II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 248

20. Zuischenspiel box 25/2

schenspiel“, das am Wiener Burgtheater kühl
abgelehnt wurde, hat hier einen vollen Erfolg
gefunden. In Wien fand man gemacht und ge¬
klügelt, was hier durchaus einfach und natürlich 2
wirkte. Ich konnte erst die zweite Aufführung der
Komödie besuchen, und es muß festgestellt werden, daß
die Dichtung Schnitzlers auf die Sonntagsbesucher
des Lessing=Theaters, auf ein Publikum also, das
für die Wirlung ganz fein und zart differenzierter
Empfindungen nicht gerade besonders geschult ist,
enen gan; starken und überzeugenden Eindruck
gemacht hat. Man hörte mit gespannter
und freudiger Anteilnahme zu, und in
den lebhaften Beifall, der nach dem zweiten und
dritten Akt den Dichter auf die Bühne rief,
mischte sich kein Laut des Mißfallens. Arthur
Schnitzler gehört ja nicht zu den Poeten, die
nur ganz gradlinige und in sich klare und ge¬
schlossene Menschen auf die Bühne bringen. Ihn reizt
es viel eher, dem wechselnden Spiel leicht erregbarer
Nerven mit stiller Anteilnahme zuzuschauen und in
die letzten Gründe unsres Denkens, Fühlens und
Tuns lachend und doch auch mitleidig hinein zu
leuchten, in jene Gründe sogar, die nicht immer:
über der Schwelle des Bewußtseins lagern. Daß
seinen Menschen dadurch hin und wieder etwas
Kompliziertes anhaftet, soll nicht geleugnet werden,
aber Schnitzlers Gestaltungskraft ist kräftig genug,
um auch dies Komplizierte lebendig und verständ¬
lich zu machen. Der Kapellmeister und Komponist
Amadeus Adams führt mit seiner Frau Cäcilie,
die eine berühmte Sängerin ist, nicht gerade eine
normale Musterehe. Sein leicht entzündliches
Künstlertemperament lockt ihn zuweilen in leichte
Abenteuer, und die beiden Menschen, die sich aus
Liebe geheiratet haben, leben nach dem Grund¬
satz, immer wahr gegeneinander zu sein und sich
nichts zu verhehlen, was sich in ihren Herzen
gelegentlich einmal auch nach anderer, standesamtlich
nicht vorgeschriebener Richtung regt. So ver¬
zeihen sie sich scheinbar leichten Herzens eine
kleine Liebelei, die Amarens mit einer koketten
Gräfin und früheren Opernsängerin hat, ebenso
wie einen lebhaften Flirt, der sich zwischen
Frau Cäcilie und einem jungen Fürsten
angesponnen hat. Die beiden Gatten kommen
überein, die eheliche Gemeinschaft, die für sie
immerbin große Annehmlichkeiten hat, trotzdem
nicht aufzuheben, sondern als gute Kameraden
auch fernerhin nebeneinander zu leben. Das geht
ein Weilchen auch ganz gut, bis Frau
Cäcilie von einer Gastspielreise zurück¬
kommt, während der ihr Fürst ihr ständiger
Begleiter gewesen ist. Die kurze Trennung hat in
imadens wieder eine starke Leidenschaft für seine
Frau entzündet und für eine Nacht vergessen beide,
daß sie sich nicht mehr sein wollten, als nur guten
Freunde. Diese Vergeßlichkeit legt nun aber dem
Gatten die Verpflichtung nahe, den Verehrer seiner
Frau vor die Pistole zu fordern. Aber in einer
sehr fein und mit diskretem Humor geführten
Auseinandersetzung zwischen den beiden Neben¬
uhlern kommt Amgdeus zu der Ueber¬
zeugung, daß es so blutiger Genugtnung
nicht bedarf, da der junge Fürst über die
strengsten Grenzen platonischer Verehrung
nie hinausgekommen war. Inzwischen hat aber
Frau Cäcilie eingesehen, daß die kurze Ver¬
söhnung mit ihrem Gatten nur ein Zwischenspiel
sein darf, da sich Alles, was sie bisher mit ihm
erlebte, doch immer wiederholen würde, und da sie
in ihrem Herzen nicht mehr die Kraft fühlt, darüber
hinwegzukommen. So geht die Ehe zuletzt für
immer in die Brüche, weil beide Gatten ihre
Schmerzen stets zu leicht genommen hatten
und weil sie im letzten Grunde stets unwahr
gegen einander gewesen sind. Die beiden
Hauptfiguren der Dichtung wurden von Albert
[Bassermann und Irene Triesch
mit hinreißender Innerlichkeit und einer klugen“
Kunst gespielt, die auch die leifesten Schattierungen
und Nnancen des Empfindens mit eindringlicher
Anschaulichkeit zur Wirkung brachte. Emanuel
[Reicher, Else Schiff und Hedwig
[Pauly waren in den kleineren Rollen gleich¬
folls vortrefflich.
So dürfte Schnitzlers
„Zwischenspiel“ denn hier bei uns einen weitaus
nachhaltigeren Erfolg finden, als in der Heimat.
des Dichters.
Sch.