box 25/2
20 Zuischensniel
Ka
Theater und Musik.
Arthur Schnitzlers Komödie „Zwischenspiel“ fand
Sonnabend vor dem gut geschulten Publikum des
Berliner Lessingthéaters viel lauten Bei¬
fall und doch das volle Verständuis nicht, das diese
filigrane Arbeit verdient hätte. Sicherlich, das Stück
ist nicht auf Bühnenwirkungen gearbeitet. Der Stoff
hat Farbennnancen, die das grelle Lampenlicht schlecht
ertragen. Aber trotzdem: das Werk eines wirklichen,
eines echten Dichters baut sich vor uns auf, voll
Lebensweisheit, voll von überlegener Ironie, wie sie
nur Wenigen und nur Reifsten geschenkt ist. Der Ka¬
pellmeister Amadeus Adams, ein tüchtiger Künstler,
eine geniale Natur, ist glücklich mit einer Opernsängerin
verheiratet. Als diese beiden mit sich zufriedenen
Menschen auf dem Zenith ihres Ruhmes stehen, drän¬
gen sich jene Widerlinge der Kunstenthusiastenzunft,
die Künstler und Menschen nicht auseinander halten
können und unbedingt ihre reine Bewunderung in
minder reine Gefühle umsetzen müssen, an das be¬
staunte Paar heran. Amadeus Adams weiß der
hübschen brünstigen Gräfin, die sich ihm buchstäblich
an den Hals wirft, keinen Widerstand entgegenzusetzen,
Seine Frau für die Abenteuerin aufzugeben, gewinnt
er nicht über sich. Er findet sich aber leicht in die
Ueberzeugung, daß dem Manne erlaubt ist, was man
der Frau nicht verzeiht: ein kleines Zwischenspiel in
dem Drama „Ehe“, nach dessen kurzer Dauer ein
neuer Akt beginnen kann, der die alten Fäden unzer¬
rissen weiterspinnt. Als umsichtiger Regisseur trifft
er alle Anordnungen, die solcher Abwicklung nötig
scheinen. Er gängelt seine Frau aus der ehelichen
Gemeinschaft in ein anspruchsloses Kameradentum
hinein, das sie binden, ihm jedoch vollkommene Frei¬
heit gewähren soll. Er entläßt sie in ein Engagement
nach Berlin, wo sie monatelang große Triumphe
feiert, während er selbst in den Armen der Gräfin sich
auslebt. So sich auslebt, daß er endlich nach Ruhe
und stiller Häuslichkeit sich zurücksehnt. Da finden sich
die Gatten wieder zu einander, Aber nicht so, wie
Amadeus Adams sich das erhofft hat. Seine Frau ist
nicht gestrauchelt, aber doch kommt sie ihm als eine
ganz andere aus der Welt zurück, — ein heißverlan¬
gendes Weib, ein Weibchen, das nun erst den Mann
im Gatten sucht und all' die flammende Leidenschaft in
seiner Umarmung erwartet, die er an eine Fremde
inzwischen vergendet hat. Mit den kläglichen Resten
Eine
seiner Kraft enttäuscht er die Verwandelte.
Liebesnacht — und sie ist für immer ihm verloren.
Die Komödie des Zwischenspiels ist zur Tragödie ge¬
worden. Bassermann als Adams schuf wieder einmal
ein grandioses Seelengemälde. Er löste tiefes Mit¬
leid mit dem Schwächling aus. Das ist höchstes Lob.
An Irene Triesch fand er eine ausgezeichnete Partne¬
rin, die uns nur hin und wieder etwas von dem
wilden Liebesverlangen schuldig blieb, das diese Frau
durchpulst. Emanuel Reicher in der Nebeurolle eines
weltklugen Dichters — gleichsam des öffentlichen Ge¬
wissens — war glänzend. Else Schiff als Gräfin und
Willy Grunwald als reservierter Verehrer gaben gleich¬
falls viel Treffliches. Nur bei den Ehrlichen und
Kundigen in Logen und Parkett fand das geistreiche
Spiel anerkennendes Verständnis. Wer sich gegen
seine Wahrheiten wehren wollte, wehrte sich natürlich
auch gegen den Dichter. So gab es wieder ein Rin¬
gen. Ein Ringen aber, das Schnitzle und seinem
Werke zur Ehre gereicht.
II. H.
„Der Schusternazi“ eine Posse von Ludwig Thoma,
fand, wie uns unser k=Korrespondent telegraphiert,
bei der gestrigen Erstaufführung im Gärtnerplatz¬
Theater in München einen lebhaften Heiterkeits¬
erfolg.
20 Zuischensniel
Ka
Theater und Musik.
Arthur Schnitzlers Komödie „Zwischenspiel“ fand
Sonnabend vor dem gut geschulten Publikum des
Berliner Lessingthéaters viel lauten Bei¬
fall und doch das volle Verständuis nicht, das diese
filigrane Arbeit verdient hätte. Sicherlich, das Stück
ist nicht auf Bühnenwirkungen gearbeitet. Der Stoff
hat Farbennnancen, die das grelle Lampenlicht schlecht
ertragen. Aber trotzdem: das Werk eines wirklichen,
eines echten Dichters baut sich vor uns auf, voll
Lebensweisheit, voll von überlegener Ironie, wie sie
nur Wenigen und nur Reifsten geschenkt ist. Der Ka¬
pellmeister Amadeus Adams, ein tüchtiger Künstler,
eine geniale Natur, ist glücklich mit einer Opernsängerin
verheiratet. Als diese beiden mit sich zufriedenen
Menschen auf dem Zenith ihres Ruhmes stehen, drän¬
gen sich jene Widerlinge der Kunstenthusiastenzunft,
die Künstler und Menschen nicht auseinander halten
können und unbedingt ihre reine Bewunderung in
minder reine Gefühle umsetzen müssen, an das be¬
staunte Paar heran. Amadeus Adams weiß der
hübschen brünstigen Gräfin, die sich ihm buchstäblich
an den Hals wirft, keinen Widerstand entgegenzusetzen,
Seine Frau für die Abenteuerin aufzugeben, gewinnt
er nicht über sich. Er findet sich aber leicht in die
Ueberzeugung, daß dem Manne erlaubt ist, was man
der Frau nicht verzeiht: ein kleines Zwischenspiel in
dem Drama „Ehe“, nach dessen kurzer Dauer ein
neuer Akt beginnen kann, der die alten Fäden unzer¬
rissen weiterspinnt. Als umsichtiger Regisseur trifft
er alle Anordnungen, die solcher Abwicklung nötig
scheinen. Er gängelt seine Frau aus der ehelichen
Gemeinschaft in ein anspruchsloses Kameradentum
hinein, das sie binden, ihm jedoch vollkommene Frei¬
heit gewähren soll. Er entläßt sie in ein Engagement
nach Berlin, wo sie monatelang große Triumphe
feiert, während er selbst in den Armen der Gräfin sich
auslebt. So sich auslebt, daß er endlich nach Ruhe
und stiller Häuslichkeit sich zurücksehnt. Da finden sich
die Gatten wieder zu einander, Aber nicht so, wie
Amadeus Adams sich das erhofft hat. Seine Frau ist
nicht gestrauchelt, aber doch kommt sie ihm als eine
ganz andere aus der Welt zurück, — ein heißverlan¬
gendes Weib, ein Weibchen, das nun erst den Mann
im Gatten sucht und all' die flammende Leidenschaft in
seiner Umarmung erwartet, die er an eine Fremde
inzwischen vergendet hat. Mit den kläglichen Resten
Eine
seiner Kraft enttäuscht er die Verwandelte.
Liebesnacht — und sie ist für immer ihm verloren.
Die Komödie des Zwischenspiels ist zur Tragödie ge¬
worden. Bassermann als Adams schuf wieder einmal
ein grandioses Seelengemälde. Er löste tiefes Mit¬
leid mit dem Schwächling aus. Das ist höchstes Lob.
An Irene Triesch fand er eine ausgezeichnete Partne¬
rin, die uns nur hin und wieder etwas von dem
wilden Liebesverlangen schuldig blieb, das diese Frau
durchpulst. Emanuel Reicher in der Nebeurolle eines
weltklugen Dichters — gleichsam des öffentlichen Ge¬
wissens — war glänzend. Else Schiff als Gräfin und
Willy Grunwald als reservierter Verehrer gaben gleich¬
falls viel Treffliches. Nur bei den Ehrlichen und
Kundigen in Logen und Parkett fand das geistreiche
Spiel anerkennendes Verständnis. Wer sich gegen
seine Wahrheiten wehren wollte, wehrte sich natürlich
auch gegen den Dichter. So gab es wieder ein Rin¬
gen. Ein Ringen aber, das Schnitzle und seinem
Werke zur Ehre gereicht.
II. H.
„Der Schusternazi“ eine Posse von Ludwig Thoma,
fand, wie uns unser k=Korrespondent telegraphiert,
bei der gestrigen Erstaufführung im Gärtnerplatz¬
Theater in München einen lebhaften Heiterkeits¬
erfolg.