II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 26

box 26
21. Kontesse Mizz1oder der- Fanilientag
Fürst Ravenstein (55 Jahre alt), besucht ihn und ladet ihn ein,
mit nach Ostende zu fahren. Er, dessen Frau ebenfalls schon
∆ Feuilleton. 73
lange tot ist, eröffnet dem Grafen zu dessen größtem Erstaunen,
44
baß er, Ravn ein, einen 17jühr. unehrlichen Sohn habe, ener
e
Komtesse Mizzi.
jetzt adoptieren, durch des Kaisers Gnade mit dem Namen Ra¬
venstein beglücken, in die Gesellschaft einführen und daher zu¬
Ein neues Stück Arthur Schnitzlers. 9
erst seinen nächsten Freunden Arpad und Mizzi vorstellen
werde. Die Komtesse kommt aus dem Schloß zu den beiden, im
Wien, 6. Januar.
Garten behaglich Plaudernden; der Graf wird ans Telephon
„Ja, das Leben ist überhaupt merkwürdig, man vergißt's
gerufen. Mizzi fragt: „Gibts gar nichts Neues in der Welt?“
nur mcichmal“, sagt die Komtesse Mizzi in Arthur
77*) Es
Der Fürst antwortet: „Unser Sohn hat maturiert.“
Schni
#s neuester Komödie, die am 5. Januar im
stellt sich im Gespräch des Paares heraus, daß Mizzi just zu
Volkstheater zur Uraufführung gelangt ist.
jener Zeit, als ihr Vater=Wittiber vom Anbandeln mit Lolo
(In Buchsorm ist „Komtesse Mizzi oder der Familientag“,
vollauf in Anspruch genommen war, in einem Ursulinerinnen¬
Komödie in einem Akt, am Tag der ersten Aufführung im
kloster in den Sommerferien dem jetzigen jungen Ravenstein
Verlag von S. Fischer, Berlin, erschienen.) Also, das Leben
das Leben geschenkt hat. Damals wollte Mizzi mit dem
ist oft sehr merkwürdig. Wohlfeile Weisheit konstatiert manch¬
Fürsten durchgehen; er aber hat es vorgezogen, zu warten bis
mal, des Menschenschickfals Fügungen und Wendungen seien
seine Frau starb und Mizzi dann wiederholt Heiratsanträge
bisweilen sogar so verblüfsend unwahrscheinlich, daß man
zu machen, die sie, stark abgekühlt, immer refüsiert hat. Sie
sie, sähe man sie auf dem Theater dargestellt, als unglaub¬
entschädigte sich dafür am Herzen verschiedener anderer Män¬
haft ablehnen, als unmöglich verlachen würde. Schnitzlers
ner, was der Fürst ebenso genau weiß, wie sie alle seine
neue Komödie gibt so ein Lebensbild, worin das Unglaub¬
Liaisons in diesen 17 Jahren kennt. Wieder macht ihr der
lichste Ereignis wird.
Fürst einen Antrag, der wiederum abgelehnt wird. Es treten
auf: Lolo und der junge Ravenstein. Den jungen Ravenstein
In einer hübschen schloßartigen Villa mit einem wunder¬
hat sein Vater herbestellt; Lolo kommt ungebeten, weil ihr
schönen Park in der Nähe von Wien kommen nach und nach
10
der Graf immer versprochen hat, sie dürfe sich vor ihrer Ver¬
im Verlauf dieses Einakters sieben Menschen zusammen, die
alle —
heiratung einmal Park und Schloß ansehen, wo er mit seiner
sozusagen — in verwandtschaftlichen Beziehungen
Tochter wohne. Beide gefallen der Komtesse sehr gut. Es
stehen, so daß zuletzt sa stein richtiger, wenn auch uneingestan¬
tut ihr leid, daß Lolo nicht ihre Stiefmutter wird, es tut
dener „Familientag“ im altaristokratischen Sinn dieses Wortes
beisammen ist. Das Schlößchen — vielleicht hat Schnitzler
ihr fast leid, daß sie zu ihrem Sohne so gar keine Beziehungen
an Maria Theresias Schloß in Hetzendorf gedacht — gehört
hat. Nun folgt ein zärtlicher, aber doch diskreter Abschied
dem verwitweten Grafen Arpad Pazmandy. Er ist 61 Jahre
Lolos von der Komtesse und vom Grafen; dann empfehlen
alt und haust da draußen mit seiner wohlkonservierten Tochter,
sich auch der alte und der junge Fürst, ihre Einladung nach
der Komtesse Mizzi, die 37 Frühlinge zählt und Blumen¬
Ostende nochmals herzlich wiederholend. Arpad und Mizzi blei¬
stücke malt, auf denen sich Flieder und Goldregen dadurch von¬
ben allein zurück. Der Graf redet seiner Tochter zu, nach Ost¬
einander unterscheiden, daß der eine violett und der andere
ende mitzufahren, sie läßt sich ganz gern überreden und der
gelb ist. Also eine alte Jungfer, die es nicht mit Hunden
Graf entfernt sich, um gleich telephonisch für denselben Zug,
oder Vögeln, sondern mit Pinsel und Palerte hält, meint man.
mit dem die Ravensteins fahren, ein Kupee zu bestellen. Plötz¬
Es zeigt sich bald, daß die Komtesse nichts weniger als eine
lich kommt der Prof. Windhofer beim Gartentor herein, um
Jungfer ist und daß sie es mit ganz andern Dingen hält.
der Komtesse die tägliche Malstunde zu geben. Mizzi erklärt
Graf Arpad ist augenblicklich ziemlich melancholisch. Wie
ihm, daß sie für den Sommer verreise und fügt auf seine
seine Frau seinerzeit gestorben ist, da war er noch ein Mann
Frage hinzu, sie glaube nicht, daß sie im Herbst ihre Stunden
in den besten Jahren. Niemand kann es ihm also verdenken,
wieder aufnehmen werde....
daß er mit der schönen Balletteuse Lolo angeknüpft und 18
Professor: „Also ... ich bin entlassen, Maria.“
Jahre sehr glücklich gelebt hat. Leider hat diese Lolo immer
Komtesse: „Wie kann man sich so ausdrücken, Rudolf?
schon die Idee gehabt, sich, wenn sie sich einmal ins Privat¬
Es ist wirklich nicht sehr nett.“
leben zurückzöge, zu verheiraten. Der Graf wär' auch zur
Professor: „Verzeih'. Es ist doch ein bißchen rascher
Ehe bereit, aber die Lolo hat sich grad' wahnsinnig in einen
gekommen, als ich gedacht habe.“
„Fiakereigentümer, Hausbesitzer und Bürger von Wien“ ver¬
liebt und läßt sich lieber von dem heiraten. Begreiflich, daß
Komtesse: Besser, als wenn es zu langsam kommt.
Glaubst du nicht?“
Graf Arpad recht niedergeschlagen ist. In seiner Betrübnis,
an der er sein unschuldiges, (wie er meint) in der Lolosache
ahnungsloses Töchterchen Mizzi nicht teilnehmen lassen kann,
wird ihm ein kleiner Trost gebaten, Sein bester Freund. Egon#
*) Die Reifeprüfung des Gymnasiums bestanden.
Professor: „Ich bin fern davo
machen, Kind.“
Komtesse: „Hast auch wirklich
schön?“
Wohl während der Proben is
Witz eingefallen, der in das offen
nicht mehr Aufnahme hat finden
ruft nämlich dem melancholisch,
gehenden, etwas posierenden, ganz
demiekünstler nach: „Und grüß mir
und deine Kinder!“
Schon daraus, daß die Inhalt
so lang geraten ist, kann man er#
das Stück aufbaut. Die Technik i
beitet, ist virtuos bis zur Vollkon
flüssig, witzig und hält jenen noncha
haft fest, der speziell in Wien das
zwischen dem Hocharistokraten, dem
teuse und dem Grabenfiaker bildet
Komödie zu tun haben, nehmen wir
lichkeit der Verwicklungen mit gelas
ärgern uns nicht, daß die Pointen#
Nur.
Nur ging dieser Uraufführung
eines älteren Stückes von Schnitzle
ein Repertoirstück des Burgtheaters
von uns Oesterreichern, beinahe sch
wird. Es war die „Liebelei“, d
vor kurzem gleichfalls im Verlag v#
lage erschienen ist. Nach der reinen
Kunst dieses Schauspiels wirkte die
oder vielleicht gerade wegen ihrer
gekünstelt blut'os: Gedankenprodu
den Inhalt eines jeden, über den
Bühnenstückes mit drei Sätzen wie
Ein junger Mann hat gleichzeitig
einer verheirateten Frau aus der G#
Mädel aus der Vorstadt. Er fällt
Mann der verheirateten Frau. Das
zweiflung darüber, daß er in ihrn
finden können, so daß es ihm mög
*
andere totschießen zu lassen.
„Familientag“ wird auch der g
drei Sätzen auseinanderwickeln kön
Dargestellt wurden beide Stücke
ganz unvergleichlich, weil die zum
Darsteller den österreichischen Ton,
Werken Schnitzlers liegt, mit unerr
Echtheit trafen. Der Erfolg war, da
Liebling Wiens ist, ein großer sam
alle Besucher des ausverkauften D
Verwandten Ruhmestag geiommen,
tag.“
D