II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 65

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eine Schlacht verloren werden, ein anderer junger Offi=] Boden. Es ist eine schlimme Ungeschicklichkeit, daß sich
die Heldin hinter einem Vorhang verbergen muß, um zu
zier Hand an sich selbst legen, eine hysterische Base nach
erfahren, daß ihr Liebster noch in ein anderes Abenteuer
krankhaften Liebesverwirrungen an der Schwindsucht
verstrickt ist; und da ein Uebel selten allein kommt, be¬
sterben — all das, damit die Heldin aus dem Labyrinth
gegnet der ominöse Vorhang noch in einem Duplikat,
der Brust den Weg zu einem gefriedeten Dasein zurück¬
hinter dem sich der Overst „versteckt hält, um die Untreue
findet, damit sie in idyllischer Waldesruhe von dem
seiner Gattin zu erlauschen. Es ist die schlimmste Un¬
Kampf und Krampf des eigenen Herzens genese, damit
geschicklichkeit, daß besagter Oberst plötzlich aus seinem
ein Arzt als Arzt der Seele und Raisonneur das
Schlupfwinkel klirrend ins Zimmer des vielbegehrten
elegische Fazit ziehe: „Wer weiß, ob Ihnen nicht später
Leutnants springt und besagte Ehebrecherin kaltlächelnd
viel später einmal aus einem Tag wie der heutige
niederknallt; darum die schlimmste, weil ein unvorbe¬
der Ruf des Lebens viel reiner und tiefer in die Seele
reiteter Schuß auf der Bühne immer fehlgeht und nur
klingen wird als aus jenem anderen, an dem Sie
das Peinliche der Ueberraschung mit sich bringt, das in
Dinge erlebt haben, die so furchtbare und glühende
diesem Falle doppelt peinlich wirkt, weil uns die Frau
Namen tragen wie Mord und Liebe.“ Es wird mit
Oberst (abgesehen von ihrer Liaison dangereuse) eine
Kanonen (nicht nur bildlich) nach Vögeln geschossen;
völlig Fremde ist. Nicht minder staunen wir darüber,
der Aufwand der Mittel steht in einem schrillen Mi߬
daß sich ein Meister des Dialogs wie Schnitzler hier in
verhältnis zu der inneren Lehre, die in Goethes Worte
einer so papierenen Sprache oder novellistisch blumigen
mündet: „Was soll all der Schmerz und Lust? Süßer
Ausdrucksweise gefällt. Was soll man von folgender
Friede, komm, ach komm in meine Brust!“
Stelle halten: „Ich könnte in einer Stadt überhaupt
Soll ich den Inhalt noch eingehender erzählen? Für
nicht wohnen. Wie ein Grauen überfällt es mich manch¬
die Gattung der Melodramas gibt es keine furchtbarere
mal im Lauf der Straßen. Stockwerk baut sich über
und zugleich fruchtbarere Kritik als die bloße Wieder¬
Stockwerk, die Fenster sind verhängt, die Türen zu, eine
gabe der Fabel, auf der zum Schaden der Logik das
Steinwand starrt die andere an — ein beklemmender
Schwergewicht ruht. Aber Schnitzler ist kein Philippl,
Ernst lastet über den Dächern, verworren scheint der
kein Brieux und kein Pinero. Selbst eine pirfekte Ar¬
Tag und die Nacht gefährlich, und Schicksale fallen über
beit von ihm darf den Anspruch erheben, daß ihre
die Menschen wie Räuber her“? Ist das noch lebendige
Schwächen verschleiert, ihre Vorzüge doppelt betont wer¬
Sprache? Was denkt man von folgender, übel aufge¬
den. Und die Schwächen sind diesmal mit Händen zu
bauschten Wendung: „Zu Wallungen eines irrgewor¬
greifen. Sowohl was die Technik wie den Dialog be¬
denen Leib's hätt' ich das tiefste Walten meiner Seele
trifft. Es ist eine schlimme Ungeschicklichkeit, daß der
umgelogen*? Und ein Dutzend solcher Entgleisungen
Schluß des zweiten Aktes dem Schluß des ersten wie
könnte man mit Leichtigkeit zusammenstellen. Es hat
ein Ei dem andern gleicht: beidemale stürmt die Heldin
zum Liebesgenuß davon, beidemale liegt eine Leiche am! fast den Anschein, als habe Schnitzler das Romanhafte
der Ereignisse durch eine ebenso romanhaft gefärbte
Sprache stützen und unterstützen wollen; oder aber als
habe ihn die unnatürliche Handlung wider besseres
Wissen zu der unnatürlichen Ausdrucksweise gedrängt.
Doch all' das ist zu offenkundig, als daß man davon
viel Aufhebens machen sollte. Was jeder Kurzsichtige
sieht und mit Genugtuung feststellt, darf der Kritiker,
welcher seinen Namen vom scharfen Sehen hat, still¬
schweigend übergehen. Es handelt sich für ihn vielmehr
darum, aus einem so schwachen Werke noch die Vor¬
züge herauszuschälen. Und daß solche auch in dieser
Arbeit vorhanden sind, versteht sich bei einem so geist¬
reichen Manne wie Schnitzler von selbst. Der erste Akt
ist dramatisch der stärkste Trumpf, den der Dichter
bisher ausgespielt. Er ist so stark, daß er ihn zum Nach¬
teil des Ganzen, das eine natürliche Steigerung ver¬
langt, nicht mehr überbieten konnte und in dem Augen¬
blick unnatürlich ward, als er seine Trümpfe der Reihe
nach ausspielte. Und in diesem ersten Akte wird völlig
überzeugend=dargetan, wie ein von seinem Vater bis
aufs Blut gepeinigtes Mädchen an dem Kranken zur
Mörderiu werden kann. Dann läßt uns allerdings der
Bau des Dramas, das nach so kraftvollem Crescendo
flau verebbt, im Stich und wir müssen uns an die
Feinheiten des Dialogs halten, wenn wir einen Ersatz
suchen. Gerade diese Feinheiten wollen jedoch nicht ganz
zu den grobschlächtigen Vorgängen stimmen, so daß sich
aus dieser Mischung vielfach ein innerer Widerspruch
ergibt. Wenn etwa der siebenundzwanzigjährige Leutnant
Max mit der Abgeklärtheit eines Phikosophieprofessors
das tiefsinnige Wort ausspricht: „Wer nur an sich
denkt, stirbt in jedem Augenblick; wer die Zusammen¬
hänge begreift, lebt ewig“, so paßt dies weder zur Si¬