II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 30

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„No, mein Lieber, Diskretion is Ehrensach', verstehn S':cherchez
la femme!“ erwiderte der Graf und lächelte den Wachtmeister ver¬
traulich an. Der tat, als ob er verstünde, salutierte stramm und
zog stolz von dannen; die andern ihm nach. Draußen beschimpfte
der Wachtmeister die Besenfrau, daß sie wegen so einem Schmarrn so
viele Geschichten machte.
Fred Fakler.
Von unseren Bühnen.
Deutsches Volkstheater. Zum ersten Male: „Liebelei“
Schauspiel in drei Akten, und „Komtesse Mizzi oder der Familien¬
tag“, Komödie in einem Akte, von Artur Schnitzler. Der Dichter
darf auf diesen Abend besonders stolz sein. Er brachte ihm den
Beweis, daß sein volkstümlichstes und ursprünglichstes Werk „Liebelei“
jung geblieben ist und an Kraft nichts eingebüßt hat.: Die Zahl
derer, welche nach Schnitzler das „süße Mädel“ poetisch verherrlichten,
ist groß. Alles aber ging unter
nur das Originalwerk erfreut
nach mehr als dreizehn Jahren gleichwie eine Novität, Über dem
Ganzen schwingt ein echt wienerischer Ton. Heiter=wehmütig ist die
Stimmung, aus der die Geschicke herauswachsen. Und das fast
mustergültige Ensemble brachte diese Stimmung glänzend zur Geltung.
Fräulein Hannemann, welche die Christine mit keusch=inniger
Sprödigkeit gab, wird in die erschütternde Tragik des Schlußaktes
noch mehr hineinwachsen, wenn sich ihr Schmerz impulsiver auslöst.
So etwa wie bei Kutschera, dessen schlichter Vorstadtmusiker an
die besten Darsteller des nun toten Volksstückes gemahnte. Richtig
erfaßt und mit ein paar keck=sicheren Strichen gezeichnet war die
Schlager=Mizzi“ des Fräulein Waldow. In ihr scheint ein starkes
Talent zu reifen. Frau Thaller und die Herren Edthofer und
Kramer standen auf der Höhe ihrer Aufgaben. Nur Herr Klitsch
fiel empfindlich ab. Ich liebe es nicht, zu vergleichen. Aber mit
welch zwingender Gewalt gab einst Mitterwurzer den beleidigten Ehe¬
mann! Welche Verachtung lag in seinem Ton, welch flammender
Rachedurst in seinem Blick. Herr Klitsch pfauchte und schnitt
Grimassen. — „Komtesse Mizzi“ ist eine geist= und witzsprühende
Satire auf den Hochadel, der trotz seiner sonstigen Exklusivität
durch erotische Beziehungen mit den verschiedensten Kreisen in eine
Art von Verwandtschäftsverhältnis kommt. Komtesse Mizzi, welche
von dem Freunde ihres Vaters einen bereits siebzehnjährigen Sohn
besitzt, hat jetzt mit ihrem Malprofessor ein Verhältnis. Der alte
Graf wieder steht Jahre hindurch im intimen Verkehr mit der
Tänzerin Lolo, die nun seinen Fiaker heiratet. Sie alle aber spielen
zueinander eine Art von Vogel=Strauß=Politik: sie behüten ein Ge¬
heimnis, welches längst keines mehr ist. Eine Ausnahme macht nur
der Typus der fendalen österreichischen Aristokraten: er hat von
dem, was um ihn herum vorgeht, keine Ahnung! — Aus der voll¬
kommen einwandfreien Darstellung ragte vor allem Fräulein
Galafrés hervor. Sie spielte die Mizzi mit so viel innerer Ele¬
ganz und Diskretion, mit so graziös feiner Pointierung, daß es be¬
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