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1910, dem Tage derer Aufführung, ist dieses Drama
der stärkste Erfolg des Spieljahres geblieben; schon lange
war es dem Hofburgtheater nicht beschieden gewesen,
mit einer Novität in gleichem Maße bei der literarischen
Kritik freudigste und uneingeschränkte Zustimmung, wie
beim Publikum tiefe und nachhaltige Wirkung zu er¬
regen. Schon die äußeren Momente waren ungewöhnlich
und Aufsehen erregend; der Theaterzettel des Hofburg¬
theaters, dessen Format seit undenklichen Zeiten zum
ersten Male vergrößert werden mußte, umfaßle nicht weniger
als 70 Namen, zu denen ja noch die vielen Namenlosen
hinzukommen; die Szene verändert sich, obwohl das Drama
nur die üblichen fünf Akte nebst einem Vorspiel aufweist,
siebzehnmal, und die Aufführung währt, trotz der
gegenüber der Buchausgabe vorgenommenen Kürzungen, bei¬
nahe fünf Stunden. Dennoch erlahmt das Interesse des
Zuschauers bei dieser ungewohnt langen Dauer keinen Augen¬
blick, und es wird wenige Wiener der intellektuellen Kreise
geben, die es versäumen, Wien und die Wiener vom
Jahre 1809 im dichterischen Spiegel Schnitzlers zu sehen.
Es ist die Zeit der zweiten französischen Invasion,
Napoleon erscheint vor den Toren Wiens und residiert in
Schönbrunn. Der Held des Stückes — ein Held wie Hamlet,
mitunter schwankend und unsicher, im entscheidenden Moment
zur vollen Größe sich aufrichtend — ist Medardus Klähr,
der Sohn eines Buchhändlers, der 1805 während der ersten
französischen Invasion bei der Wiener Bürgergarde gestanden
und sich im Schneesturm an einem Fieber den Tod geholt
hat. In Medardus Klähr, dem Buchhändlersohn, ist ein
mutiger, tapferer, von Vaterlandsliebe beseelter Jüngling
geschildert; ein Liebesroman verwirrt ihn; er findet sich, da
er sich des versuchten Attentats an Napoleon bezichtigt,
und verwirkt sein Leben. Hier hat Schnitzler den Buch¬
händlersohn Klähr an die Stelle des Pastorsohns Friedrich
Staps gestellt, der zwei Tage vor dem Abschluß des
Wiener Friedens Napoleon in Schönbrunn zu töten be¬
absichtigte und, von einem wachsamen französischen Offizier
gefangen genommen, sich lieber erschießen ließ, als daß er
das Versprechen abgegeben hätte, dem Kaiser nicht mehr nach
dem Leben zu trachten. Von der poetischen Lizenz in ähn¬
licher Weise Gebrauch machend, beschwört Schnitzler die Er¬
innerung an den heidenmütigen Nürnberger Buchhändler
Palm herauf: ein bayrischer Leutnant in französischen Diensten
hält Nachforschungen nach dem verbotenen geographischen
Atlas von Schrämbel; Sattlermeister Jakob Eschenbacher, bei
dem zwei aus der Klährschen Buchhandlung stammende
Exemplare gefunden werden, wird gleich Palm nach
kurzem Verfahren standrechtlich erschossen.
Einige
Szenen spielen in der Buchhandlung. So mag es
vor hundert Jahren bei unseren Kollegen ausgesehen
haben: Kaufladen und Wohnung in engem Zusammenhang;
wir sehen rechts eine Tür, die in den Torweg
führt, links führt eine Wendeltreppe zu den Wohnräumen.
Ein langer Ladentisch, hohe Stellagen mit Büchern. Eine
kleine angezündete Ollampe hängt von der Decke herab.
„K 50, 1. März 1911.
Etzelt, der Geschäftsführer, vor dem Ladentisch, Bücher
ordnend. (Die Buchhändler im Publikum bemerken mit
Interesse die Geschicklichkeit und die Sorgfalt des Darstellers.)
Ein Gehilfe steht auf einer Leiter und reiht Bücher ein.
In Etzelt, dem Geschäftsführer der Buchhandlung, ist eine
höchst sympathische Figur gezeichnet; ein körperliches Übel;
verhindert ihn, seinem Vaterlande unter den Waffen zus
dienen; um so kräftiger ist seine Wirksamkeit als kluger,
mahnender, warnender Freund des jungen Medardus; er
vertritt den gesunden Menschenverstand und hängt an seinem
jungen Herrn mit ganzem Herzen. Der Buchhandel darf mit?
allen seinen Repräsentanten im Stücke (Mutter Klähr
Etzelt usw.) zufrieden sein. Sie machen durchweg einen vor¬
trefflichen Eindruck. Man erzählt sich in Wien, daß der
vortreffliche Darsteller des Buchhandlungsleiters Etzelt, Herr
Treßler, in jungen Jahren sich dem Buchhandel zu widmen
gedachte und eine Zeitlang als Lehrling oder Gehilfe in
einer Stuttgarter Buchhandlung angestellt war. Vielleicht
erinnert sich bei diesen Zeilen ein Leser des Börsenblatts
seines einstigen Kollegen, der es nun in der dramatischen
Kunst zu so hohem Ansehen gebracht hat.
Telephen 12 ##1.
„
„UDSERTER
4. Deterr. behördl. kenz. Untergehmen für Zeitungs-Ausschnltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianta,
Geuf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(De=Denengebe ehne Sewäbr.
Anschit aus Die Lemuhe, Wpien
vom: 1.9 MKZ. 1011
1
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das Burgtheater zehrt immer noch
An Schnitzlers „Medardus dem jungen?
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Ein Schuß ins Schwarze gelungen.