama noch
In Wien trotz aller Witzler,
Z. B. Großes leistet jetzt
Unstreitig Arthur Schnitzler.
Er schrieb ein Drama für die Burg,
Das immer sich wird lohnen,
Es finden Beschäftigung dabei
So einige hundert Personen.
Das ist in strenger Winterszeit
Ein löbliches Beginnen,
Auf eine Arbeitsgelegenheit
Für so viel Leute zu sinnen.
Das Stück „Der junge Medardus“ heißt,
Besteht aus zahllosen Bildern,
Man brauchte endlos lange Zeit,
Den Vorgang darin zu schildern.
Da gibt’s zuerst ein Liebespaar,
Das gleich durch Selbstmord verschwindet,
Worauf der Bruder der Unglücksmaid
Bereit sich zur Rache findet.
Es ist der Medardus, der sich sagt:
Verführt hast du mir die Schwester,
Ich halte fest am „Aug’ um Aug'!“
Und tu dir dasselbe mein Bester.
Es handelt um eine Prinzessin sich,
Doch macht Medardus nicht Faxen,
Er schleicht zu ihr ins Zimmer sich
Und fühlt sich der Rache gewachsen.
box 26/6
NEN.
Er rächt sich dort die ganze Nacht,
Mit Aufwand aller Kräfte,
Verläßt sodann das hohe Haus,
Und hat nun andre Geschäfte.
Er geht auch auf Napoleon los,
Er denkt sich: „Jawohl, ich freß ihn,“
Wenn auch die Rache dort schwerer ist
Als bei der feschen Prinzessin.
Schon will er töten Napoleon,
Mit einem scharfen Messer,
Do kommt die Prinzessin, Medardus denkt:
„Da kenn ich aus mich besser.
Und sticht die arme Prinzessin tot,
Vergessend die Rachenächte,
Von einem jungen Wiener wer wohl
So dummes Beginnen dächte!
Natürlich stirbt auch Medardus dann,
Der töricht wilde Knabe,
Auch andre Leute bringt Schnitzler noch
In diesem Stück zu Grabe.
Wie grausam solch ein dichtender Arzt
Ist oft im Reich der Bühne,
Er tötet, was ihm anvertraut,
Und niemand fordert Sühne.
Der Bruder Schnitzlers mir mehr gefällt,
Er ist kein Held der Bretter,
Doch viele Menschenleben erhielt
Er als chirurgischer Retter.
Vielleicht kommt er als Operateur
Zu Hilfe des Bruders Stücke
Und schneidet Überflüssiges weg.
Das würd' ihm gereichen zum Glücke.
NT. 40.
Und wenn auch der ganze Medardus drob
Müßt schließlich untergehen,
So wär’ als gelungen die Operation
Erst recht wohl anzusehen.