II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 342

20. Zuischensniel
trennen sie sich gerade im Augenblicke, da man
glaubt, daß sie sich wieder gefunden haben. Die
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Neigung zum Paradoxen tritt in dem Stücke über¬
haupt durchgehend zutage: Der Gatte will die
Gattin besitzen als „eine, die man dem anderen weg¬
nimmt“, der Verehrer der Frau bittet deren Gatten
um ihre Hand, die Frau holt ihrem Manne von
seiner Geliebten die ihn kompromittierende Kor¬
respondenz. Das alles ist sehr fein, vielleicht zu
fein geinacht und motiviert, so daß es gesucht, um
nicht zu sagen unnatürlich erscheint, und den Ein¬
druck des Gezierten, den schon viele Aeußerlichkeiten
hervorrufen, steigert. Zu welchem spitzfindigen Raf¬
finement aber die neueste Kunst Schnitzlers sich ver¬
stiegen hat, wird eine kurze Inhaltsangabe zeigen:
Der Kapellmeister und Komponist Amadeus Adams
ist mit der Opernsängerin Cäcilie eine Ehe einge¬
gangen auf dem Grundsatze vollster gegenseitiger
Freiheit und Aufrichtigkeit; sie wollen sich auf ihren
Nebenwegen in keiner Weise hinderlich sein. Der
Dichter führt uns das Paar zu einer Zeit vor, da
nach siebenjähriger, glücklicher Ehe, der ein Söhn¬
chen, Peterl, entsprossen ist, die ehelichen Beziehun¬
gen erkaltet und recht locker geworden sind. Sie
gegenkommen, ihre ehelichen Beziehungen völlig zu
lösen, aber als gute Kameraden im gemeinsamen
Haushalte auch weiter zu bleiben, sich gegenseitig
zu fördern, und sich nichts, aber auch gar nichts zu
verschweigen, ihrem Grundsatze der Aufrichtigkeit
gemäß. Amadeus, hat sich schon früher für eine
gräfliche Schauspielerin interessiert, deren er aber
bald überdrüssig wird; Cäcilie geht auf längere Zeit
an die Oper nach Berlin, wo sie große künstlerische
wie gesellschaftliche Triumphe feiert. In den ge¬
meinschaftlichen Haushalt zurückgekehrt, erscheint sie
dem Gatten als eine ganz andere; er findet sie wie¬
der begehrenswert und ist von Eifersucht erfüllt
gegen ihren vermeintlichen Geliebten, einem jungen
Fürsten: es reizt ihn, die eigene Gattin dem Neben¬
buhler abzugewinnen. Er erreicht auch im Sturme
sein Ziel und wird von dem Fürsten, der ihn in
förmlicher Weise um die Hand seiner Gattin bittet,
darüber aufgeklärt, daß ihre Beziehungen stets nur
platonischer Art und die Liebe eigentlich nur auf
Seite des Fürsten gewesen. Damit scheint nun
alles wieder aufs beste geordnet zu sein, um so
mehr, als auch der kleine Peterl, als einigendes
Band die Ehe zusammenhalten müßte. Aber nun¬
mehr erklärt Cäcilie, daß es Zeit sei, völlig aus¬
einanderzugehen; sie wolle nicht den Ekel abwarten,
der zum Schlusse doch kommen müsse; der Versuch
des kameradschaftlichen Zusammenlebens aber sei
gescheitert. — Die kurze Inhaltsangabe dürfte
wohl genügen, um zu zeigen, daß diese Art und
Weise, das sernelle Problem zu behandeln, nur
einer geradezu pathalogischen, einem gesunden Em¬
pfinden unverständlichen Sinnlichkeit gefallen
kann, die leider in gewissen Kreisen der Großstädte
sich vorfinden dürfte, dem deutschen Volke aber
gottlob noch ferne liegt. Man kann die Unver¬
letzlichkeit und Heiligkeit der Ehe verfechten, man
kann mit demselben sittlichen Ernste für die freie
Liebe eintreten: aber für dieses frivole Spiel mit
der Grundlage der Gesellschaft, das sich unter der
Maske ethischen Ernstes verbirgt und das seinen
(Städtische Schaubühne.) „Zwischenspiel“
Gipfelpunkt erreicht in der Forderung der gegen¬
von Artur Schnitzler, Komödie in fünf Auf¬
seitigen Aufrichtigkeit in allen seruellen Dingen
zügen, in Klagenfurt zum ersten Male aufgeführt
zwischen den beiden einst in inniger Liebe verbunde¬
am 1. Dezember 1905. — Artur Schnitzler gilt mit
nen und nun zu Kameraden gewordenen Ehe¬
Recht als der bedeutendste und weitaus begabteste
gatten — dafür bedanken wir uns. Und weil dieses
Vertreter der neueren Wiener Schule auf dem Ge¬
äußerlich glänzende Stück, das doch innerlich so
biete der dramatischen Literatur, was allerdings
voll Fäulnis ist, typisch ist für die Art, in der in
noch keinen allzu großen Ruhmestitel bedeutet: denn
den allerletzten Jahren von einer gewissen Wiener
es sind nur sehr wenige dieser Werke, die ja zwar
zum großen Teile als schöne Talentproben ange=] Dichter= und Kritiker=Clique die Bühne vergiftet
sprochen werden können, denen ich ein Leben über wird legen wir Protest dagegen ein, daß diese Art
zehn oder allenfalls zwanzig Jahre vorherzusagen auch auf die Provinzbühne übergreift. Dr. Z.
KOUH