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20. Zuischensniel
als für den Mann, dessen „rückhaltslose“ briefliche Zuschauer als Zuhörer ist, recht wirtungslos
Freundesoffenheit während seines Verkehrs mit vorüber; das will unmittelbare Ausbrüche der Leiden¬
Vier Premieren!
der Gräfin übrigens auch viel zu wünschen übrig schaft in erregender Gegenüberstellung sehen, nicht
München, 15. Januar.
läßt. Als er sich schnell von der Unwürdigkeit aber rhetorische Filtrierungen dieser Leidenschaft
Zwischenspiel.“
seiner Flamme überzeugt hat und von seiner Aben=[hören. Ein technischer Fehler des Stückes liegt übri¬
teuerlust gründlich geheilt ist, kehrt Cäcilie forschend gens auch darin, daß zwei seiner Nebenfiguren — der
* Wer als geistiger Analytiker den Dialog dieses
räsonnierende Librettist des Helden und dessen Gattin
zurück; ihr galt das Zwischenspiel“ in Wahrheit als
jüngsten Schnitzler Wendung um Wendung prüft,
— persönlich gar nicht in die eigentliche Handlung
findet schwerlich etwas daran auszustellen und kann bloßes Spiel, um sich die ganze Liebe des Gatten
zurückzuerobern: und ald sie entdeckt, daß er sein verwickelt werden. Bei alledem freilich hat sich
wohl nur sagen: Sehr fein! Sehr gescheit! Alle Hoch¬
achtung! Die prinzipielle Verschiedenheit des männ= Abenteuer realer nahm als sie das ihre, als er sie Sebnitzler auch hier den Dank derer verdient, die
obendrein nicht als die Altvertraute, sondern nur um einen Theaterabend noch nicht für verloren erachten,
lichen und weiblichen Empfindens, vor allem die
grundverschiedene Auffassung, die der unverbildete der leidenschaftlichen Veränderung willen, die mit ihr wenn sie in irgend einem, wenngleich nicht im dra¬
Mann und die unverdorbene Frau von sexuellen vorgegangen scheint, wie eine fremde neue Geliebte matisch=Sichterischen Betracht auf ihre Rechnung ka¬
Konflikten und Problemen haben, erfährt hier eine sinnlich begehrt und überwältigt, kommt es zwischen men. Wir haben ja heute soherzlich wenige Pocten, die
sehr treffende, auch humorvolle und satirisch witzige den beiden zum ernsthaften und völligen — vielleicht überhauptin der Lage sind, einen, Eindruck“zu machen.
Klarlegung. Trotzdem wird besagter Analytiker auch dauernden — Bruche. — Wie gesagt: es treten Interesse hat auch der geistige Zusammenhang, der
etwas, ja vieles an dem Stück schmerzsichst vermissen, ungewöhnliche kluge Einsichten in der Komödie zutage, die Komödie mit dem „Grünen Kakadu“, auch mit
durch welche sie sich dem Gedankengehalt nach weit dem „Paracelsus“ verbindet: Ich meine das dichte¬
sobald er nicht bloß intellektueller Feinschmecker ist:
denn die Subtilität Schnitzlers war bei diesem Werk über den Durchschnitt erhebt. Aber, aber! Schnitzler rische Spiel mit Spiel und Ernst, Vorstellung und
eben eine rein verstandesmäßige und genügte deshalb zeigt den Mann und das Weib, er bringt die leben= Wirklichkeit; eserscheint hier u. a. auch dadurchsymbo¬
wohl zur Herstellung eines geistreichen Gedanken= digen Einzeleremplare nicht nahe genug, und zudem lisch betont, daß der kleine Adams von seiner Ko¬
mödie spielenden Mama mit einem Puppentheater
präparates, nicht aber zur Darstellung und Kenn=zeigt er die beiden Geschlechtsrepräsentanten fast nur
beschenkt wird. —
zeichnung lebendiger, glaubhaft sich benehmender von der Seite scharf=verstandesmäßiger Entscheidung,
Die von Regisseur Lützenkirchen geleitete, von
wie sie im wirklichen Leben sehr ausnahmsweise das
Menschen. Um was die Komödic sich dreht,
hochmodernen Dekorationen umrahmte Wiedergabe
haben schon auswärtige Referenten unseren Wort hat und fast niemals den Ausschlag gibt. Zu¬
mal seine Cäcilie spricht ihren Standpunkt fast durch= des Stückes im Residenztheater war im ganzen recht
Lesern verraten. Der für unbedingte Wahrhaf¬
tigkeit schwärmende Kapellmeister und Komponist weg in ernüchternd wohlgesetzter Rede aus, in einer gut. Fräulein Swoboda konnte zwar nicht allen
Anforderungen der Cäcilie gerecht werden, doch war
Adams und seine schöne Frau Cäcilie, eine ge= intellektuellen Pointierung, die spezifisch männlich ist
sie unter den Kräften, die der Hofbühne gegenwärtig
und jedem Psychologieprofessor Ehre machen würde,
feierte, mit ihrem Gatten in glücklicher, doch oft be¬
zur Verfügung stehen, ohne Frage die verhältne
kaum aber einer enttäuschten liebenden Frau. Zu
ruflich getrennter Ehe lebende Opernsängerin, machen
mäßig geeignetste und bot eine anerkennenswerte.
diesen dichterischen Bedenken kommen rein bühnen¬
sich in ihrer gewohnten restlosen Aufrichtigkeit auch
zum Teil auch durchaus treffende Leistung. Die Rolle
mäßige, die nun einmal auch ins Gewicht fallen.
kein Hehl aus Abenteuerneigungen, die ihn zu einer
lockeren Theatergräfin, sie — offenbar nur infolge= Gewiß ist die Verinnerlichung des dramatischen Vor= des Kapellmeisters gab Herr Monnard sehr ver¬
dessen — zu einem blutjungen Fürsten ziehen. Auf gangs löblich, vornehm und modern: sie darf aber ständnisvoll und auch so mensch“ lebendig und
Grund der gemeinsamen „höheren“ Lebensanschau= nicht dahin ausarten, daß die Leute auf der Bühne künstlerisch eindringlich, als #e überhaupt möglich
ung schlägt der abwechslungslüsterne Mann, der aber lediglich vom Gegenwärtigen, Künftigen und Ver= sein dürfte; nicht minder gut wor Herr Lützen¬
doch auch die Vorzüge des chelichen Gedankenaus= gangenen reden, reden und wieder reden; eine Auf=kirchen als behaglich=überlegener Poet und Räson¬
fausches nicht enthehren möchte, für die Zukunft volle raffung zu sinnenfälliger „Tätlichkeit“ in allen be= neur. Herr Waldau vermochte in her Rolle des
sexuelle Ungebundenheit für beide Teile vor, unter deutsameren Momenten bleibt denn doch eine iungen Fürsten zwar nicht im wünschenswerten
Aufrechterhaltung eines Freunbschaftsverhältnisses Grundbedingung der Bühnenwirksamkeit. Mit allei= Maße zu repräsentieren, bot aber im übrigen gleich¬
mit unbedingt offener Aussprache. Cäcilie willigt ein: niger Ausnahme etwa des zweiten Aktschlusses, wo falls ganz Entsprechendes; auch Fräulein v. Hagen
und der Gatte ist, die Gattin scheint glücklich. In der Adams die Heimgekehrte in neuerwachter Begehrlich= blieb der Gräfin, Fräulein Lossen der Gattin des
folgenden Trennungszeit bricht wohl er die eheliche keit mit sich fortreißt, enthält aber die Komödie keinen Dichters nichts Wesentliches schuldig. Inden kleineren!
Treue, nicht aber sie, da eben für die Frau Auftritt, in welchem die wirkenden Kräfte auch äu=Nebenrollen waren die Damen Menge und Kolbe
ßerlich ganz in Erscheinung träten: ein Mangel, und die Il. Forstner beschäftigt. Das gutbesuchte
volles Vertrauen und seelisch=geistige Gemeinschaft
ganz anderes bedentet und praktisch mit bedingt der selten verziehen wird. Bloß ausgesprochene Ge= Haus spendete freundlichen Beifall, der seinen Höhe¬
danken, in bloßen Worten angedeutete Empfindungen punkt nach dem zweiten Alt erreichte.
—
Hanns von Gumppenberg.
Als Buch erschienen Berlin 1906 bei S. Fischer. gehen dem großen Theaterpublikum, das stets mehr!
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NunineS
4006
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als für den Mann, dessen „rückhaltslose“ briefliche Zuschauer als Zuhörer ist, recht wirtungslos
Freundesoffenheit während seines Verkehrs mit vorüber; das will unmittelbare Ausbrüche der Leiden¬
Vier Premieren!
der Gräfin übrigens auch viel zu wünschen übrig schaft in erregender Gegenüberstellung sehen, nicht
München, 15. Januar.
läßt. Als er sich schnell von der Unwürdigkeit aber rhetorische Filtrierungen dieser Leidenschaft
Zwischenspiel.“
seiner Flamme überzeugt hat und von seiner Aben=[hören. Ein technischer Fehler des Stückes liegt übri¬
teuerlust gründlich geheilt ist, kehrt Cäcilie forschend gens auch darin, daß zwei seiner Nebenfiguren — der
* Wer als geistiger Analytiker den Dialog dieses
räsonnierende Librettist des Helden und dessen Gattin
zurück; ihr galt das Zwischenspiel“ in Wahrheit als
jüngsten Schnitzler Wendung um Wendung prüft,
— persönlich gar nicht in die eigentliche Handlung
findet schwerlich etwas daran auszustellen und kann bloßes Spiel, um sich die ganze Liebe des Gatten
zurückzuerobern: und ald sie entdeckt, daß er sein verwickelt werden. Bei alledem freilich hat sich
wohl nur sagen: Sehr fein! Sehr gescheit! Alle Hoch¬
achtung! Die prinzipielle Verschiedenheit des männ= Abenteuer realer nahm als sie das ihre, als er sie Sebnitzler auch hier den Dank derer verdient, die
obendrein nicht als die Altvertraute, sondern nur um einen Theaterabend noch nicht für verloren erachten,
lichen und weiblichen Empfindens, vor allem die
grundverschiedene Auffassung, die der unverbildete der leidenschaftlichen Veränderung willen, die mit ihr wenn sie in irgend einem, wenngleich nicht im dra¬
Mann und die unverdorbene Frau von sexuellen vorgegangen scheint, wie eine fremde neue Geliebte matisch=Sichterischen Betracht auf ihre Rechnung ka¬
Konflikten und Problemen haben, erfährt hier eine sinnlich begehrt und überwältigt, kommt es zwischen men. Wir haben ja heute soherzlich wenige Pocten, die
sehr treffende, auch humorvolle und satirisch witzige den beiden zum ernsthaften und völligen — vielleicht überhauptin der Lage sind, einen, Eindruck“zu machen.
Klarlegung. Trotzdem wird besagter Analytiker auch dauernden — Bruche. — Wie gesagt: es treten Interesse hat auch der geistige Zusammenhang, der
etwas, ja vieles an dem Stück schmerzsichst vermissen, ungewöhnliche kluge Einsichten in der Komödie zutage, die Komödie mit dem „Grünen Kakadu“, auch mit
durch welche sie sich dem Gedankengehalt nach weit dem „Paracelsus“ verbindet: Ich meine das dichte¬
sobald er nicht bloß intellektueller Feinschmecker ist:
denn die Subtilität Schnitzlers war bei diesem Werk über den Durchschnitt erhebt. Aber, aber! Schnitzler rische Spiel mit Spiel und Ernst, Vorstellung und
eben eine rein verstandesmäßige und genügte deshalb zeigt den Mann und das Weib, er bringt die leben= Wirklichkeit; eserscheint hier u. a. auch dadurchsymbo¬
wohl zur Herstellung eines geistreichen Gedanken= digen Einzeleremplare nicht nahe genug, und zudem lisch betont, daß der kleine Adams von seiner Ko¬
mödie spielenden Mama mit einem Puppentheater
präparates, nicht aber zur Darstellung und Kenn=zeigt er die beiden Geschlechtsrepräsentanten fast nur
beschenkt wird. —
zeichnung lebendiger, glaubhaft sich benehmender von der Seite scharf=verstandesmäßiger Entscheidung,
Die von Regisseur Lützenkirchen geleitete, von
wie sie im wirklichen Leben sehr ausnahmsweise das
Menschen. Um was die Komödic sich dreht,
hochmodernen Dekorationen umrahmte Wiedergabe
haben schon auswärtige Referenten unseren Wort hat und fast niemals den Ausschlag gibt. Zu¬
mal seine Cäcilie spricht ihren Standpunkt fast durch= des Stückes im Residenztheater war im ganzen recht
Lesern verraten. Der für unbedingte Wahrhaf¬
tigkeit schwärmende Kapellmeister und Komponist weg in ernüchternd wohlgesetzter Rede aus, in einer gut. Fräulein Swoboda konnte zwar nicht allen
Anforderungen der Cäcilie gerecht werden, doch war
Adams und seine schöne Frau Cäcilie, eine ge= intellektuellen Pointierung, die spezifisch männlich ist
sie unter den Kräften, die der Hofbühne gegenwärtig
und jedem Psychologieprofessor Ehre machen würde,
feierte, mit ihrem Gatten in glücklicher, doch oft be¬
zur Verfügung stehen, ohne Frage die verhältne
kaum aber einer enttäuschten liebenden Frau. Zu
ruflich getrennter Ehe lebende Opernsängerin, machen
mäßig geeignetste und bot eine anerkennenswerte.
diesen dichterischen Bedenken kommen rein bühnen¬
sich in ihrer gewohnten restlosen Aufrichtigkeit auch
zum Teil auch durchaus treffende Leistung. Die Rolle
mäßige, die nun einmal auch ins Gewicht fallen.
kein Hehl aus Abenteuerneigungen, die ihn zu einer
lockeren Theatergräfin, sie — offenbar nur infolge= Gewiß ist die Verinnerlichung des dramatischen Vor= des Kapellmeisters gab Herr Monnard sehr ver¬
dessen — zu einem blutjungen Fürsten ziehen. Auf gangs löblich, vornehm und modern: sie darf aber ständnisvoll und auch so mensch“ lebendig und
Grund der gemeinsamen „höheren“ Lebensanschau= nicht dahin ausarten, daß die Leute auf der Bühne künstlerisch eindringlich, als #e überhaupt möglich
ung schlägt der abwechslungslüsterne Mann, der aber lediglich vom Gegenwärtigen, Künftigen und Ver= sein dürfte; nicht minder gut wor Herr Lützen¬
doch auch die Vorzüge des chelichen Gedankenaus= gangenen reden, reden und wieder reden; eine Auf=kirchen als behaglich=überlegener Poet und Räson¬
fausches nicht enthehren möchte, für die Zukunft volle raffung zu sinnenfälliger „Tätlichkeit“ in allen be= neur. Herr Waldau vermochte in her Rolle des
sexuelle Ungebundenheit für beide Teile vor, unter deutsameren Momenten bleibt denn doch eine iungen Fürsten zwar nicht im wünschenswerten
Aufrechterhaltung eines Freunbschaftsverhältnisses Grundbedingung der Bühnenwirksamkeit. Mit allei= Maße zu repräsentieren, bot aber im übrigen gleich¬
mit unbedingt offener Aussprache. Cäcilie willigt ein: niger Ausnahme etwa des zweiten Aktschlusses, wo falls ganz Entsprechendes; auch Fräulein v. Hagen
und der Gatte ist, die Gattin scheint glücklich. In der Adams die Heimgekehrte in neuerwachter Begehrlich= blieb der Gräfin, Fräulein Lossen der Gattin des
folgenden Trennungszeit bricht wohl er die eheliche keit mit sich fortreißt, enthält aber die Komödie keinen Dichters nichts Wesentliches schuldig. Inden kleineren!
Treue, nicht aber sie, da eben für die Frau Auftritt, in welchem die wirkenden Kräfte auch äu=Nebenrollen waren die Damen Menge und Kolbe
ßerlich ganz in Erscheinung träten: ein Mangel, und die Il. Forstner beschäftigt. Das gutbesuchte
volles Vertrauen und seelisch=geistige Gemeinschaft
ganz anderes bedentet und praktisch mit bedingt der selten verziehen wird. Bloß ausgesprochene Ge= Haus spendete freundlichen Beifall, der seinen Höhe¬
danken, in bloßen Worten angedeutete Empfindungen punkt nach dem zweiten Alt erreichte.
—
Hanns von Gumppenberg.
Als Buch erschienen Berlin 1906 bei S. Fischer. gehen dem großen Theaterpublikum, das stets mehr!
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