II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 69

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21. Sontesse Mizzioder der Fanilientag
als eifriger Amateurphotograph mit dem Sitt¬
Wieney Genrebilder. Nan# Z. Trock. Also zur künstlichen Lockenzier auch die
künstliche Taille. Von hohen Absätzen verlautet
lichkeitsparagraphen kollidierte. Er hatte u. a. auch
ion Unserem( Wiener I=Mitarbeiter.)
hingegen derzeit noch nichts. Man darf hieraus
ein Hausmeistermädel, ein „süßes Mädel“ aus der
V7 Wien, im Januar.
indessen keine allgemeinen Folgerungen zu Un¬
Vorstadt zur Maitresse. Sie wollte keine gewöhn¬
gunsten des starken Geschlechts ableiten. Es ist
liche, ausgehaltene „Fräule“ sein, sondern eine
gehen in der Donaumetropole sehr
wirkliche gnädige Frau. Der gute, reiche Herr
keineswegs mit einem Schlag und in seiner Tota¬
wichtigs=Dinge vor. Man darf nicht achtlos an
s zum Bei¬
lität femininer geworden. Denn Burggendarmen
Professor Beer kaufte ihr also für schweres Geld
ihnen #orübeeschreifen
und Kavallerieoffiziere tragen bei uns schon
einen adeligen Scheingatten, einen gewesenen Offi¬
spiel, um des Bedeutsamsts gleich ans die Spitze
längst Korsetts.
zier, der seine Gemahlin vor der Trauungszere¬
zu stellen, eine neue Herrenmode, die nätürlich
Alles schon dagewesen! Es scheint überhaupt
monie niemals gesehen hatte und nach derselben
schon längst „kreirt“ ist, aber geheim gehalten
niemals sehen sollte. So war es im Ehekontrakt
fast unmöglich zu sein, mit einer wirklichen No¬
wurde und erst jetzt, zum Faschingsbeginn, lan¬
ausgemacht worden. Er steckte die hohe Abfin¬
vität vor das Publikum zu treten. Ich denke
ciert wird. Es handelt sich nicht um Kleinig¬
dungssumme ein und beschäftigte sich ausschlie߬
dabei gar nicht an Franz von Schönthan, der
keiten, nicht etwa um die Farbe von Krawatten
überhaupt nur mehr alte Stücke schreibt, weil
lich damit, sie zu verputzen. Dieses Ziel war
oder Strümpfen, sondern um ganz fundamentale
natürlich bald erreicht. Und nun verklagte der
das warscheinlich sehr bequem ist, sondern auch
Umwälzungen. Die rasierte Oberlippe ist noch
an den jüngsten Artur Schuitzler. Man hat jetzt
edle Herr seine „Gattin“ die ferne von ihm
erlaubt, doch nur als Uebergansstadium. Die
seinen neuesten Einaktée im Deutschen Volks¬
Reichtümer gesammelt hat, erst auf „Wiederauf¬
englisch gestutzten Schnurrbärte findet man auf
theater aufgeführt: „KömtesseMietzi“ oder „Der
nahme der ehelichen Gemeinschaft“, die niemals
einmal „maßgebendenorts“ häßlich und nur für
Familientag“. Die Titelheldin hat von einem
bestanden hat, Dann, als sie dankbar ablehnte,
böhmische Amtsdiener oder Feldwebel passend;
Fürsten ein Kind und ihr gräflicher Papa weiß
„wegen böswilligen Verlassens“ auf Lösung der
eine Neuerung, die sich bei Unbefangenen schon
nichts davön. Er hat ein Verhältnis mit einer
Ehe. Das Lustigste an der Klage, eine wirkliche
früher durchgerungen hat. Der Schnurrbart „mit
angejahrten Ballerine, die ihm mit dem Kutscher
Satyre aus dem Leben, ist der Umstand, daß
leicht nach oben geschweifter Spitze“ ist die jüngste
der adelige Herr den von ihm seiner Zeit gegen
betrügt. Die Komtesse wird wahrscheinlich den
Vorschrift.
Fürsten doch heiraten und verabschiedet daher den
sehr gute Bezahlung abgeschlossenen Ehevertrag als
Diese läßt sich ja noch erfüllen. Wie stellt

letzten ihrer Liebhaber, einen verheirateten Aka¬
unmoralisch und gegen die guten Sitten ver¬
man sich aber die Massenmöglichkeit der neu
stoßend stigmatisierte.
demieprofessor. Also Liebelei zur Xten Potenz
dekretierten Herrenfrisur vor? Der Schopf soll
erhoben.
Der edle Ritter hatte bei den Gerichten Pech;
üppig gewellt werden und die „hohe Stirn an
Ich weiß nicht, ob bei uns die höchsten Kreise
sie erklärten die Scheinehe als zu Recht beste¬
beiden Seiten“, die sogenannten „Ehestands¬
tatsächlich so angefault und verludert und à tout
hend. Die Kaufsumme ist verjuxt und die teure
winkel“ sind fürderhin bedeckt zu tragen. Das
Gattin kann er nicht los werden. Man darf ver¬
prix unähnlich veranlagt sind, wie unsere Iro¬
läßt sich sehr leicht anordnen, doch wohernehmen
niker und Satyriker behaupten, denn ich kenne
muten, daß er dadurch verhindert wird, einem
und nicht stehlen? Das Auskunftsmittel ist ein¬
sie ebenso wenig wie diese. Aber das Eine weiß
zweiten ehrenvollen Rufe zur Trauung mit einer
facher, als dieses mit Glatzen so reich gesegnete
ich: daß diese so überlegen tuende Kaffeehaus¬
unbekannten Dame Folge zu leisten, die auch ge¬
Säkulum ahnt. Es werden von den Haarkünst¬
und Absint=Psychologie dem normalen Publikum
rade Aristokratin werden will.
lern, die am Hungertuche nagen, weil es nicht
schon heftig auf die Nerven geht.
mehr genügend Haare gibt und außerdem täglich
Man hat Artur Schnitzler lange genug als
neue Apparate zum Selbstrasieren erfunden wer¬
einen Dichter deklariert und fühlt sich nur, da
den, kleine, feine „Toupets“ hergestellt. Es lebe
er sich mit ein paar Arbeiten als ein sich selbst
die neue Perückenepoche! Schließlich kann man
immer wieder kopierender Belletrist demaskierte,
auch nicht einzehe# warum bloß die Damen
denn doch unangenehm blamiert.
falsche Haare tragen sollen — seit den Riesen¬
Oder fügen wir ihm Unrecht zu? Hat er
hüten eine allgemeine Einführung — um schöner
etwa doch nur wiedergegeben, was sein Blick aus
und berückender zu wirken. Das ist aber nicht
dem Tagesleben herausgefangen? In einen un¬
die einzige Anleihe, welche die elegante Herren¬
reinlichen „Familientag“ der guten Gesellschaft ist
welt beim Arsenal des zarten Geschlechts macht.
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jetzt von Gerichts wegen hineingeleuchtet worden.
Sprechen wir das Verblüffende nur rasch und
Man erinnert sich wohl noch an die aufsehenerre¬
ohne weitere aufregende Einleitung aus: Die
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gende, mit mancher Tragödie verknüpft gewesene
Gigerln haben sich heuer auch entschlossen, kurze
Mieder zu tragenzwenigstens zum Frack und Geh= Skandalaffäre des Universitätsprofessors Beer. der 1 T