II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 285

Mei
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22. Der junge ardus
BL
1.71
„ Tus geht mich nichts an,“ antworteie Schwelberg. „Ich bin
„OBSERVEK
stlob nicht Burgtheaterkritiker. Als Marquis von Valois ist er
I. österr. behördl.
ner Verlobten, der Wolgemuth, der Riesenvame vom Franzens¬
kouzessionirtes
ig, nicht gewachsen. Da hat er sich, um die Höhendifferenz auszu¬
Bureau
eichen, die Schuhe vierfach besohlen lassen. Wenn er sie nun auch
für Leitungsnachrichten
noch nicht überragt, wachst sie ihm wenigstens nicht über den Kopf
Wien, I.
nd er braucht keine Angst zu haben, daß er, wenn sie ein Paar
Kankordiaplatz 4
erden, eine Simandlrolle spielen muß.“
„Vielleicht kriegt das Deutsche Volkstheater mit dem Molnar¬
—3. Derrr. 1910
chen „Leibgardisten ebenfalls eine Sensationskomödie,“ sagte Muckerl.
(Drei Wiener Bühnen haben sich um das neueste Werk des
Sonn- U. Montags Zeitung Wien
ingarischen Dichters beworben. Baron Berger hat seine Fühler aus¬
Jesteckt, die Direktoren der Neuen Wiener Bühne haben mit genan
gezählten vierzig Fingern danach gegriffen, und Direktor Weisse, der
Im Theater-Café.
direkt nach Budapest gefahren ist, hat's erwischt, und trotzdem er noch
zweiundfünfzig Novitäten am Lager hat, soll der Leibgardist; noch
X.
hiuer im Volkstheater gestiefelt und gespornt auftreten. Interessant
„Habt's g'lesen?“ fragte Bretzl. „Direktor Wallner hat von
ist, daß der zweite Akt in einer Theaterloge spielt.“
" aner „nlcht genahpt sein wollenden Zuckerbackerin a Torten g'schickt
Schwelberg schmunzelte. „Auf die Weis',“ sagte er, „kann
kriegt, die er nachher beim Theaterportier deponiert hat. Vielleicht
Sekretär Geiringer beruhigt sein. Wenigstens eine Loge wird an jedem
paus Angst, daß f' statt mit Weinberln mit Kronäugerln g’spickt is.“
Abend besetzt sein.“
„Unsinn!“ rief Muckerl. „Wer hätt' ein Interesse daran, daß
Muckerl warf dem Hauslibrettisten einen vorwurfsvollen Blick
Karczag seine schöneret Hälfte einbüßt?“
zu, wobei er sich diesen Witz Schwelbergs auf die Manschette
„Es wirß sich einfach um einen guten Spaß gehandelt haben,“
notierte.
ließ sich Schwelberg vernehmen. „Hinter die unorthogräfliche Ab¬
„Alexander Engel sollte Dich bei seinem nächsten Niese=Stück
senderin wird sich einet der auswärtigen Theaterdirektoren gesteckt
zum Kompagnon nehmen,“ rief Dr. Fliegenleim Aram Schwelberg zu.
haben, die zur Premiere nach Wien gekommen waren, um „Die
„Was braucht er mich?“ antwortete dieser. „Die Lemt' lachen
schöne Risette zu erwerbenkoder auch nicht zu erwerben. Karczag und
bei der „Jammerpepi“ ohnehin. Sogar der Papagei, der im Stück
Wallner, die nicht bloß Direktoren, sondern auch Verleger sind, wollten
ebenfalls mittut, hat sich schon beruhigt. In der Premiere hat er
die fremden Kollegen in bessere Laune bringen, als dieses die Operette
nicht zu plappern aufgehört. Engel war darüber außer sich. Er
zuwege gebracht hat, und haben den Direktoren in einem unserer
zerreißt uns ja die Stimmung,“ hat der Dichter dem Regisseur Ram¬
feinen Restaurants ein Souper gegeben. Den Zeitungen haben die
harter vorgeraunzt. „Das is halt ein Kreuz, hat ihm der Regisseur
Herren von der Wien mitgeteilt, daß über vierzig Direktoren zur
geantwortet. 's Paperl is nur ruhig, wann im Haus g'lacht wird.“
Premiere hier eingetroffen sind. Es waren aber glücklicherweise kaum
No und jetzt is er mäuserlstad. Die Niese raunzt weniger und das
zwanzig, na, und so haben Karczag und Wallner nicht gar zu tief
Publikum lacht mehr.“
einander in die Taschen greifen müssen. Da wird sich alsdann einer
Der Reporter brachte seinen rechten Ohrlössel auffallend
der Direktoren durch Uebersendung der Torte revanchieren haben
näher. Bretzl bemerkte dies und fragte ostentativ laut:
wollen.“
„Is was dran, daß der Weingartner zusammen mit Karczag
„Da ist die Weingartner=Torte echter gewesen,“ bemerkte
und Wallner d' Volksoper pacht'n soll?“
Dr. Fliegenleim. „Wie Direktor Weingartner in den Salons der
Dr. Fliegenleim ließ ein vielsagendes „Hm, hm!“ vernehmen
Marcel seine neueste Symphonie vor geladenen Gästen aufgeführt hat,
und fügte dann hinzu: „Reden wir lieber von was anderem.“
ist ihm eine Torte zugekommen, auf der eine süße Widmung von
AHmMMMAARMHRRMRTRATAAR
einer unbekunnten Verehrerin zu lesen war, die geradeso wie der
Bürgermeister und die Philharmoniker untröstlich darüber zu sein
scheint, daß er in der Vollkraft des Daseins aus dem Musikleben Wiens
freiwillig scheiden will.“
„Auf die Operndirektions= und Kapellmeisterfrage hätt' ich die
richtige Antwort,“ bemerkte Schwelberg. „Jeden gottgegebenen Tag
eine Meldung, die die vorangegangene dementiert. Die Geschichte

wächst einem schon zum Hals' heraus.“
„Da g'freut am no mehr 's Burgtheater. Da gibt's, Gott sei
Dank, wenigstens jetzt kane Krisen und ma hört und lest nur von
ausverkauften Häusern, wenn 'n Schnitzler sein Stuck geb'n wird.
Mir scheint, der „Junge Medardus wird no an alter Jud' wer'n“,
sagte Bretzl.
„Aber tragen tut's nichts,“ meinte Dr. Fliegenleim. „Was
allein die Spielhonorare pro Aufführung ausmachen, das ist nicht
hereinzubringen. Ich bitt' Euch, über siebzig Personen und darunter
Spielhonorare von mehr als hundert Kronen pro Abend. Das gibt
was aus!“
„Von der moralischen Hebung des Theaters sagst aber nichts,“
bemerkte Schwelberg. „Man red't auch ohne Kainz wieder vom Burg¬
##theater. Außerdem sind einzelne Schauspieler durch ihre Rolle sichtlich
gewachsen. Zum Beispiel der Devrient ...“
„Ist er denn gar so gut?“ fragte Muckerl.