II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 312

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22. Denjunge-Nedandus
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dBibliographie.
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etungen
Chicago, Cleveland, Christiania,
Madrid, Mailand, Minneapolis,
rancisco, Stockholm, St. Peters¬
Toronto.
be ohne Gewähr.)
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worden. Die Vorsichtigen haben, von den bluttollen Fanghunden des
Schönherr.
Papsttums verfolgt, ihr lutherisches Herz jahrhundertelang vor aller
Welt verborgen. Die Bekenner aber wurden landfremd erklärt
[Nachdruck verboten.]
und verwiesen, nur die junge Brut riß der katholische
ssmann (Wien).
Gebieter an sich, um sie zu
„retten“.
Noch 1713
t Jahren ähnliche Huldigungen für
wurden Zillertaler Bauern aus ihren Bergen vertrieben
haben wie dieser Tage im Deutschen
Diese „Tragödie eines Volkes“ weiß Schönherr durch vier oder
ährung der Bauerntragödie „Glaube
fünf Gestalten zu repräsentieren: Der greise Rottbauer, der achtzig
Schönherr ein stolz isolierter
Jahr lang sein evangelisch Herz zu verstecken weiß, der Rottbauer¬
die Punze „Jungwien“ noch ist
sohn, der unwillkürlich zum Bekenner wird, der Engelbauer, der
ichter, er journalistelt nicht, und
katholisch bleibt und zum „Häuserfresser“ wird, indem er die Wirt¬
nnschaft steht nicht hinter ihm,
schaften der Vertriebenen billig aufkauft, und daneben, in großem
varze, noch ins Schwarzrotgoldene.
Format, ein einziger katholischer Reiter, der blutbesprengt, mit schnell
Versöhnlichkeit liegen diesem strengen
geschwungenem Schwert durchs Dorf rast. Jeder äußerliche Stückmacher
nicht weibisch um die Gunst des
hätte die Legionen der habsburgschen Landsknechte auf die Bühne
agte, er arbeitet für einen Einzigen,
gebracht, wie sie mit Mut und Blut das „Inwendige“ der Bauern
der allein steht, war wieder einmal
katholisch erzwingen wollten. Schönherr hat nur einen einzigen
Krieger in die Mitte der Tragödie gestellt, aber der Zuschauer sieht
Ktarl Schönherrs Meisterstück. Wir
hinter dem Einen das unsichtbare Heer der Habsburger, die rasende
Zelotenschar, die Schwertschwinger, die die Seelen umkrempeln wollten,
Wahrscheinlich ist es knapp vor
indem sie die Leiber zerhieben.
mit es mit dem Grillparzer¬
Ohne den leifesten Hauch von Sentimentalität — dies un¬
erke stehen da nicht in Konkurrenz.
sentimental=männliche ist Schönherrs beste Tugend — wird das
ardus“, um nur von den Oester¬
el tiefer, erlebter, gedrungener ist
Heimatsthema variiert. Ueber die Landstraße, verachtet selbst
ardus“ ist eine kunstreiche Schnitzlerei,
noch von den vertriebenen Bauern, z hi ein Vagantenpaar,
rz gegossenes Werk. Auch die Schön¬
das Straßentrapperl und der Kesselflickwolf, Findelkinder. Die zwei
Medardus“ ein historisches Drama,
besorgen sich Paß und Heimatsschein, damit ihr Junges, wenn es
Tiroler Geschichte nicht gleichmütig,
geboren wird, weiß, wer seine Eltern sind. Ungesagt summt's durch
die Vergangenheit wird ihm, so wie
die Szene: Auch Eltern sind schon ein Stück Heimat .... Eine
gegenwärtig, der Urväter Schicksal
andere Variation: Der Rottbauer hat in einem Karren seine Habselig¬
*
Glaube oder Heimat? Das ist
keiten aufgepackt. Da hängt sein Sohn „der Spatz“ einen grünen Zweig
Dichtung. Tiroler Bauern werden
und ein Vogelhäusel dran. „Damit was mitsingt auf der Landstraße.“
om angestammten Boden vertrieben,
Das spielende Kind will auch den Wanderkarren heimisch und heimat¬
inicht abschwören. Prachtvoll ist die
lich machen ...
inGrund gezeichnet, dieses Jahr¬
Die Tragödie steigt besonders im letzten Akt steil an. Der „Spatz“
mit jedem Stück Leinen, mit jedem
sol aus dem „Dreig'span“ von Mutter und Vater gerissen werden,
it dem Acker, den schon der Urahn
wel ja die jungen Seelen zur katholischen „Rettung“ gezwungen
hat doch eigentlich stets nur den
werden. Der Leichtfüßige, Leichtbeseelte entspringt in den
dargestellt; den erdschweren Arbeits¬
Mühlbach. Dort erschlägt ihn das Wasserrad. Nun ver¬
gestaltet.
liert der Rottbauer alle evangelische Ruhe, mit griffigen Bauern¬
nal, durch ein Wunder, das kein
fäusten preßt er den Reiter zu Boden, schreit nach einer Hacke,
ein Lichtlein angezündet worden. um dem Verderber seines Friedens den Schädel zu spalten, und läßt
urch die Reformation revolutioniert] doc, ehe er den Todesstreich führt, die Hand fallen, weil ihn der
evangelische Wille wieder übermannt. ... Auch das ist aber ohne
Theatralik gemacht. Der Rottbauer steht da und würgt förmlich
sein Christentum hervor. Zentnerschwer ist seine Hand, aber er hebt
sie doch und streckt sie, während er grimmig in die Luft starrt, weit
von sich, damit irgendeiner, wenn er will, sie fasse. ... Der wilde
Reiter tappt nach der Hand des Evangelischen.... Der Rattbauer zieht
ab.... Der Reiter, innerlich geschlagen, zerbricht sein Schwert.... Dieser
Schluß, so ergreifend er in seiner Stummheit ist, ist das Unhistorische
der Tragödie. In Wahrheit hat der wilde katholische Reiter die
Hand noch abgehackt, die ihm evangelisch entgegengestreckt wurde!
Die Gegenreformation hätte nie gesiegt, wenn sie sich zur Toleranz
hätte beirren lassen. Und psychologisch betrachtet: Das Evangelische,
das Rein=Christliche entwaffnet, ach, nie den anderen, immer nur
den Christen selbst ....
„Glaube und Heimat“ wurde im Deutschen Volkstheater meisterhaft
gespielt. Schönherr selbst hatte die Vorstellung infzeniert und in
den Schauspielern viele Gemeinheiten der Rontine auszutreiben ge¬
wußt. Wie nützlich ist den Schauspielern gelegentlich eine solche
Aititheatralische Kur! Namentlich Willi Thaller war drum von
Frhabener Schlichtheit.
Die Zuschauer, während des Spiels atemlos still, jauchzten dem
Dichter zu. Aehnliche Chöre der Begeisterung wurden im Deutschen
Theater schon lange nicht gesungen.