II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 400


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Liebe aus der Leidenschaft geboren wird und daß der die in unbestimmter Sehnsucht sich Verzehrende zum
Wunsch nach unverändertem Liebesglück keine Erfüllung
Liebesgenuß zu zwingen, nicht, sie zurückzugewinnen.
finden kann. Vielleicht, hoffentlicb ist es Absicht, daß ein
Umsonst erschöpft er alle Mittel der Ueberredung.
Feuilleton.
ironischer Zug in seinem „Zwischenspiel“ vorherrscht,
Sie ist ihm entglitten, ist wirklich eine anderer Sie
und daß zwei Menschen, die einander im Grunde sehr lieb
hat, um mich eines ganz vulgären, aber wie ich glaube
haben. auseinandergehen, weil beide, im Liebestaumel ver¬
treffenden Ausdrucks zu bedienen, Blut geleckt.
loren, die Entwicklung und den harten Sinn des Lebens nicht
Schnitzler spricht natürlich anders. Ich habe ja noch
verstehen. Für Amadeus Adams, den Komponisten, und
so wenig erlebt,“ sagt Cäcilie. „Und ich sehne mich
Deutsches Schauspielhaus.
Cäcilie, seine Gattin, die eine große Sängerin ist, ist nach
danach, ich sehne mich nach allem Schmerzlichen und
einem herrlichen Zusammenleben der vollendeten Liebe,
Sützen, nach allem Schönen und nach allem Kläglichen,
Eintracht und absoluter gegenseitiger Ergänzung die
###s das Leben bringt ..
Ich sehne mich nach
(Schnitzler, „Zwischenspiel“)
in jeder Ehe unausweichliche Stunde der Abkühlung
Stürmen und Gefahr, vielleicht nach mehr... Du
gekommen. Fremde Schönheit gewinnt wieder Einfluß,
weißt nur, was ich Dir
was ich als Deine Ge¬
„Wie Blüten und Blätter des Waldes sind die
neue Sehnsuchten tauchen in den Herzen auf und
liebte, Deine Gattin war. Un da Du für mich die
Geschlechter der Menschen: diese verweht der Wind
vermögen zu wachsen, setzt ihnen sittliche Kraft keinen
ganze Welt bedeutet hast, in Dir all' meine Sehnsucht,
und andere zaubert der neue erwachende Frühling
Damm entgegen. Jede Ehe hat diese Krise durch¬
all' meine Zärtlichkeit beschlossen war, so konnten wir
hervor“, klagt schon Homeros. Und immer wieder
zumachen, aus der ein neues, leidenschaftfreieres,
beide früher nicht ahnen, wozu ich bestimmt wärc,
bringt jedes im Schattenspiel der Ewigkeit vorüber¬
aber von tieferer Zärtlichkeit durchströmtes Leben wenn sich die wirkliche Welt vormir austäte... Jetzt
eilende Geschlecht die Liebessehnsucht mit, der es sein
Dasein dankt, und immer wieder bildet das „bißchen hervorgehen soll. Nicht immer. Zuweilen zerbricht; fühle ich alle Wünsche, die früher an mir herabgeglitten
das Band, wie es im „Zwischenspiel“ der Fall ist. sind . .. jetzt fühle ich sie über meinen Leib, über mein#
Liebe“ die Quelle des Besten und Schlimmsten im
Es nützt nichts, die Menschen so zu wünschen, wie Seele gle#en und sie machen mich beben und erglühen.
Leben des Einzelnen. Unablässig bluten die Opfer
man sie haben möchte: klug, überlegen, stark und] Die Erde scheint mir voll von Abenteuern, der Himmel
vor dem Altar der Liebe; Helden, Denker und Dichter
wissend; man muß sie gläubig hinnehmen, wie der wie von Flammen strahlend, und mir ist, als sähl# id
legen ihre schönsten Taten auf seine Stufen. In
Dichter sie geschaut hat. Und es gibt Seelen in
mich selbst, wie ich mit ausgebreiteten Armen dastehe
allem Leben ist Liebe die nährende Flamme, in allen
allen Abstufungen; kein Dichter vermag einen Charakter
und warte.“
Wünschen Liebe das geheime Ziel. Und sollte es auch nicht
zu ersinnen, den die Wirklichkeit nicht vorgezeichnet
Cäcilie gehört von jetzt ab der Welt. Der
so sein, umgankelt doch mit solchem Glauben dle große
hätte. Amadeus nun obzwar ein feiner Musiker
Schwächling Amadeus vermag sie nicht zu halten.
Trügerin Natur uniere Phantasie. Warum? Warum
und als solcher Gefühlsmensch, ist ein Schwächling, Das Zwischenspiel wird Ernst. Daß jetzt erst, nach
diese ungeheure Verschwendung von Kraft um ein
zudem kein Kenner der menschlichen Natur. Das ist
der Krise, ein wahres Glück beginnen kann, ahnen
einziges Ziel? Warum das Gaukelspiel eines aller¬
gegeben. Er besteht nicht in der Liebeskrise. Eine beide Gatten nicht. Das Gaukelspiel der Liebes¬
höchsten Glückes, das immer wieder unter gestaltenden
lusterne Gräfin lockt ihn, die einen Palast, einen sehnsucht beginnt aufs neue und in anderer Rollen¬
Händen zerbricht, wenn der platte Zweck der Art¬
lauschigen Park und in diesem eine Platane besitzt, besetzung. Als dramatisches Werk ist die Arbeit ein
erhaltung erfüllt ist, bald aber mit erneuter Kraft die
Peitsche der Imagination zu schwingen beginnt?! — unter deren Zweigen sie in heißen Sommernächten loses, geistvolles Spiel geblieben, das nur durch die
Kein Dichter ist an diesem Problem vorübergegangen,schlummert. Eine verführerische Romantik. Auf fein ausgemeißelten Charaktere, den glänzenden Dialog,
seitdem der Mensch über sich selbst zu denken an= Cäciliens Fersen dagegen hat sich ein junger Fürst und die geradezu wunderbar ahgetönten Stimmungen
ist geradezu die Quintessenz aller geheftet, der ihr nicht ganz gleichgültig ist. Die besticht. Alles, was der pElosophische Beobächter
gefangen.
überhaupt die letzte Frage Gatten, die vor einander kein Geheimnis haben, oder meinetwegen der Sittemichter über das Ver
Literatur, wie es
machen auch aus diesen Neigungen kein Hehl, und haltnis zwilchen Amadeus und Cäcilie und die
Und
des allgemeinen Menschheitsglückes ist.
Amadeus, in dem der Wunsch der Vater des Ge¬
aus ihm entspringenden tieferen Fragen sagen
keiner kommt der Lösung auch nur nahe,
Gedankens ist, wähnt das Ende der Liebe schon für könnte, hat Schnitzler schon vorweg genommen.!
auch den Größten lehnt die Natur, die selbst groß und
gekommen. In unglaublicher Verblendung drängt er
In der Figur des Schriftstellers Rhon hatd
schweigend ymter der Liebestragik der Wen steht, als
die Frau in eine Leidenschaft hinein die erst keimt
Dichter sich selbst über das Provlem hinaus gestellt und
befangen ab. Lust oder Qual, ein anderes Finale
und leicht noch zu ersticken wäre. Die Gatten er= beleuchtet es in witziger und wehmütiger, aber, wiees
gibt es nicht, wenn das Drama nicht mit der Sehn¬
klaren einander gegenseitig als frei, die Ehe für auf= in der Narur der Sache liegt, ergebnisloser Weise¬
sucht des vorletzten Aktes abbrechen soll. Maeterlinck,
geroben, aber — so will es die Caprice des Dichters, Das Zwischenspiel hat eben, man verzeihe das härte
vor dem in rastloser Bewegung vibrierenden Beenen¬
dem normale Menschen und besonders Ehekenner hier
Wort, „keinen moralischen Hintergrund“.
stock, der ihm das Sumbild des Menschenlebens ist,
bricht in Tränen aus. Das ist seine Antwort. Der nicht folgen können — das Zusammenleben soll be¬
Gespielt wurde dieses Stück Literatur herrliche
st Fen bleiben. Die Gatten“, die einander künstlerisch
weise Tolstoj predigt die Uebung der Enthaltsamkeit,
Frl. Hönigsvald stellte in ihrer Cäcilie einen
erganzen, wollen Hausgenossen, gute Kameraden,
um einem Glücke, dessen Kern Schein und Bitterten
vollkommen ausgeglichenen, in jedem Worte in
innige Vertraute bleiben, wie bisher, nur nicht Gatten.
sei, zu entfliehen. Aber die sinnreichste und wahrste
in jeder Bewegung interessanten Menschen auf
Beide glauben ruhig zusehen zu können, wie der
Antwort hat der große Menschenoildner des Nordens,
Bühne. Ein Charakter, der sich aus Zweifeln ##
andere fremben Nagungen nachgeht. Und dies ist,
Ibsen, dem Liebesdämon gegeben. Falt und Schwanhild,
Leidenschaft nach einem bestiamten Ziel entwickelt
wie man zunachst glauben inuß, ein Denkfehler Schnitzlers.
die jungen Helden seiner „Komodie der Liebe“, die
das magisch die Seele zu Uenden scheint. Demk
Solche Kontrakte kommen unter hochstehenden Menschen
einander wie in einem Leidenschaftsorkan zufliegen,
genialen Schwächling Amadeus gab Herr Carl
einfach nicht von Es gibt eine Eifersucht
verschmähen den Genuß und trennen sich schnell —
Wagner Züge der Wahrheit. Die Nervosität, dier
post festum, es gibt sogar eine posthume Eifer¬
Hast, die Zerfahrenheit entsprechen wohl einem Sinn,
um einandet für immer anzugehören. Wer die erste, ssucht.
es kein Denkfehler des Dichters,
Ist
der sich im Lakyrinth des Gefühls völlig verloren
lohende, herzvereh Inde Liebe rein und stork erhaltensy ist es eine gewollte Phantasie, an deren Möglichteut in
will im Lebenskampfe, der muß den Gegenstand der
hat. Der Schriftsteller des Herrn Keller=Nebris
der Wirklichkeit er selest nicht glaubt, wie er sich dern
Neigung fliehen und sich mit aller Liebe bestem Teil, der
war nicht ohne einen originellen Zug, ich meine aber.
häufig genug selbst verfifliert und in ironischer Werle der Mann, der so kecke Wahrheiten ausspricht, hätte
Sehnsucht, begnügen. Nichts ist dauerno, als das Ideal.
Widersprüche in den Dialog streut. Die Trennung
An jede Erfüllung hängen sich die Schlacken der Welt
noch mehr Ueberlegenheit zeigen müssen. Die nur
erfolgt, Amadeus träumt unter der Platane und
Sorze, Leidenschaft, Eifersucht, Gewohnheit, neue
turze, aber klippenreiche Rolle des Fürsten spielte Heit#
Cäcilie läßt sich auf Kunstreisen von ihrem Fürsten
Reize; die Erde ist voll von vernemenden Dau onen
[Gebhardt mit großem Takt. Der Gräfin verlieh
begleiten. Die „Gatten“, die sich nun zu „Freunden“
— jede Erfüllung trägt schon den Keim des Todes
degradiert haben, schreiben einander jeden Tag. Am Fri. Kühnert treffende Züge, während in einer vom
Dichter sehr vernachläisigten Rolle Fil. Westhoven
in sich. Das ist der Sinn in Ibsens paradoxer und
Ende des zweiten Aktes findet man sich in der ge¬
beschäftigt war.
doch so wahrer Komödie. Falk und Schwanhild
meinsamen Wohnung wieder zusammen, längst ist
trennen sich, ehe der Brand ih er Liebe Schlacken aus¬
Ein Teil des Publikums revoltierte ein wenig
Amadeus seiner Gräfin satt, Cäcilie mit ihrem
wirft; gleich einem herrlichen Morgenrot wird nun die
gegen das Zwischenspiel Schnitzlers, stieß sich auch
Fürsten nicht weiter gekommen, und die zeitweilige
Liebessehnsucht ewig an ihrem Lebenshorizont leuchten.
wohl an den langen Windungen der Aktschlüsse; im
Scheidung der kühler gewordenen Gatten tut ihr
ganzen aber kam ein freundlicher Erfolg zu stande,
altes, millionenmal erprovtes, auffrischendes Werk.
Immer ist es verlockend, einen neuen Dichter neu
un Herr Baron Berger sah sich für die treffliche Ein¬
Amadeus sieht in seiner Frau eine ganz neue,
die slte Melodie spielen zu hören. Vor Ueber¬
sturierung, sowie die Hauptdarsteller für ihr hin¬
f#inde, reizvolle Erscheinung, er verliebt sich zum
raschungen ist man memals sicher. Selbst dann nicht,
gebendes Spiel durch mehrfache Hervorrufe anerkanist.
wenn ein Virtnose der Leidenschaftsschilderung, wie
zweitenmal stürmisch in sie, er wirbt, flammt auf
m Leidenschaft und reißt die sanfangs wider¬
der geistvolle Arthur Schnitzler einer ist, anftritt.
Philipp Berges.
Cäclie
mit hin.
in einem
Wer sollte die Begrenztheit des Sinnentaumels besser strebende
kennen, als ihr kühnster Schilderer, der Die#ter des landläusigen Lustspiel, hieße das Versöhnung. Hier
„Reigens“. Schnitzler weiß, daß auch die belste nicht. Dem stürmischen Liebhaber gelang es woll,!
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