20. Zwischensniel
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Stadt
Nachrichten aus Stndt und Teas.
X Schuld und Sühne in Arthur Schnitzlers „Zwi¬
schenspiel“. In den Besprechungen sowohl der „Rei¬
chenberger Zeitung“ als auch der „Reichenberger Ta¬
gespost“ wurde diese Komödie hinsichtlich ihres drama¬
tischen Wertes abfällg beurteilt, was doch wohl einiger¬
maßen ungerechtfertigt erscheint, weil sie es verdient,
psychologisch etwas eingehender untersucht zu werden.
Die „Reichenberger Zeitung“ schreibt: „Nahmen die
Darsteller das geistreiche Stück Schnitzlers noch zu
ernst?“ Keineswegs, antworte ich, vielmehr hätte der
Schauspieler Gebhardt den Standpunkt des Amadeus
richtiger in ernstem Tone, weniger in ärgerlichem ver¬
treten sollen. Dann wäre auch die ernste Auffassung
ine Gegen¬
und feine Darstellung der Cäcilie dur
spielerin Frau Witt den Zuhörern um #rrtikern im
Rahmen des Stückes einleuchtender und billigenswerter
erschienen — vielleicht auch dem Kritiker der „Tages¬
post“ die „zwingende Notwendigkeit des Schlusses“
Denn auch darin kann ich dem Kritiker X. nicht bei¬
stimmen, daß „die Handlung fadendünn ist und ihr
jeder dramatische Nerv fehlt“. Dreifach ist die Schuld,
die das Ehepaar Adams auf sich geladen hat. Beide
Ehegatten haben sich gegen die Gesellschaft ver¬
gangen, sie haben gegen die Wahrheit gefehlt und
haben gegen die Liebe gesündigt. Gegen die gesell¬
schaftliche Einrichtung der Ehe haben sie sich vergan¬
gen, als sie eine Ehe schlossen in der Absicht oder doch
zum mindesten in der Voraussetzung, das am Altar be¬ 2“
schworene Eheband nicht als bis ans Ende ihres Le¬ I##
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bens bindend zu betrachten, eine Pflicht, die bei die¬
sem Ehepaar obendrein noch durch das Vorhandensein ist
#
des Kindes erhöht wird. Zweitens haben sie gegen
die Wahrheit gefehlt, indem sie die eingegangene Ver= hö¬
pflichtung zur gegenseitigen Wahrhaftigkeit nur äußer= zus
lich, nicht aber im Sinne wirklicher innerer Aufrichtig= Kle
keit eingehalten haben. Und endlich haben sie gegen pre
Liebe und Freundschaft gesündigt. Zuerst, so lange Ne¬
sie einander liebten, durch den Ehebruch, den er als Gr
Mann tatsächlich, sie als tiefempfindende Frau in der ve¬
Gedanken= und Gefühlswelt begangen hat, und dann, sch¬
als sie nur noch Freunde sein sollten, durch die Sünde, irr
die bei Liebenden oder Gleichgültigen entschuldigt wer# na¬
den kann, unter Freunden aber nicht vorkommen den
darf. Diese dreifache Schuld muß das Ehepaar drei= zu
fach büßen. Vor allem seelisch durch den Verlust des
k. k.
Kostharsten, was sie hatten, ihrer Liebe. Dann auch
gesellschaftlich durch den Verlust der Ehegemeinschaft Obse
mit dem Vater beziehungswese der Mutter des eige=jen¬
nen Kindes und endlich durch den Verlust der Freund= Gen
Guauer
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Nachrichten aus Stndt und Teas.
X Schuld und Sühne in Arthur Schnitzlers „Zwi¬
schenspiel“. In den Besprechungen sowohl der „Rei¬
chenberger Zeitung“ als auch der „Reichenberger Ta¬
gespost“ wurde diese Komödie hinsichtlich ihres drama¬
tischen Wertes abfällg beurteilt, was doch wohl einiger¬
maßen ungerechtfertigt erscheint, weil sie es verdient,
psychologisch etwas eingehender untersucht zu werden.
Die „Reichenberger Zeitung“ schreibt: „Nahmen die
Darsteller das geistreiche Stück Schnitzlers noch zu
ernst?“ Keineswegs, antworte ich, vielmehr hätte der
Schauspieler Gebhardt den Standpunkt des Amadeus
richtiger in ernstem Tone, weniger in ärgerlichem ver¬
treten sollen. Dann wäre auch die ernste Auffassung
ine Gegen¬
und feine Darstellung der Cäcilie dur
spielerin Frau Witt den Zuhörern um #rrtikern im
Rahmen des Stückes einleuchtender und billigenswerter
erschienen — vielleicht auch dem Kritiker der „Tages¬
post“ die „zwingende Notwendigkeit des Schlusses“
Denn auch darin kann ich dem Kritiker X. nicht bei¬
stimmen, daß „die Handlung fadendünn ist und ihr
jeder dramatische Nerv fehlt“. Dreifach ist die Schuld,
die das Ehepaar Adams auf sich geladen hat. Beide
Ehegatten haben sich gegen die Gesellschaft ver¬
gangen, sie haben gegen die Wahrheit gefehlt und
haben gegen die Liebe gesündigt. Gegen die gesell¬
schaftliche Einrichtung der Ehe haben sie sich vergan¬
gen, als sie eine Ehe schlossen in der Absicht oder doch
zum mindesten in der Voraussetzung, das am Altar be¬ 2“
schworene Eheband nicht als bis ans Ende ihres Le¬ I##
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bens bindend zu betrachten, eine Pflicht, die bei die¬
sem Ehepaar obendrein noch durch das Vorhandensein ist
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des Kindes erhöht wird. Zweitens haben sie gegen
die Wahrheit gefehlt, indem sie die eingegangene Ver= hö¬
pflichtung zur gegenseitigen Wahrhaftigkeit nur äußer= zus
lich, nicht aber im Sinne wirklicher innerer Aufrichtig= Kle
keit eingehalten haben. Und endlich haben sie gegen pre
Liebe und Freundschaft gesündigt. Zuerst, so lange Ne¬
sie einander liebten, durch den Ehebruch, den er als Gr
Mann tatsächlich, sie als tiefempfindende Frau in der ve¬
Gedanken= und Gefühlswelt begangen hat, und dann, sch¬
als sie nur noch Freunde sein sollten, durch die Sünde, irr
die bei Liebenden oder Gleichgültigen entschuldigt wer# na¬
den kann, unter Freunden aber nicht vorkommen den
darf. Diese dreifache Schuld muß das Ehepaar drei= zu
fach büßen. Vor allem seelisch durch den Verlust des
k. k.
Kostharsten, was sie hatten, ihrer Liebe. Dann auch
gesellschaftlich durch den Verlust der Ehegemeinschaft Obse
mit dem Vater beziehungswese der Mutter des eige=jen¬
nen Kindes und endlich durch den Verlust der Freund= Gen
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