Me
22. berudardus
wo Schweigen innerlichst geboten; und wird weitläufig
t, wo Kürze und Einsilbigkeit das Selbstverständliche.
Faillermeister Eschenbacher, sonst eine so menschlich-liebevoll
gezeichnete Figur des Dramas, hat Hang zu sublimen
Er schaut in die Frühlingslandschaft hinaus und kon¬
Die Säfte quellen.“ Man hat die Empfindung: innere
guten Seele schwitzt, harzgleich, nach außen durch. Der
meint: „Mir ist noch keiner auskommen.“ Totengräber
isch=qualisizierten) Schauspiel haben immer so was jovial
in Hauch gutmütiger Verwesung ist um sie. Dann erscheint
htung: ein uralter Herr mit einem kleinen Mäderl. Der
moliert sich übers Sterben. Gleich hat man die peinliche
daß ganz bestimmt das kleine Mäderl früher wird daran
issen als der Greis. Richtig. In der Bastei=Szene wird,
Person, das Kind erschossen. Der Tod sim dichterisch¬
n Schauspiel) hat immer so säuerlich=wohlschmeckend
vinten. Da ist ein alter Arzt, der plötzlich ein wild-weh¬
hneidend humorvolles Hadern mit Gott beginnt, weil der,
die Lanne, Kinder vor den Eltern sterben läßt, und weil
das Leben eine Senkgrube ist, voll von mephitischem Jammer
Rand
Die Ballade mit ihren vielen Einlagen
ben scheint mir nicht die wertvollste Substanz des Schnitzler¬
es.
heatralischen, in der Komödie voll Spamung, Aufregung,
##liegt meines Erachtens der Hauptwert des „Jungen
Szenen von kräftigster Konzentration (die erste Fried¬
die Zähmung des wilden Medardus durch die Prinx ssin,
zeue, die letzte Szene des Eschenbacher und manches andre)
mer wieder das erschlaffende Interesse. Mit erlesenem
d die dramatischen Wege der Hauptakteure verschlungen,
ßersten Straffheit, gewissermaßen in der Luftlinie, spannen
den von Schicksal zu Schicksal. Ausgezeichnet der kleine
ischen Prinzessin und Arzt in seiner Ruhe, Klugheit und
blanke, schimmernde Einfachheit der Szene zu Beginn
die bunte Szene vor dem Schönbrunner Schloß, fast
d von Aktion und Affekt. Alles, was „Theater“ im Jungen
scheint hoch qualisizier“.
glücklich ist die Histo#te geraten. Sie wird breit, aber
Fläche entfaltet. Ein künstlich bewegter Binnensee von
hne natürliche Strömung, ohne Wellenschlag. Die Bastei¬
anz armselig. Man kommt und geht, benimmt sich furcht¬
ächerlich oder heldenhaft; aber alles so gleichgültig=typisch,
iftigkeit in der Farbe. Der hier gesprochene Text ist
elanglos; er könnte ruhig wegbleiben. In der bildhaften
box 26/7
Wirkung der Szene liegt der ganze Zauber. Und so wirkt auch
meistens die ins Schnitzlersche Werk verflochtene Historie. Rein
illustrativ. Bildbeilagen zum Schauspiel. Diese Szenen stehen im
Stück wie Steine in einem Strom. Das Drama fließt um sie in
langgewundenen flachen Schleifen herum, statt daß es durch sie ein
stärkeres Gefälle bekäme. Zeitkolorit und =Stimmung ist wohl da.
Aber das hätte sich mit weit geringerm Aufwand an Menschen,
Episoden und Szenenbildern erzielen lassen müssen. Einzig der Napo¬
leon, der im Hintergrunde wetterleuchtet, macht die Atmosphäre des
Stückes gefährlich, gespannt. Aber auch das bewirkt nicht des Dichters
Kunst, sondern die Assoziationen, die der Name im Beweßtsein des
Hörers frei macht.
Ein paar starke Eindrücke trägt man von der langen romantischen
Historie davon. „Lebensmitte', Mannesalter: das spürt man als die
primäre Zelle der ganzen Empfindungswelt dieses Werkes. Zwischen
zweierlei Angst ist es eingebettet. Zwischen der Angst vor den Un¬
gewißheiten und dem Un=Sinn des willenden, wollenden Lebens —
und der Angst vor dem Sinn und der Gewißheit seines Endens.
Zwischen Jugendsehnsucht und Todesgrauen liegt es.
Ein stark romantischer Zug waltet vor. Ein trotziger, ohn¬
mächtiger Trieb zur Selbstgestaltung des eigenen Schicksals. Ein
Versuch, über Tod und Leben, Größe und Kleinheit, Wollen und
Können das aufhebende Zeichen eines fatalistischen Lächelns zu setzen.
Der Stärke wird gehuldigt, dem Bewußtsein eigenen Wertes, als
der einzigen Möglichkeit, sein Leben zu leben und den Tod zu dulden.
Die schrullenhafte Ordnung, in der irdisches Geschehen abrollt, wird
gezeigt, die sonderbar verzwickten Rösselsprünge von Ursache zur
Wirkung, die „die Hand des Verhängnisses“ schlingt, und die erst
historisches Betrachten künftiger Geschlechter oder genial=perspektivisches
Sehen eines Dichter=Auges auflöst.
Das scheinen, in gedrängtester Kürze, die abstrakten Grundlinien
im neuen Schnitzlerschen Drama. Es ist kein Meisterwerk; aber das
Werk eines Autors, der schmerzhaft=genau fühlt, wie die Meisterschaft
aussehen müßte; und nach besten Kräften Annäherungswerte gibt.
Das Riesenkind der Schnitzlerschen Muse wurde im Burgtheater
wahrhaft fürstlich herausstaffiert. Eine lange Reihe zierlicher, intimer,
vornehmer, farbenfroher Szenenbilder rollte ohne Stockung ab, und
der Spielereien für Erwachsene gibt es eine weihnachtliche Fülle.
Manches, so die Bastei=Szene, sieht allzu niedlich und geschleckt aus.
Man hat da pirklich die Empfindung: Riesenspielzeug. Nach Schluß
der Szene wird alles, samt Herrn Gerasch, in eine große Schachtel
gepackt und auf den Schrank gestellt.
1967
22. berudardus
wo Schweigen innerlichst geboten; und wird weitläufig
t, wo Kürze und Einsilbigkeit das Selbstverständliche.
Faillermeister Eschenbacher, sonst eine so menschlich-liebevoll
gezeichnete Figur des Dramas, hat Hang zu sublimen
Er schaut in die Frühlingslandschaft hinaus und kon¬
Die Säfte quellen.“ Man hat die Empfindung: innere
guten Seele schwitzt, harzgleich, nach außen durch. Der
meint: „Mir ist noch keiner auskommen.“ Totengräber
isch=qualisizierten) Schauspiel haben immer so was jovial
in Hauch gutmütiger Verwesung ist um sie. Dann erscheint
htung: ein uralter Herr mit einem kleinen Mäderl. Der
moliert sich übers Sterben. Gleich hat man die peinliche
daß ganz bestimmt das kleine Mäderl früher wird daran
issen als der Greis. Richtig. In der Bastei=Szene wird,
Person, das Kind erschossen. Der Tod sim dichterisch¬
n Schauspiel) hat immer so säuerlich=wohlschmeckend
vinten. Da ist ein alter Arzt, der plötzlich ein wild-weh¬
hneidend humorvolles Hadern mit Gott beginnt, weil der,
die Lanne, Kinder vor den Eltern sterben läßt, und weil
das Leben eine Senkgrube ist, voll von mephitischem Jammer
Rand
Die Ballade mit ihren vielen Einlagen
ben scheint mir nicht die wertvollste Substanz des Schnitzler¬
es.
heatralischen, in der Komödie voll Spamung, Aufregung,
##liegt meines Erachtens der Hauptwert des „Jungen
Szenen von kräftigster Konzentration (die erste Fried¬
die Zähmung des wilden Medardus durch die Prinx ssin,
zeue, die letzte Szene des Eschenbacher und manches andre)
mer wieder das erschlaffende Interesse. Mit erlesenem
d die dramatischen Wege der Hauptakteure verschlungen,
ßersten Straffheit, gewissermaßen in der Luftlinie, spannen
den von Schicksal zu Schicksal. Ausgezeichnet der kleine
ischen Prinzessin und Arzt in seiner Ruhe, Klugheit und
blanke, schimmernde Einfachheit der Szene zu Beginn
die bunte Szene vor dem Schönbrunner Schloß, fast
d von Aktion und Affekt. Alles, was „Theater“ im Jungen
scheint hoch qualisizier“.
glücklich ist die Histo#te geraten. Sie wird breit, aber
Fläche entfaltet. Ein künstlich bewegter Binnensee von
hne natürliche Strömung, ohne Wellenschlag. Die Bastei¬
anz armselig. Man kommt und geht, benimmt sich furcht¬
ächerlich oder heldenhaft; aber alles so gleichgültig=typisch,
iftigkeit in der Farbe. Der hier gesprochene Text ist
elanglos; er könnte ruhig wegbleiben. In der bildhaften
box 26/7
Wirkung der Szene liegt der ganze Zauber. Und so wirkt auch
meistens die ins Schnitzlersche Werk verflochtene Historie. Rein
illustrativ. Bildbeilagen zum Schauspiel. Diese Szenen stehen im
Stück wie Steine in einem Strom. Das Drama fließt um sie in
langgewundenen flachen Schleifen herum, statt daß es durch sie ein
stärkeres Gefälle bekäme. Zeitkolorit und =Stimmung ist wohl da.
Aber das hätte sich mit weit geringerm Aufwand an Menschen,
Episoden und Szenenbildern erzielen lassen müssen. Einzig der Napo¬
leon, der im Hintergrunde wetterleuchtet, macht die Atmosphäre des
Stückes gefährlich, gespannt. Aber auch das bewirkt nicht des Dichters
Kunst, sondern die Assoziationen, die der Name im Beweßtsein des
Hörers frei macht.
Ein paar starke Eindrücke trägt man von der langen romantischen
Historie davon. „Lebensmitte', Mannesalter: das spürt man als die
primäre Zelle der ganzen Empfindungswelt dieses Werkes. Zwischen
zweierlei Angst ist es eingebettet. Zwischen der Angst vor den Un¬
gewißheiten und dem Un=Sinn des willenden, wollenden Lebens —
und der Angst vor dem Sinn und der Gewißheit seines Endens.
Zwischen Jugendsehnsucht und Todesgrauen liegt es.
Ein stark romantischer Zug waltet vor. Ein trotziger, ohn¬
mächtiger Trieb zur Selbstgestaltung des eigenen Schicksals. Ein
Versuch, über Tod und Leben, Größe und Kleinheit, Wollen und
Können das aufhebende Zeichen eines fatalistischen Lächelns zu setzen.
Der Stärke wird gehuldigt, dem Bewußtsein eigenen Wertes, als
der einzigen Möglichkeit, sein Leben zu leben und den Tod zu dulden.
Die schrullenhafte Ordnung, in der irdisches Geschehen abrollt, wird
gezeigt, die sonderbar verzwickten Rösselsprünge von Ursache zur
Wirkung, die „die Hand des Verhängnisses“ schlingt, und die erst
historisches Betrachten künftiger Geschlechter oder genial=perspektivisches
Sehen eines Dichter=Auges auflöst.
Das scheinen, in gedrängtester Kürze, die abstrakten Grundlinien
im neuen Schnitzlerschen Drama. Es ist kein Meisterwerk; aber das
Werk eines Autors, der schmerzhaft=genau fühlt, wie die Meisterschaft
aussehen müßte; und nach besten Kräften Annäherungswerte gibt.
Das Riesenkind der Schnitzlerschen Muse wurde im Burgtheater
wahrhaft fürstlich herausstaffiert. Eine lange Reihe zierlicher, intimer,
vornehmer, farbenfroher Szenenbilder rollte ohne Stockung ab, und
der Spielereien für Erwachsene gibt es eine weihnachtliche Fülle.
Manches, so die Bastei=Szene, sieht allzu niedlich und geschleckt aus.
Man hat da pirklich die Empfindung: Riesenspielzeug. Nach Schluß
der Szene wird alles, samt Herrn Gerasch, in eine große Schachtel
gepackt und auf den Schrank gestellt.
1967