II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 4

2
Berichte über Graukkührungen
Saste
S
und Neuerwerbungen

von B. Fischer, Verlag (Theaterabteilung), Berlin &e, Bülowstr. an
Januar 1919
Bericht Nr. 29
chnitzler:
Arthur
eiie Mitzzt odet der famttielttag
Kom
Komödie in einem Akt.
mit außerordentlichem Erfolge zum ersten male aufgeführt am 5. Januar 1909.
im deutschen Volkstheater in Wien.
Komtesse Mizzi“ ist eine der seinen Kleinigkeiten, die Schnitzler waren es wieder dieselben Leute, die gestern stürmisch applaudierten.
gleichsam als Intermezzi der Erholung, sozusagen um nicht aus Konsequenz ist ja nicht Sache des Publikums. Es gibt ein Lust¬
der Uebung zu kommen, die Geschmeidigkeit des Handgelenks zu spiel, das sehr berühmt ist, das Lustspiel, das wir erwarten.
Schnitzler könnte es schreiben.
Ja, die gestrige Komödie bedeutet
erproben, zwischen größeren, ernsteren Arbeiten schreibt. So ge¬
Handlung, Figuren und Dialog
langen ihm ein paar seiner Köstlichkeiten, „Der grüne Kakadu“ bereits eine Abschlagszahlung.
sind die Gebilde eines Meisters, der den scharfen Blick hat für
etwa, seine Marionettenspiele. Und nun diese ungemein amüsante,
die komischen Schwächen der Menschen, ohne sie zu verzerren.
von Ironie funkelnde, federleichte „Komtesse Mizzi“. „Der Familien¬
Und wie fein manierlich weiß er die kleinen Pikanterien und
tag“ lautet der Untertitel des Einakters, was ungefähr heißen soll:
Frivolitäten zu übertünchen, so daß sie nicht verletzend wirken.
Auf die Lebensmoral der aristokrati¬
Auch ein Familientag...
Man befindet sich in der Gesellschaft eines Mannes von Welt,
schen Welt hat Schnitzler schon wiederholt getippt, und hier tut er
dem zu sagen gegeben, was wir errötend gerne hören. So versetzte
es nochmals auf eine ebenso eindringliche wie unterhaltsame Art.
„Komtesse Mizzi“ ist siebenunddreißig Jahre alt geworden, denn die Geschichte der männererhaltenden Komtesse Mizzi und
ohne einen Heiratsantrag anzunehmen. Sie malt, das ist ihr ihrer allumfassenden Liebe das Publikum in die heiterste Laune,
einziges Pläsier. Ihr Vater, Witwer, hat ein Verhältnis mit der zumal die Herren Thaller, Kramer, Edthofer und Klitsch, sowie
Balletteuse Lolo die ihm und der Bühne gerade den Lauspaß die Damen Galafrés und Glöckner wahre Glanzleistungen boten.
gibt, um die Frau eines Fiakerbesitzers zu werden. Sie kommt Und wieder wurde Schnitzler stürmisch gerufen, der uns diesmal
zum Abschied sich noch das gräfliche Schloß ansehen. Aber vor ihr lachend beweist, daß auch in Liebessachen Blaublut tein besonderer
Illustriertes Wiener Extrablatt.
kommt Fürst Egon, der beste Freund des Grafen, zu Besuch und Saft ist.
bringt eine Ueberraschung mit: seinen achtzehnjährigen unehelichen
Sohn, von dessen Existenz der Graf keine Ahnung hatte. Da ist
Diese brillante einaktige Komödie, den Lesern unserer Öster¬
es nun sehr amüsant, wie sich herausstellt, daß Komtesse Mizz' nummer sicher noch in guter Erinnerung, war dem schwermütigen
die Mutter dieses Sohnes ist, wie der Fürst, der seinen Bengel,
Schauspiele beigesellt und folgte diesem wie ein Satirspiel der
weil er ihm viel Spaß bereitet, adoptieren will, ihr auf eine höchst
Tragödie. Um eine Liebelei handelt sich's ja dort wie hier,
unsentimentale Art einen Heiratsantrag macht, wie sie ihn zunächst
freilich im Falle des neuen Einakters um eine, die weit zurückliegt
ablehnt, aber sich zuletzt die Möglichkeit der Annahme offen behält,
und schon unter Lachen erzählt werden kann. Die „Komtesse Mizzi“
wie sich ihr Zeichenlehrer als ihr Liebhaber entpuppt, wie sie sich
ist Schnitzlers jüngstes Stück, die „Liebelei“
wenn man von
zu der Maitresse des Vaters hingezogen fühlt . . . Das alles ist in
seinem Erstlingswerk, dem „Märchen“ absieht —
sein ältestes.
einem lebhaft pointierenden, rasch gleitenden Dialog eingefangen,
So bietet der Abend eine schöne Gelegenheit, den Weg des Dichters,
ohne Verschämtheiten, mit sauberer Deutlichkeit, nicht zu boshaft,
der ihn von der Schwermut bis zum Lachen führt, genießend zu
nur mit einem Lächeln vorgetragen. Man kann nicht von Satire
verfolgen. Aber auch abgesehen von diesem nachdenklichen Schlu߬
sprechen, nirgends sind Verzerrungen, Uebertreibungen der Charak¬
vergnügen, ist es eine genußreiche Vorstellung: dichterisch und
teristik, auffällige Unterstreichungen, bloß von Ironie. Daß der
darstellerisch. Die „Liebelei“ wie auch die „Komtesse Mizzi“ sind
Graf niemals die Wahrheit erfährt, ist eine der wundervollen Echt¬
reich an den schönsten schauspielerischen Aufgaben.
heiten in Schnitzlers Stücken
Neue Freie Presse. Wien.
Es war ein stürmischer Erfolg. Schnitzler mußte nach der
„Liebelei“ sehr oft vor der Rampe erscheinen und wurde nach
Der gestrige Arthur Schnitzler=Abend dieser Bühne — man
Die Zeit, Wien.
„Komtesse Mizzi“ immer wieder gerufen.
gab „Liebelei“ und zum Schlusse eine Art satirischer Komödie in
hatte einen brillanten
Ich möchte ihn über den grünen Klee von ganz Oesterreich einem Akt, benannt „Komtesse Mizzi“
Fremdenblatt, Wien.
loben für die Komödie „Komtesse Mizzi“ oder „Der Familientag“. Erfolg.
die den heiteren Ausklang r Vorstellung bildete. Mir hat diese
Die einaktige Komödie: „Komtesse Mizzi“, die eigentliche
Satire bereits in der ersten Lesung ein köstliches Vergnügen
bereitet. Als sie in der „Neuen Presse“ erschien, schimpften die Novität von gestern, gehört in das Gebiet der Salonplauderei.
Leute über die Frechheit des dramatischen Reigens. Vielleicht Eine hübsche Idee, die mit viel Geist und vielen unterhaltenden