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22. Der junge Nedardus
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an einem Abend diese Kunst rückblickend auf
zusammen, er macht ihn dünn, er zwingt seine
ihren grazilen und nur scheinbar mühelosen
Energie schlank und ragend aneinander und
Anstieg in sich aufnehmen kann, um an einem
aus dieser schlanken, gepreßten Energie zuckt
nächsten Zeuge der erreichten Höhe zu sein,
der Wille auf, der kiare Gedanke und die Tat.
die der Dichter in seinem neuen Werk erstiegen
Alle menschlichen Kräfte lösen sich in ihm.
hat. Würde es eines Beweises bedürfen, daß
Und was er an freundlicher Zärtlichkeit gegen
Schnitzler der Dichter Wiens genannt werden
die eigene Gattin schuldig geblieben ist, gibt
muß, (und dies scheint mir mehr zu sein als
er nun mit fast inbrünstiger Bitte an seinen
die Einschachtelung mit der Marke „ein Wiener
Liebling Max. Es ist kein Sentiment, sondern
Dichter"), daß die Säfte seines Schaffens ihre
ohne
ein männlich schönes Gefühl, das
reife Süße aus den Wurzeln trinken, die seine
Zwang — zur harten Entschlossenheit gegen
Kunst in das Erdreich dieser unserer vielge¬
den Ansturm der Pappenheimer übergehen
schmähten aber auch vielgeliebten Stadt ge¬
kann. Hätte Herr Weisse alle seelischen Ele¬
senkt hat — die Gegenüberstellung der Anfänge
mente Wallensteins so durchlebt wie die nicht
des Dichters und seiner Gegenwart brächte ihn.
schlaue, sondern nur kluge Diplomatenbehut¬
Es sind Wiener, die Anatols und Maxe, die
samkeit vor Wrangel, die energische Würde
Eschenbacher und Wachshuber und wie sie alle
beim Verrat Oktavios und die männliche Zärt¬
heißen mögen, Wiener in ihrer liebenswürdigen
lichkeit für Max, dann dürfte seine künstlerische
Verlogenheit und in ihrem sentimentalen Willens¬
Schöpfung dem menschlich Bedeutendsten bei¬
mängel, ihrem echten und verfälschten Helden¬
gezählt werden. So aber ist vieles klug angelegte
tum, in ihrer Lust an bunten Bildern und
Skizze und noch nicht blutvoll erfüllte Ausführung.
theatralischen Posen, ihrer heiteren Sorglosig¬
Ein gleiches gilt von Herrn Schreibers Oberst
keit und ihrer schmerzlichen Grübelei. Und
Buttler, diesem klobigen, in sich eingedickten
wer tiefer schürft, dem wird auch die Bluts¬
Drauflos mit der unfreien Unsicherheit des Empor¬
verwandtschaft nicht entgehen, die zwischen
kömmlings, die sich hinter einem angestrengt
dem leichtsinnigen Melancholiker Anatol und
konzentrierten Wesen birgt. Rund und voll ausge¬
dem jungen Medardus besteht. Vielleicht, daß die
tragen ist neben der Thekla Frl. Hannemanns,
Rassenvermischung in Anatol stärker zu spüren
Herrn Kutschers Illo und Herrn Weiß Isolani.
ist, daß er mehr vom modernen Juden in sich
Es läßt sich heute, am Tage nach der Erstaufführ¬
und seine halb leichtfertige, halb sinnierende
ung, nicht sagen, ob das Volkstheater mit der
Philosophie aufgenommen hat — aber beider
Wiedergabe des „Wallenstein“ nur einer pietät¬
Teben ist ein zwischen himmelstürmendem Wollen
vollen Gewohnheit der alljährlichen Schillerfeier
und versagendem Können schwankendes, fast
genügen wollte, oder ob es durch weitere Arbeit
traumwandlerisches Schreiten, die Symphonie
in weiteren Darstellungen den bedeutenden
ihrer Wünsche ist ihr Lebenslied, aufgebaut auf
Versuch zu einer bedeutenden Tat ausrunden
einem schwermütig-dunklen Mollakkord, den
wird. Und wenn sich der Geschmackspöbel der
das Schicksal in grelle Disharmonien zerreißt,
Erwachsenen am kleinen Schokoladenmädchen
die bei dem einen zur dramatischen Coda auf¬
ergötzt, so ist’s ein Trost, daß eine Zwei¬
stürmen, bei dem andern über ein sanftes
millionenstadt mehr als tausend Kinder besitzt,
Adagio in die prickelnden Wellen eines ironisch¬
als einem Abend ein Theatey
die an mehr
übermütigen Scherzos münden. Das Don Juan
füllen können.
Motio aber klingt in der führenden Stimme des
Hans Wantoch.
Orchesters von anno 1800 ebenso deutlich und
übertönt das Knattern der Gewehre und das
II.
drohende Brüllen der Kanonen einer großen
Zeit, wie in den leichtsinnig-schmerzlichen und
„Anatol“ und „Der junge Medardus.“
mit ihrer eigenen Anmut kokettierenden Melo¬
dien, die in den Gestalten der entzückenden
Sortraurig ist es um die Förderung unserer
Szenen aus dem Leben des Flaneurs von 1800
heimischen Dichter durch unsere leitenden Büh¬
mitschwingen. Wiener Luft ist hier wie dort
nen bestellt, daß es notwendig ist, das schein¬
als lebendiger Atem eingefangen und der gleiche
bar Seibstverständliche mit einem besonderen
Himmel wölbt sich über die leidenschaftliche
Lob und einem erfreuten Dank zu konstatieren:
Nacht, die Medardus in die Arme der Prinzessin
die Uraufführung eines neuen und die Wieder¬
von Valois führt und über jene, da zwischen
belebung eines Jugendwerkes Artur Schnißlers,
Anatol und einer wunderschönen Frau im Schnee¬
über dessen feine und vornehme W
treiben des heiligen Abends heimliche Lieder
anderen Stellen dieses Heftes manches Zu¬
zittern, die das Leben nicht laut werden läßt.
sammenfassende erläuternde Wege aufzeigt.
Derselbe Schnitzler und doch nicht derselbe:
Der Zufall, oder — wenn man will — „die
daß der Nug seiner Gestaltungskraft hier hö¬
Konjunktur des Tages“ hat es gefügt. daß man
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n. gal Mant Inre
Absicht, es glaubhaft zu machen, denn sie will
nicht erschüttern. Und wenn sie dies tut, dann
tröstet gleich wieder ein schalkhafter Blick:
„Das alles ist ja drollige Gaukelei“ und sie
lächelt still über sich selbst, daß sie sie vor¬
macht. Sie ist immer und durchaus Komödi¬
antin, „Cabotine“ auch wenn sie Tragik mimit
Ein.
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ihren grazilen und nur scheinbar mühelosen
Energie schlank und ragend aneinander und
Anstieg in sich aufnehmen kann, um an einem
aus dieser schlanken, gepreßten Energie zuckt
nächsten Zeuge der erreichten Höhe zu sein,
der Wille auf, der kiare Gedanke und die Tat.
die der Dichter in seinem neuen Werk erstiegen
Alle menschlichen Kräfte lösen sich in ihm.
hat. Würde es eines Beweises bedürfen, daß
Und was er an freundlicher Zärtlichkeit gegen
Schnitzler der Dichter Wiens genannt werden
die eigene Gattin schuldig geblieben ist, gibt
muß, (und dies scheint mir mehr zu sein als
er nun mit fast inbrünstiger Bitte an seinen
die Einschachtelung mit der Marke „ein Wiener
Liebling Max. Es ist kein Sentiment, sondern
Dichter"), daß die Säfte seines Schaffens ihre
ohne
ein männlich schönes Gefühl, das
reife Süße aus den Wurzeln trinken, die seine
Zwang — zur harten Entschlossenheit gegen
Kunst in das Erdreich dieser unserer vielge¬
den Ansturm der Pappenheimer übergehen
schmähten aber auch vielgeliebten Stadt ge¬
kann. Hätte Herr Weisse alle seelischen Ele¬
senkt hat — die Gegenüberstellung der Anfänge
mente Wallensteins so durchlebt wie die nicht
des Dichters und seiner Gegenwart brächte ihn.
schlaue, sondern nur kluge Diplomatenbehut¬
Es sind Wiener, die Anatols und Maxe, die
samkeit vor Wrangel, die energische Würde
Eschenbacher und Wachshuber und wie sie alle
beim Verrat Oktavios und die männliche Zärt¬
heißen mögen, Wiener in ihrer liebenswürdigen
lichkeit für Max, dann dürfte seine künstlerische
Verlogenheit und in ihrem sentimentalen Willens¬
Schöpfung dem menschlich Bedeutendsten bei¬
mängel, ihrem echten und verfälschten Helden¬
gezählt werden. So aber ist vieles klug angelegte
tum, in ihrer Lust an bunten Bildern und
Skizze und noch nicht blutvoll erfüllte Ausführung.
theatralischen Posen, ihrer heiteren Sorglosig¬
Ein gleiches gilt von Herrn Schreibers Oberst
keit und ihrer schmerzlichen Grübelei. Und
Buttler, diesem klobigen, in sich eingedickten
wer tiefer schürft, dem wird auch die Bluts¬
Drauflos mit der unfreien Unsicherheit des Empor¬
verwandtschaft nicht entgehen, die zwischen
kömmlings, die sich hinter einem angestrengt
dem leichtsinnigen Melancholiker Anatol und
konzentrierten Wesen birgt. Rund und voll ausge¬
dem jungen Medardus besteht. Vielleicht, daß die
tragen ist neben der Thekla Frl. Hannemanns,
Rassenvermischung in Anatol stärker zu spüren
Herrn Kutschers Illo und Herrn Weiß Isolani.
ist, daß er mehr vom modernen Juden in sich
Es läßt sich heute, am Tage nach der Erstaufführ¬
und seine halb leichtfertige, halb sinnierende
ung, nicht sagen, ob das Volkstheater mit der
Philosophie aufgenommen hat — aber beider
Wiedergabe des „Wallenstein“ nur einer pietät¬
Teben ist ein zwischen himmelstürmendem Wollen
vollen Gewohnheit der alljährlichen Schillerfeier
und versagendem Können schwankendes, fast
genügen wollte, oder ob es durch weitere Arbeit
traumwandlerisches Schreiten, die Symphonie
in weiteren Darstellungen den bedeutenden
ihrer Wünsche ist ihr Lebenslied, aufgebaut auf
Versuch zu einer bedeutenden Tat ausrunden
einem schwermütig-dunklen Mollakkord, den
wird. Und wenn sich der Geschmackspöbel der
das Schicksal in grelle Disharmonien zerreißt,
Erwachsenen am kleinen Schokoladenmädchen
die bei dem einen zur dramatischen Coda auf¬
ergötzt, so ist’s ein Trost, daß eine Zwei¬
stürmen, bei dem andern über ein sanftes
millionenstadt mehr als tausend Kinder besitzt,
Adagio in die prickelnden Wellen eines ironisch¬
als einem Abend ein Theatey
die an mehr
übermütigen Scherzos münden. Das Don Juan
füllen können.
Motio aber klingt in der führenden Stimme des
Hans Wantoch.
Orchesters von anno 1800 ebenso deutlich und
übertönt das Knattern der Gewehre und das
II.
drohende Brüllen der Kanonen einer großen
Zeit, wie in den leichtsinnig-schmerzlichen und
„Anatol“ und „Der junge Medardus.“
mit ihrer eigenen Anmut kokettierenden Melo¬
dien, die in den Gestalten der entzückenden
Sortraurig ist es um die Förderung unserer
Szenen aus dem Leben des Flaneurs von 1800
heimischen Dichter durch unsere leitenden Büh¬
mitschwingen. Wiener Luft ist hier wie dort
nen bestellt, daß es notwendig ist, das schein¬
als lebendiger Atem eingefangen und der gleiche
bar Seibstverständliche mit einem besonderen
Himmel wölbt sich über die leidenschaftliche
Lob und einem erfreuten Dank zu konstatieren:
Nacht, die Medardus in die Arme der Prinzessin
die Uraufführung eines neuen und die Wieder¬
von Valois führt und über jene, da zwischen
belebung eines Jugendwerkes Artur Schnißlers,
Anatol und einer wunderschönen Frau im Schnee¬
über dessen feine und vornehme W
treiben des heiligen Abends heimliche Lieder
anderen Stellen dieses Heftes manches Zu¬
zittern, die das Leben nicht laut werden läßt.
sammenfassende erläuternde Wege aufzeigt.
Derselbe Schnitzler und doch nicht derselbe:
Der Zufall, oder — wenn man will — „die
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nicht erschüttern. Und wenn sie dies tut, dann
tröstet gleich wieder ein schalkhafter Blick:
„Das alles ist ja drollige Gaukelei“ und sie
lächelt still über sich selbst, daß sie sie vor¬
macht. Sie ist immer und durchaus Komödi¬
antin, „Cabotine“ auch wenn sie Tragik mimit
Ein.